Gescheiterter Regionalplan: Der Regionalverband Ruhr steht in Frage

2014 vereinbarten SPD , CDU und Grüne eine ganz große Koalition im RVR.


Die Verwaltung des Regionalverbands Ruhr hat am Freitag erklärt, dass sie eine Beschlussvorlage für den Regionalplan Ruhr auch in dieser Kommunalwahlperiode — bis zum 31. Oktober 2020 — nicht wird vorlegen können. Von unserem Gastautor Dirk Schmidt.

Im Jahr 2007 hat der Landtag dem Regionalverband Ruhr die Regionalplanungskompetenz übertragen. Der Auftrag war klar. Nach 40 – inzwischen sind es 50 – Jahren sollte erstmals wieder ein einheitlicher Plan für das gesamte Ruhrgebiet entstehen. Ein Plan, der Gewerbe- und Industriegebieten, Siedlungsgebiete und Verkehrsinfrastruktur in der Metropolregion verorten soll.

Über Jahrzehnte war in der Region auf dieses Ziel hingearbeitet worden. Und wie das mit erfüllten Träumen so ist: meist sind sie überfrachtet. Der  Regionalverband Ruhr wurde mit einer Vielzahl an Forderungen überfordert bzw. konfrontiert. Viele waren nicht raumrelevant, für den Plan daher nicht von Belang.

Kein Zeitgewinn durch Regionalen Diskurs

Beim Regionalverband Ruhr erfand man daher das Instrument des regionalen Diskurses, der in ein Handlungsprogramm zum Regionalplan münden soll. In insgesamt elf Fachdialogen und drei Regionalforen sollte eine breite Beteiligung hergestellt werden. Die Bild-Zeitung belächelte dieses Verfahren damals, als eine amöbenhafte Grafik das komplizierte Geflecht vereinfacht darstellen sollte.

Der regionale Diskurs ähnelt einer vorgezogenen Bürgerbeteiligung im Bebauungsplanverfahren der Städte. Dieses ist vorgeschrieben, kann aber von jeder Kommune selber ausgestaltet werden. Durch die vorgezogene Beteiligung der Bürger soll vorgebeugt werden, dass sie nach Erlass des Planes klagen. Zwar dauert durch die Bürgerbeteiligung die Planerstellung länger, aber am Ende wird Zeit gespart. Denn der Plan wird nicht aufgehalten durch Gerichtsverfahren. So die Theorie.

Ob der Regionale Diskurs sein Publikum — die Bürgerinnen und Bürger einer Metropole Ruhr — überhaupt erreichte, ist fraglich. Von Anfang fand er mit einem elitären Fachpublikum statt. Insbesondere Vertreter von öffentlichen Verwaltungen traten hier hervor. Betroffene beteiligten sich in großem Umfang erst nach Vorlage des Planentwurfs. Über 5.000 Eingaben gingen ein. Das Ziel einer Beschleunigung hat der Regionale Diskurs verfehlt.

Der Regionalverband Ruhr ist dabei, die 5.000 Eingaben mit 10.000 Hinweisen abzuarbeiten. Jetzt teilte er mit, dass er damit nicht rechtzeitig fertig werde. Der Plan soll erst nach der Kommunalwahl verabschiedet werden können. Bis zuletzt war von Verbandsspitze geworben worden, dass die politischen Vertreter sich noch vor der Wahl am 13. September 2020 auf den Planentwurf einigen. Urplötzlich soll es nicht an der Politik scheitern, sondern an der Verwaltung.

Bereits vor der jüngsten Verschiebung lagen der regionale Diskurs und die Erstellung des Regionalplans zeitlich hinter allen Planungen zurück. Sollte das gesamte Verfahren zwischen dem Regionalforum 1 und 3 ursprünglich innerhalb von drei Jahren abgearbeitet sein, so dauerte es vom ersten Regionalforum im Jahr 2011 bis 2017. Die RVR-Koalition aus CDU, SPD und Grünen hatte 2014 vereinbart den Plan in drei Jahren zu verabschieden. Sechs Jahr später: Nichts.

Neue Verschiebung, neue Politik und so fort

Der Regionalverband Ruhr geht in seiner Pressemitteilung davon aus, dass der Regionalplan Ruhr von seiner Verbandsversammlung in der ersten Hälfte der nächste Wahlperiode verabschiedet werden kann. Das wäre so etwa 2022 oder 2023. Bis dahin wird sich eine neue Koalition finden. Die Mitglieder des neu gewählten Ruhrparlaments werden sich neu einarbeiten in die Planung. Die Regionalforen liegen dann zwischen fünf und elf Jahren zurück. Der Regionale Diskurs als Bürgerbeteiligung dürfte nach so langer Zeit kaum noch Legitimität für eine Planung beanspruchen dürfen. Der Referenzzeitraum zur Berechnung der Flächenbedarfe liegt dann über 15 Jahre zurück. Überholt.

Ob diese Verabschiedung aber erfolgen kann, steht selbst noch in den Sternen. Angesichts der zahlreichen Einwände, Überarbeitungsnotwendigkeiten durch geänderte Landesvorgaben und Veränderungen bei politischen Mehrheiten ist durchaus vorstellbar, dass der Plan auch 2022/23 nicht verabschiedet wird. Es könnte bei einer weiteren Offenlage bleiben. Ende nicht absehbar. Der neue Regionalpan Düsseldorf hat drei Offenlagen erfordert.

Die zeitliche Verschiebung begründet die RVR-Verwaltung mit fehlendem Personal zur Bearbeitung. Damit wird die Verantwortung zur CDU-geführten Landesregierung verschoben und zeitgleich verdeckt, dass die Koalition aus CDU, SPD und Grünen in wesentlichen Planaspekten keine gemeinsamen Ziele verfolgt.

Insbesondere bei der Frage des Umfangs der Ausweisung von Gewerbe- und Industriefläche besteht Uneinigkeit. Komplementär dazu steht die Frage, in welchem Umfang Freiflächen als schützenswert einem „Flächenfraß“ entzogen werden. Wirtschaftspolitik versus Umweltschutz wird gespielt. Konflikte der Landespolitik setzen sich hier auf regionaler Ebene fort. Stellvertreterkriege haben noch nie jemandem gut getan. Politik und Verwaltung müssen ihre Hausaufgaben machen.

Fehlender Output stellt Regionalverband infrage

Politische Legitimität hat nicht nur eine Input-Seite, die der regionale Diskurs abdecken sollte. Es gibt auch eine Output-Seite. Weder der RVR noch der Regionale Diskurs haben einen Beitrag geleistet, dass der lange ersehnte Plan schnell vorgelegt wird. Politik und Verwaltung des Regionalverbands haben versagt. Viel Papier für nichts.

Die Industrie- und Handelskammern im Verbund mit allem Wirtschaftsförderern erwarten mehr Flächen für Gewerbe- und Industrie als der Planentwurf ausweist. Bald könnte die Forderung lauten, überhaupt einen Plan zu bekommen, um weiterzuarbeiten. Besser mit zu wenig Flächen arbeiten als mit gar keinen. Seit Jahren wird beklagt, dass es keine ausgewiesenen Flächen mehr gibt.

Wenn 15 Jahre nach dem Gesetz zur Übertragung der Planungskompetenz auf den RVR kein Ergebnis vorliegt, wird sich der Landesgesetzgeber fragen, ob die Übertragung der staatlichen Planungskompetenz auf eine Gebietskörperschaft eine sinnvolle Entscheidung war. Änderungen an der Struktur der Regionalplanung in NRW kommen öfter vor, zum Beispiel in Form der Übertragung der Raumplanungskompetenzen auf die Bezirksregierungen und die Abschaffung des Instrumentes des regionalen Flächennutzungsplans. Ein endloses Beteiligungsverfahren ohne Ergebnis ist dauerhaft nicht zu vertreten.

Nicht nur der Regionale Diskurs und der Regionalplan Ruhr können am Ende scheitern. Der ganze Regionalverband steht in der Frage. Es ist an der Zeit, dass die RVR-Koalitionäre CDU, SPD und Grüne ihre Gemeinsamkeiten finden und nicht ihre Differenzen ausleben.

Unser Gastautor Dirk Schmidt ist CDU-Ratsmitglied in Bochum und arbeitete bis vor Kurzem für die CDU-Fraktion im Ruhrparlament.

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