Das Oberverwaltungsgericht hat mit Eilbeschluss vom heutigen Tag die für das Gebiet des Kreises Gütersloh geltende nordrhein-westfälische Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in Regionen mit besonderem Infektionsgeschehen (Coronaregionalverordnung) vorläufig außer Vollzug gesetzt.
Nach einem Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh mit über 1.500 Infizierten hatte das Land Nordrhein-Westfalen eine erste Coronaregionalverordnung erlassen. Diese sah befristet für die Dauer einer Woche weitreichende Kontaktbeschränkungen sowie Einschränkungen im Kultur- und Freizeitbereich für die Kreise Gütersloh und Warendorf vor. Während die Maßnahmen betreffend den Kreis Warendorf mit Ablauf des 30. Juni 2020 ausgelaufen sind, hat das Land diese hinsichtlich des Kreises Gütersloh mit einer zweiten Coronaregionalverordnung für eine weitere Woche bis zum 7. Juli 2020 fortgeschrieben. Ein Eilantrag eines Bürgers aus dem Kreis Gütersloh gegen die erste Coronaregionalverordnung blieb ohne Erfolg (siehe Pressemitteilung vom 29. Juni 2020). Gegen die zweite Coronaregionalverordnung hat sich nunmehr eine GmbH aus Oelde gewandt, die im Kreis Gütersloh unter anderem in Schloß Holte-Stukenbrock und Versmold Spielhallen betreibt.
Der 13. Senat hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entsprochen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die angegriffene Coronaregionalverordnung nach der Prüfung im Eilverfahren voraussichtlich rechtswidrig sei. Es sei nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht mehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren, dass sich ihr Geltungsbereich auf das gesamte Gebiet des Kreises Gütersloh erstrecke. Zwar sei es zu Beginn des in Rheda-Wiedenbrück lokalisierten Ausbruchsgeschehens nicht zu beanstanden gewesen, dass der Verordnungsgeber für den gesamten Kreis kurzfristig strengere Schutzmaßnahmen als für andere Regionen Nordrhein-Westfalens ergriffen habe. Er habe so Zeit für Aufklärungsmaßnahmen gewinnen dürfen, um anschließend auf belastbarer Grundlage über die weitere Vorgehensweise zu entscheiden können. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der jetzigen gerichtlichen Entscheidung sei es aber möglich und erforderlich gewesen, eine differenziertere Regelung zu erlassen. Ausweislich der Ergebnisse der seit Entdeckung des Ausbruchs durchgeführten Massentestungen unter den Einwohnern des Kreises Gütersloh variiere die Verteilung der bestätigten Neuinfektionen innerhalb der kreisangehörigen Städte und Gemeinden erheblich. Insbesondere in den im Norden und Osten des Kreises gelegenen Städten seien nur wenige Neuinfizierungen festgestellt worden. Vor diesem Hintergrund sei nicht (mehr) ersichtlich, dass sich die dortige Gefährdungslage signifikant von derjenigen in anderen außerhalb des Kreisgebietes gelegenen Städten und Gemeinden vergleichbarer Größenordnung unterscheide.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Spielhallen sind bestimmt ein idealer Ort, um seine Freizeit in einem Gebiet mit vielen Corona Fällen zu verbringen.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass Gütersloh die Grenze von 50 unterschreitet und weiter sinkende Fälle hat. D.h. die Maßnahmen wären sowieso kurzfristig gestoppt worden.
Ein Kreis ist schon eine kleine zusammenhängende Einheit. Wenn dort noch stärker differenziert werden soll, bleibt die Schnelligkeit auf der Strecke. Das kostet bei Corona Leben.
Für mich ist das Urteil falsch. Aber das empfinde ich öfter so bei Urteilen des OVG Münster.
@ke Da bin ich ganz bei ihnen. Immerhin zeigt das Urteil, auch wenn ich es als direkt Betroffener ablehne, dass der Rechtsstaat funktioniert. Das ist zumindest etwas, was man den Corvidioten entgegen halten kann.
@ thomas weigle #2
Ja, der Rechtsstaat funktioniert, die Richter sind unabhängig u. s. w.
Und ja, das ist gut so.
Nur leider fühlen sich Richter eher dem Buchstaben verpflichtet als der Realität.
Wie darf man sich die Vorgabe eines "differenzierteren" Lock-Downs so in der Praxis vorstellen? Bei einem weitläufigen Landkreis wie Gütersloh mag das noch angehen, aber wie sähe das z. B. in Großstädten oder urbanen Regionen wie im Ruhrgebiet aus? Dürfen da im Fall des Falles nur einzelne Stadtteile "runtergefahren" werden?
Mal ganz zu schweigen von weitreichenderen Signalen, die das Urteil sendet: wie man hört ist die FDP ist schon busy, alle Corona-Beschränkungen infrage zu stellen, was zwar so vernünftig ist wie ein Kleinkind, dass sich die Augen zuhält und kräht: "Kuck mal, Mama, ich bin unsichtbar!" aber bei einigen Wählern sicher gut ankommt.
Das ist ein Dilemma, für das mir auch keine Lösung einfällt – außer vielleicht eine etwas realitätsnähere Ausbildung von Juristen, was vermutlich auch schon wieder so utopisch ist wie … ja, wie was,´… da fällt mir jetzt gerade kein Vergleich ein.