In Hessen haben Naturschützer scheinbar ein neues und attraktives Geschäftsmodell entdeckt. Der Naturschutzbund (NABU) hat die Klage gegen einen Windpark zurückgezogen, nachdem die Betreiber 500.000 Euro in einen Fonds des NABU zum Schutz der biologischen Vielfalt gespendet haben. Die FDP will nun wissen ob solche Deals bereits auch in NRW vorkommen.
Die Zwölf Windräder von OVAG, Hessenwind-Gesellschaft und Bürgerwind Ulrichstein KG im Vogelsberg errichtet hatte standen wegen einer Verbandsklage des NABU still, bis sich die Betreiber bereit erklärt hatten, 500.000 Euro in einen Fondes bei dem auch der NABU engagiert ist, zum Schutz der biologischen Vielfalt zu stecken. In der Pressemitteilung des NABU zum Thema, versuchen die Betreiber des Windparks nicht einmal mehr gute Miene zu bösen Spiel zu machen – sie wissen, wer am längeren Hebel sitzt:
„Die fünf Windenergieanlagen stehen schon seit Mai still. Dadurch ist uns ein sehr hoher Einnahmeverlust entstanden. Um die Anlagen jetzt wieder in Betrieb zu nehmen, müssen wir im Grunde mehr leisten als andere Anlagenbetreiber im Vogelsbergkreis.“ Andererseits weise diese Vereinbarung auch in die Zukunft und helfe, die vermeintliche Gegnerschaft von Naturschützern und Betreibern von Windenergieanlagen aufzulösen.
Geld, das wusste schon Niklas Luhmann, entlastet menschliche Beziehungen – in Hessen die zwischen Windpark-Betreibern und Umweltschützern. Die FDP will nun in einer kleinen Anfrage von der Landesregierung wissen, ob es solche lukrativen Einigungen auch in NRW gab, wie die Landesregierung dazu steht und was zu erwarten ist, wenn auch Tierschützer in den Genuss des Verbandsklagerechts kommen.
Wir haben derweil bei BUND und NABU in NRW nachgefragt ob sie schon so etwas gemacht haben oder solche Deals für die Zukunft planen.
Update:
. Hat Ihr Haus solche Vereinbarungen in der Vergangenheit getroffen?
Der BUND NRW e.V. kennt die von Ihnen angesprochene Vereinbarung des NABU in Hessen nicht. Der BUND NRW e.V. hat auch noch nie eine Klage gegen einen Windenergieanlagen-Betreiber geführt. Unabhängig davon hat der BUND NRW e.V. in keinem Fall eine bereits eingereichte Klage aufgrund irgendwelcher Geldflüsse der Beklagten an den Kläger zurückgezogen.
2. Plant Ihr Haus solche Vereinbarungen in der Zukunft zu treffen?
Der BUND NRW e.V. kennt die von Ihnen angesprochene Vereinbarung des NABU in Hessen nicht. Die Frage von Klageeinstellungen gegen Ersatzzahlungen stellt sich bisher in den derzeitig vom BUND NRW e.V. geführten Verfahren nicht. Grundsätzlich halten wir nachträgliche außergerichtliche Einigungen zugunsten des Natur- und Artenschutzes sowie der Belange des Allgemeinwohls aber für durchaus legitim. Zur näheren Erläuterung dazu verweise ich auf den zutreffenden Kommentar von Dr. Thomas Krämerkämper unter https://www.ruhrbarone.de/geschaeftsmodell-verbandsklage/.
Das Geschäftsmodell der Verbandsklage ist nicht neu, nur wenig bekannt.
Die Fälle wo keine „Einigung“ erzielt wurde und Klagen die Verwaltungsgerichte zu Blockaden von Bauvorhaben führten, die der regenerativen Stromerzeugung zuwider laufen, existieren.
Aus den Beteiligungen der Verbände an den Unternehmen der regenerativen Unternehmen und Fonds ergibt sich auch das Interesse, einer Einflussnahme.
https://de.wikipedia.org/wiki/Naturschutzbund_Deutschland#Kritik
https://de.wikipedia.org/wiki/BUND#Kritik
Da werden mal wieder Stammtischvorurteile ausgerollt. Man konnte hier ja schon oft den Grundgedanken bei Hr. Laurin rauslesen, dass die Naturschützer sowieso für alles Üble zuständig und die eigentlichen Verbrecher sind, zumindest solange es die Industrie oder Großprojekte betrifft. BER, Elbphilharmonie, Stuttgart 21, EON Datteln – diese aktuellen Desaster haben alle die Naturschützer oder andere Deppenbürger zu verantworten, keinesfalls die unfähigen Planer, Unternehmen und Behörden. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis dass auch er auf die Kampagne von NDR, Spiegel usw. aufspringt. Journalistisch unsauber werden NABU und BUND auch gleich in einen Topf geworfen.
Ich kenne nicht die Details dieses Verfahrens und kann nicht für den NABU sprechen, sehr wohl aber für den BUND: Der BUND hat kein Geschäftsmodell – er ist gemeinnützig und nicht gewinnorientiert, also sucht er auch kein neues. Wozu auch? Die rund 26.000 BUND-Mitglieder in NRW sind nahezu komplett ehrenamtlich tätig.
Ausweislich der Pressemitteilung des NABU wird das Geld in einen Fond eingezahlt, der von vier Parteien gemeinsam verwaltet wird. Bei Stefan Laurin wird daraus „ein Fond des NABU“. Wie soll er auch sonst die Kurve kriegen und die Basisannahme für eine irgendwie unlautere Vorteilsnahme konstruiert bekommen? Man muss da wohl Nachsicht mit ihm haben.
Der dingliche oder finanzielle Ausgleich von Umweltschäden ist im Naturschutzgesetz ausdrücklich geregelt und erwünscht, um nicht jede Planung untersagen zu müssen. Dabei sollen an erster Stelle Ausgleichsmaßnahmen durch den Verantwortlichen stehen. Wer z.B. Wald zerstört, muss an anderer Stelle wieder welchen anpflanzen. Wer eine geschützte Tierart erheblich gefährdet, muss ihr Ersatzbiotope an anderer Stelle schaffen. Diese gesetzlichen Regelungen dazu sind zwar sehr lax, weil z.B. Arten, die einen mindestens 120jährigen Buchenwald als Habitat benötigen, mit Ausgleichsmaßnahmen abgespeist werden können, bei denen in gleicher Flächengröße Buchensetzlinge gepflanzt werden, wovon z.B. ein Schwarzspecht rein gar nichts hat, aber die Gerichte finden einen solchen Eingriff damit trotzdem ausgeglichen.
Sind Ausgleichsmaßnahmen nicht möglich, können unter Umständen Ersatzleistungen erbracht werden. Das sind typischerweise finanzielle Leistungen an eine Kommune, die dann mit diesem Geld Naturschutzmaßnahmen umsetzen soll. Allerdings ist auch hierbei eine kritische Überprüfung durch die Naturschutzverbände nötig, denn oft geschieht dies eben nicht so, wie gesetzlich vorgesehen. Wäre es im vorliegenden Fall anders, hätte der NABU keine Klage eingereicht oder keine hohen Erfolgsaussichten (dass er aber hohe Erfolgsaussichten hatte, lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit daraus schließen, dass die Anlagen während des laufenden Klageverfahrens nicht weiterbetrieben werden durften).
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen müssen bei der Vorhabensgenehmigung von der Genehmigungsbehörde mit festgesetzt werden. Dies geschieht häufig nicht oder nicht im angemessenen Maße. Ein Beispiel: der Ausgleich für die Riesengebäude des Kraftwerks EON Datteln IV sind zunächst nach einer Formel für „mastartige Eingriffe“ ins Landschaftsbild ermittelt worden, obwohl kein Gutachter, der bei Sinnen ist, einen 180m Kühlturm mit der Wirkung eines Mastens verwechseln kann.
Einer der häufigsten Klagegründe des BUND gegen Vorhaben sind die unzureichenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Dass der BUND damit recht erfolgreich ist zeigt, dass selbst bei den laxen deutschen Gesetzen noch zahlreiche Rechtsverstöße begangen werden. Im vorliegenden Fall des NABU hat man sich offenbar aussergerichtlich auf eine entsprechende Ersatzleistung verständigt. Falls das auch tatsächlich so zutrifft, wäre das vollkommen in Ordnung.
Kritikwürdig wäre eine solche Einigung nur dann, wenn die Gelder z.B. in einen allgemeinen Verwaltungshaushalt eines Naturschutzverbandes gingen.
@Thomas Krämerkämper: Die Unfähigkeit von Planern wurde in diesem Blog häufig ausgiebig gewürdigt. Wutbürger, Sie nennen sie „Deppenbürger“, sind allerdings ein Grund dafür, warum es in diesem Land immer schwieriger wird zu investieren – und das geht an die Grundlage des Wohlstandes und an die Jobs von allen, die nicht im Öffentlichen-Dienst staatlich alimentiert werden. Ich hätte gerne mehr Jobs und auch mehr Industrie und halte die ökologischen Maßstäbe die heute angelegt werden für übertrieben. Sie nicht. Also werden wir weiter streiten.
Nein, Wutbürger sind nicht der Grund, und nein, es wird auch nicht schwieriger zu investieren. Viele Unternehmen investieren erfolgreich und machen eine sehr gute Arbeit. Je größer und politischer ein Investor jedoch ist, desto unfähiger ist sein Planungsvermögen.
BER wird nicht von Wutbürgern gestoppt, sondern von einer großprojektunfähigen Politik und Verwaltung, genauso ist es bei der Elbphilharmonie. In beiden Fällen wollen sich Politiker ein Denkmal ihres Wirkens auf Steuerzahlers Kosten kaufen.
Wutbürger haben bei Stuttgart21 völlig zu Recht auf die erlogenen Planannahmen und bewusst zu niedrigen politischen Kostenschätzungen aufmerksam gemacht. Sie schützen damit ihr Eigentum, nämlich die von ihnen bezahlten Mittel der öffentlichen Haushalte. Ich bin ihnen dafür sehr dankbar.
EON Datteln IV ist an einer leider nicht bespiellosen Arroganz eines bis dahin unanfechtbaren Großkonzerns gescheitert, dem sich alle beteiligten Behörden breitwillig unterworfen haben. Sie haben durch sehr frühe Stellungnahmen der Naturschutzverbände alle grundsätzlichen Rechtsverstöße gekannt und trotzdem gebaut.
Im übrigen zeigen gerade die Kraftwerksverfahren mit der Beteiligung des Europäischen Gerichtshofs, dass die deutschen Naturschutzgesetze keinesfalls zu streng sind, sondern den europäischen Standards nicht genügen.
Ich halte auch mehr Arbeitsplätze für erforderlich und habe glücklicherweise reichlich gute Ideen, wo die herkommen. Industrielle Arbeitsplätze sind darunter nur in dem Maße, wie sie unabdingbar sind. Anders als Sie es meiner Meinung nach tun fordere ich keine Industriearbeitsplätze aus purer Industrieromantik. Industriearbeitsplätze über das Mindestnotwendige (z.B. für eine sichere Energieversorgung) hinaus sind schädlich. Sie verschmutzen die Umwelt stärker, als Dienstleistungsarbeitsplätze, sind oft gesundheitsschädlicher für die Arbeiter und sie benötigen pro Arbeitsplatz vielmehr Fläche, als Dienstleistungsarbeitsplätze.
@Thomas Krämerkämper: Industrieromantik ist mir vollkommen fremd. ich bin für Industriearbeistplätze, weil es, verwiesen sei auf das Modell Gabor Steingart, der „heiße Kern“ ist, an dem die Jobs im Dienstleistungsbereich und im öffentlichen Dienst hängen und damit unser Wohlstand. Ich maße mir auch nicht wie Sie an zu sagen, ab wann sie schädlich sind. Ich will genau aus Gründen der Sicherung und Ausweitung des Wohlstande die globale Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Und ja, sie ist mir wichtiger als eine Wiese in Datteln.
Freut mich ja, wenn so ein Quereinsteiger wie G. Steinhart sich zu volkswirtschaftlichen Grundsatzfragen äußert. Ich bin ein großer Freund von Autodidakten. Allerdings ist das Modell meines Erachtens vollkommen falsch und die Rolle der Industrie wird aus ideologischen Gründen verklärt. In guter Näherung sind alle Arbeitsplätze in Deutschland keine Industriearbeitsplätze. Das gilt vor allem im Hort der Industrieromantiker, dem Ruhrgebiet, wo es sogar nur eine unterdurchschnittliche Zahl von Industriearbeitsplätze gibt. Das ficht da aber kaum einen Wirtschaftspolitiker an. Hören sie dort Industrie, am besten verbunden mit dem Stichwort „Kohle“, setzt das rationale Denken sofort aus.
Vor einiger Zeit hatte ich eine Diskussionsrunde mit Kommunalpolitikern einer großen Volkspartei zum Thema Industrie & Umwelt. Eingangs gab es ein Impulsreferat eines sehr kompetenten Wirtschaftsförderers über die aktuelle Wirtschaftsstruktur der Region. Kernaussage: unterdurchschnittlicher Industrieanteil, überraschend hoher, bundesweit führender Anteil an Gesundheitsdienstleistungen. Die Reaktion der Politikrunde? Links rein ins Ohr, rechts raus, dazwischen werden die Fakten von nichts aufgehalten. Nahezu einhellig begrüßte die Runde, dass man Industriestandort sei (!) und sie noch besser unterstützen müsse. Auch danach kam von den anwesenden Politikern nicht ein einziger Diskussionsbeitrag zur Stärke im Gesundheitsbereich und wie diese weiter ausgenutzt werden kann. Und so schädigt man gerade im Ruhrgebiet systematisch die wirtschaftliche Entwicklung. Dadurch, dass die politische und mediale Liebe nur der Industrie, am besten Großindustrie mit unanfechtbaren Baronen an der Spitze (mein Gott, hat eigentlich die gesamte Region einen Vaterkomplex?), gewidmet wird, werden automatisch andere Wirtschaftszweige zurückgesetzt. Ich erlebe es regelmässig selbst, wie schwer es ist, sehr gute auswärtige Mitarbeiter für einen Arbeitsplatz in meinem Unternehmen zu gewinnen, weil wir ständig gegen dieses Industriebild mit seinen zerstörten Landschaften ankämpfen müssen.
Das Wachstum im industriellen Bereich ist endlich, weil die physische Welt endlich ist. Im Dienstleistungsbereich wird Wachstum nur durch die Anzahl der verfügbaren Arbeitskräfte begrenzt. Jede fortgeschrittene Volkswirtschaft der Welt hat einen immer weiter wachsenden Dienstleistungsanteil und einen sinkenden Industrieanteil.
@Thomas Krämerkämper: Ja, solche Wirtschaftsförderer kenne ich auch – Quereinsteiger, die eine politische und keine wirtschaftliche Sicht der Dinge haben und klar, sie sind alle im Öffentlichen-Dienst 🙂 Deutschland erwirtschaftet seinen Wohlstand vor allem durch den Export – und das ist vor allem der Export von Maschinen, Anlagen und Fahrzeugen sowie industrienahen Dienstleistungen. Der so erwirtschaftete Wohlstand ermöglicht erst eine inländische Gesundheitswirtschaft. In anderen Ländern kann das anders sein: Die USA exportieren Kultur und Software – Deutschland tut das in geringerem Maße. Andere Länder exportieren Rohstoffe – wir eher weniger. Der Export ist die Quelle des Wohlstandes und der kann nur durch Wachstum erhalten bleiben. Industrie ist in Deutschland übrigens vor allem Mittelstand, nicht Großindustrie. Nur die bekannten Konflikte entzünden sich an Projekten der Großindustrie. Sie sind medial einfach präsenter. Aber ich kenne viele Mittelständler die unter steigenden Energiepreisen leiden und die Problem bei Erweiterungen haben. Nur das sind kleine Fälle, nicht prominent, aber es gibt sie zu tausenden.
@Stefan #5: Der Knackpunkt bei Datteln 4 ist natürlich keinesfalls eine Wiese in Datteln. Diese Verniedlichung ist schon hart. Ich habe in den letzten Jahren sogar schon Leute gehört, die der Meinung waren dort stünde nun gleich die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates auf dem Prüfstand. Das finde ich nun genauso übertrieben, aber irgendwo dazwischen liegt es wohl, aus meiner Sicht.
@Robin: Deswegen wird ja ein Zielabweichungsverfahren durchgeführt. Sogar die Grünen tragen es mit – und der einstige große, grüne Kritiker dieses Wegs, Martin Tönnes, führt es engagiert durch :-).
@Stefan: Zur Rolle von Tönnes sage ich hier lieber nichts. Sonst muss ich mich nur wieder sinnlos aufregen. 😉
@Robin Patzwaldt: Ich vertraue ihm was Datteln 4 betrifft.
Zu der Kontroverse Umweltschutz und Verbandsklage hier noch ein Nachtrag
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2012/umweltverbaende103.html
In der Auseinandersetzung bezüglich von Arbeitsplätzen, die verloren, bzw. geschaffen werden, wäre es wünschenswert den Aspekt der Wertschöpfung von Arbeit zu erkennen.
Um es vereinfacht zu beschreiben, stellen die Mitarbeiter von Opel Fahrzeuge her, die zu einem „Wert“ verkauft werden mit dem alle Kosten der Herstellung bezahlt werden können.
Andernfalls wird die Produktion eingestellt, weil nur Verluste entstehen.
Würden nun aus öffentlichen Mitteln Personen beschäftigt, die die Herstellung der Opel-Fahrzeuge aus einer kritischen Sicht als schädlich verhindern, weil sie eine andere Definition von Wertschätzung verinnerlicht haben, dann wäre die Deindustrialisierung zwar ein Ziel einer „alternativen Werte-Diskussion“, die aber zwangsläufig eine gesellschaftliche Transformation, durch die Vertreibung von Werte erstellender Industrie-Produktion und steigender Arbeitslosigkeit in ein wirtschaftliches Chaos führen.
Damit wäre allerdings weder der Bevölkerung noch der Erhaltung und dem Schutz der Umwelt geholfen, weil eine Verarmung keine sinnvolle Lösung darstellt.
@Stefan #11: Wir kommen hier gerade etwas vom Thema ab, aber wenn ich daran denke wie sehr Martin Tönnes seine Ansichten offenbar doch verändert hat seit er den Job von Thomas Rommelspacher, welchen er in meinem Beisein für seine Äußerungen in Sachen Datteln 4 (Genehmigungsfähigkeit) Ende 2010 noch auf das heftigste kritisierte, nun selber inne hat, dann wird mir ganz anders… Mehr möchte ich darüber jetzt aber wirklich nicht nachdenken. War so ein schöner Tag bisher. 😉
zu #7, Stefan Laurin: Es kann nicht jeder Exportweltmeister sein, oder? Und finanziert wird er doch nur über unsere eigenen Transferzahlungen, für die wir uns verschulden oder direkte Verschuldung der Empfängerseite. Offensichtlich gibt es auch andere Quellen für Wohlstand und im Mittel muss das Import- und Exportsaldo irgendwann ausgeglichen sein. Wohlstand wird daher nicht per se durch Export erwirtschaftet. Aber Ihr Argument ist typisch: bei uns sind dank der Industrieromantiker die geistigen Branchen Kultur, Software usw. nur zweitklassig, geistige Produkte sind zweitklassige Werte (@Opelfahrer: bin mir aber auch nicht so sicher, ob ein Opel heute noch einen Wert darstellt – Millionen Nichtkäufer sehen das anders). Das geht runter bis zu den Bilanzierungsregeln in Deutschland. Ein Opel wird mit der Produktion sofort in die Bilanz eingestellt, bei produzierter Software ist das wesentlich schwieriger, ganz im Gegensatz zu den USA oder GB. Natürlich sind bei uns auch die Patentkosten höher, als in Asien oder Nordamerika – sofern man bei uns überhaupt welche bekommt. Wie konnte es im Land der Dichter und Denker nur dazu kommen?
Im Mittelstand gibt es weniger Konflikte, deswegen treten die seltener in die Öffentlichkeit. Bei einem mittelständischen Unternehmen wird ein Vorhaben viel enger von einem „Verantwortlichen“ im wahrsten Sinne des Wortes geführt. Dann passiert auch weniger Murks.
Übrigens wird die energieintensive Aluminiumproduktion bei uns gerade wieder hochgefahren, weil die Stromkosten gesunken sind – dank erneuerbarer Energien.
Ich persönlich finde es bedenklich, dass demokratisch nicht legitimierte NGOs vom Gesetzgeber Sonderrechte wie die Verbandsklage eingeräumt bekommen haben.
Das „Sonderrecht“ ist den Verbänden immerhin von demokratisch legitimierten Regierungen eingeräumt worden. Die Begründung der als Basis dienenden sogenannten Aarhus-Konvention ist, dass es speziell im Umwelt- und Naturschutzrecht auf EU-Ebene zwar viele tolle Gesetze gibt, diese aber in den Mitgliedsländern (insbesondere auch Deutschland) oft nicht angewandt werden – das sogenannte Vollzugsdefizit.
Zum Ausgleich sollen betroffene Bürger einen umfassenden Zugang zu Gericht erhalten, um solche Entscheidungen gerichtlich überprüfen lassen zu können, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Jedoch sind die betroffenen fachlichen Fragen häufig komplex, so dass normale Bürger in der Regel mit der fachlichen Begründung überfordert und in jedem Fall den Beklagten (Behörden, Unternehmen) weit unterlegen sind. Daher wird auch den Naturschutzverbänden unter bestimmten Voraussetzungen ein Klagerecht eingeräumt.
In der Praxis wird das europäische Klagerecht, auch das Verbandsklagerecht, sowohl den Bürgern als auch den Verbänden in Deutschland weitgehend vorenthalten. Die entsprechenden Gesetze schränken es in Deutschland sehr weit ein, welche Vorhaben überhaupt beklagt werden können, und die Gerichte schaffen es im dann mal doch zugelassenen Verfahren mit spezifisch deutschen Hürden (sogenannte Präklusion, Einschätzungsprärogative usw. – ich finde, man erkennt den Missbrauch schon an dieser Begriffswahl) jegliches Klagerecht bis zur Lächerlichkeit auszuhöhlen. Nicht selten erkennt ein Gericht zwar, dass eine Genehmigung rechtswidrig ist, weist aber die Klage z.B. des BUND wg. Präklusion o.ä. dennoch ab. In einem solchen Fall sollte man eigentlich erwarten, dass die zur Rechtsstaatlichkeit verpflichteten Behörden die Genehmigung von Amts wegen zurücknehmen, weil die Rechtswidrigkeit erkannt ist. Das, und das ist kein Witz, passiert aber _nie_.
Erst wenn so ein Verfahren mal vor dem EuGH landet (was die Kläger nicht erzwingen können, sondern eine Entscheidung des deutschen Gerichts ist), werden solche Regelungen dort kassiert. Oder wenn wie aktuell die EU-Kommission mal wieder ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland prüft und hoffentlich einleitet, weil sie hinter der Präklusion ebenfalls eine Aushöhlung des Klagerechts sehen.
sehr interessante Kommentare, wodurch der Artikel doch noch interessant wurde.
-16-Dr.Krämerkämper:
Müßten nicht die GRÜNEN diese absolut mißliche, politisch befremdliche und juristische fragwürdige Siuation in Deutschland -im Abgleich zu den „EU-Vorgaben“-kum Anlaß nehmen, bundespolitisch -evtl.auch auf E.U-Ebene- aktiv zu werden?
Oder „läuft da schon ‚was“, und ich habe es nicht mitbekommen?
Oder wollen die GRÜNEN da nicht ‚ran? Und ggfls.wäre dann nach dem „Warum nicht“zu fragen.
Daß dieses Thema für „meine“ SPD im allgemeinen, für die in NRW im besonderen angesichts ihrer traditionell sehr engen Verpflechtungen mit den „Industrie-„Gewerkschaften und den großen Stomkonzernen -RWE,E.on- uninteressant ist, kann nicht überraschen.
Ich glaube, dass in der Öffentlichkeit und auch in der Politik die auch gerne von Stefan Laurin vertretene Meinung vorherrscht, die Bürger und Naturschutzverbände können gegen alles klagen und verhindern tatsächlich auch alles. Das Problem der schwachen Klagerechte und der viel zu hohen Anforderungen an den Kläger, die in der Praxis zur Folge haben, dass kaum eine erfolgreiche Klage gelingen kann, ist als Problem nur einem kleinen Kreis bewusst. Daher gibt es schon recht wenig politische Bewegung. Führt doch mal eine Klage zum seltenen Erfolg, wie bei EON Datteln oder Triangel Lünen – in beiden Fällen mussten dem OVG die Urteile vom BUND mit gigantischem Aufwand regelrecht abgerungen werden – , finden allerdings gleich Konferenzen in der Staatskanzlei und im Bundeskanzleramt statt, was man gegen diese Klagewut und Investitionsbremsen denn unternehmen kann. Es geht also eher rückwärts.
Bei der NRW-SPD sind leider viele Menschen, die für ihre geliebten Industriebarone auch gerne mal den Rechtsstaat strecken, dehnen und aushöhlen. Da ist ein Großunternehmen unendlich viel mehr Wert, als jeder Bürger und jedes Gesetz. So muss ich das leider nach jahrzehntelanger politischer Auseinandersetzung mit dieser (früher altehrwürdigen) Partei resümieren (über CDU, FDP brauchen wir natürlich gar nicht erst zu reden). Löbliche Ausnahmen gibt es natürlich, nicht zuletzt in Waltrop und Castrop-Rauxel 🙂
Dr.Krämerkämper,
ernüchternde, aber offensichtlich realistische Betrachtungen.
Ich gebe trotz allem die Hoffnung nicht auf, daß sich die GRÜNEN der Thematik/Problematik annehmen.
Frau Höhn war und ist für mich eine der wenigen Parlamentarierinnen in Berlin, für die Umweltbelange, das Umweltrecht eingeschlossen, nicht zu den politischen Nebensächlichkeiten zählen, die zudem nur dann von der großen Mehrheit der Volksvertreter in Berlin, in Düsseldorf dann angepackt werden, wenn ‚mal wieder aufgrund eines Skandales -sh.Lebensmittelbranche- oder aufgrund eines graviernden umweltrelevanten Vorfalles/Unfalles -sh.Atomkraftwerke- kurzzeitig öffentliche Aufmerksamkeit und medial gepuschte Erregung gegeben sind. Also, warten wir auf Frau Höhn, sprechen wir sie gezielt an?