Das Landesverfassungsgericht hat einer Klage der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP) statt gegeben. Nun wird es in den Räten weiter Mini-Fraktionen und Einzelkämpfer geben.
Die ÖDP hatte dagegen geklagt, dass eine Partei, wenn sie bei der Wahl nur 0,99 Prozent der nötigen Stimmen für einen Ratssitz keinen bekommt, aber bei 1,51 Prozent der für einen zweiten Sitz nötigen Stimmen zwei. Das Landesverfassungsgericht hat der Klage der ÖDP heute Recht gegeben – das Land muss diese im letzten Jahr gemacht Änderung des Wahlrechts wieder zurücknehmen.
Damit wird eine Entwicklung weiter gehen, die mit dem Ende der Fünf-Prozent-Hürde 1999 begann. Gegen die Fünf-Prozent-Hürde in den Räten bei den Kommunalwahlen hatten damals die ÖDP und die PDS erfolgreich geklagt. In den Räten finden sich seitdem eine Vielzahl von Einzelkämpfen und Mini-Fraktionen mit nur zwei Mitgliedern. In den Räten von Bochum, Recklinghausen und Marl sind sieben Fraktionen und Grüppchen im Rat und in vielen Städten sieht es nicht viel anders aus. Auch die NPD verdankt ihren Sitz in der Bezirksvertretung Wattenscheid dem Wegfall der 5-Prozent-Hürde.
Was auf den ersten Blick gut klingt – die genauere Abbildung des Bürgerwillens in den Parlamenten – ist im politischen Alltag ein Problem: Die Minis sind kaum in der Lage sich durch die gesamten Vorlagen durchzuarbeiten, oft sind sie nicht in den Ausschüssen vertreten, die ja deutlich kleiner sind. Dort findet allerdings die politische Diskussion statt.
Und noch etwas kommt hinzu: In den Räten wird es immer schwieriger, stabile Mehrheiten zu organisieren. Die Abstimmung mit wechselnden Mehrheiten klingt nur am grünen Tisch gut. In der Praxis bedeutet sie häufig, dass es Mehreiten für Ausgaben und schöne Projekte gibt, aber niemand für Kürzungen und Streichungen verantwortlich sein will. Ich habe über viele Jahre zersplitterte Räte erlebt und kann Gelsenkirchens OB Frank Baranowski gut verstehen, der neue Sperrklausen fordert. Durch das Urteil des Verfassungsgerichtes sind sie erst einmal in weite Ferne gerückt.
Der kommunalpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Horst Engel, findet das Urteil toll:
„Mit dem Urteil steht fest, dass es kein Instrument gibt, missliebige Entwicklungen an den Rändern des politischen Parteienspektrums durch eine wie auch immer gestaltete Prozenthürde zu verhindern. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sich mit extremen Gruppen politisch argumentativ auseinanderzusetzen. Man muss sie entlarven, um sie letztendlich ins politische Abseits stellen zu können.“
https://www.fdp-fraktion-nrw.de/webcom/show_download.php/_c-749/_cat-5/i.html
Es waren gar nicht ÖDP und FDP, sondern ÖDP und PDS, die 1999 auf dem Klageweg die 5%-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen gekippt haben. Meine blaugelben Freunde haben sich damals nicht getraut.
Mittlerweile wurden jegliche Hürden (auch die 3,03-Schwelle in Rheinland-Pfalz) in allen Bundesländern von den Gerichten kassiert. Insofern war das öffentlichkeitswirksame Gejaule von Baranowski vor einigen Tagen wohl auch nur ein PR-Gag. Die Gerichte werden auch in Zukunft, Versuche des Gesetzgebers, Sperrklauseln bei Kommunalwahlen wieder-einzuführen, vereiteln.
@Thomas: Danke für den Hinweis. Ist korrigiert.
Es geht doch gar nicht um Sperrklauseln. Es geht darum, dass es aufgrund rechnerischer Gegebenheiten beim Auszählverfahren (egal ob Sainte-Lague/Schepers oder Hare/Niemeyer) Bewerber mit Minimalanteilen hinter dem Komma zu einem Ratssitz kommen können, was dann zwar mathematisch korrekt, aber von der Sache her unlogisch ist. Ich frage mich nach wie vor, warum der Gesetzgeber nicht den einfachsten, logischsten Weg gewählt hat, um dies zu verhindern: Alle Bewerber, die nicht so viele Stimmen erreichen, wie für ein Mandat erforderlich sind, werden aus der Berechnung ausgeklammert. Beispiel: Bei einem 50köpfigen Rat benötige ich genau (100:50=) 2 Prozent der Stimmen für ein Mandat. Erreiche ich diese Zahl nicht, falle ich aus dem Verteilungsverfahrten raus. Das ist verständlich und ich wette: auch gerichtsfest!