Getretener Quark wird breit, nicht hart

Gut, ich will hier über das Manifest sprechen, dass heute im Netz erschien. Ich glaube das Manifest ist keine Sahne, sondern Quark, und der wird beim Strampeln nun mal eher breit als hart.

Das denke ich aus folgenden Gründen. Journalismus hat nichts mit Technik zu tun. Technik hilft, unterstützt, OK. Das Internet gleicht insofern den Brieftauben der Agentur Wolf, dem Telegraf des Herrn Reuter oder dem Telefon. Das Internet bringt Fortschritt – ja. Es macht es leichter zu arbeiten – das auch. Aber es verändert nicht die Hauptaufgaben eines guten Journalisten.

Und das ist: Geschichten machen. Fragen. Mit Menschen reden. Nachfragen. Akten suchen. Behauptungen überprüfen. Nachlegen. Journalismus ist vielleicht auch Haltung. Eine Perspektive. Ist Unterhaltung. Ja, das alles. Aber Journalismus ist keine Datenübertragungstechnik.

Ich denke jetzt an die Großen des Fachs. An David Crawford vom Wall Street Journal beispielsweise.

Ich glaube David freut sich, dass er das Internet benutzen kann und einen Computer. Aber nimm ihm die Technik weg, dann ändert er sich deswegen nicht. Er beschwatzt Leute, ist charmant, sucht und findet Vertrauen. Und kriegt so die Papiere in die Hand, die beweisen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Vorteile von der Dresdner Bank annahm. So bekommt er seine Bestätigung ON RECORD von der Dresdner Bank, dass die Story stimmt. So geht guter Journalismus.

Nebenbei: das Stück ist nicht mal frei im Internet für lau zu lesen, weil das Wall Street Journal Zugang zu seinem Archiv nur gegen Cash zulässt. Soviel zum Thema Bezahl-Content.

Ich zieh mal mit meinen Worten meine Lehre aus der Nummer: Scheiß auf die Technik. Besorg Dir die großen Nummern und Du kriegst im Zweifel auch Geld für Deine Arbeit. Egal ob Du ein iPhone hast oder eine Holzschreibmaschine.

OK, das hätten wir also.

Dann geht es in dem Manifest um Medien. Klar macht das Internet die Geschichten schneller, das Publikum zum Mitspieler und jeden zum potentiellen Autoren, der um Leser buhlt. Das ist die Nummer mit dem Imperium aus der Westentasche.

Aber die dicken Schlachtschiffe bleiben die dicken Schlachtschiffe. Hier und da regt sich einer auf, wenn eines der großen Medien einen Fehler macht. Aber im ernst, wie viele Fehler machen Blogs?

Es geht darum, mehr richtig, als falsch zu machen. Und da sind die großen Medien einfach stark. Das muss man hinnehmen. Die haben Rechtsabteilungen, Fachleute und clevere Redakteure.

Denken wir an Geschichten wie mit Jako und Trainer Baade. Der Blogger wird an den Rand des Ruins getrieben. Die dicken Schiffe könnten sich in so einem Fall wehren und Jako abprallen lassen. Klar funktioniert hier und da die Solidarität, aber öfter siegt der Anwalt gegen einen Schwachen. Gerade weil Blogger auch echte Fehler machen.

Deswegen denke ich, sollte man nicht vorschnell die alten Medien verurteilen. Sie bringen harten Stoff ins Netz und haben die Kraft diesen Stoff gegen Anfeindungen zu schützen. Die schwärzen nichts einfach so, weil irgendwem eine Aussage nicht paßt. Die kämpfen.

Ich rede von den großen Geschichten, den harten Enthüllungen. Wer aus den Reihen der viel gerühmten Internetöffentlichkeit hat schon was enthüllt. Hat einen Skandal aufgedeckt. Ich mein was echtes, was starkes? Kommt nicht oft vor. Die meisten Enthüllungen stehen immer noch in den „Mainstreammedien“.

Womit ich beim Thema vom Amateur und dem Profi bin.

Das war schon immer so: ein Profi kennt die Wege, die man zu einer guten Geschichte gehen muss. Er geht sie. Und er macht die Story. Ein Amateur träumt von der Bundesliga und spielt Kreisklasse. Ein Profi kann im besten Fall von seiner Arbeit leben, ein Amateur muss Möbel packen, Schornsteine fegen oder Pizza ausliefern.

Was da steht im Manifest von Freiheit, Links und Öffentlichkeit, erscheint mir wie viel heiße Luft und wird seit der Erfindung des Kopierers in immer neuen Varianten wiederholt. Das Internet gibt mehr Schreibern, Chancen gehört zu werden, und mehr guten Schreibern, die Chancen auf ein größeres Publikum. That’s it. Aber Heribert Prantl kann das noch viel schöner sagen. Zitat:

Man sollte auch aufhören mit dem Gerede, dass der „klassische“ Journalismus in einem Bermuda-Dreieck verschwinde. Der gute klassische ist kein anderer Journalismus als der gute digitale Journalismus. Die Grundlinien laufen quer durch diese Raster und Cluster: Es gibt guten und schlechten Journalismus, in allen Medien. So einfach ist das.

Deswegen verweise ich auf die Rede von Prantl zum Thema, hier nach dem Punkt. Klick

Ich komm mal zum Schluss: Und da will ich was zur Haltung beim Schreiben sagen. Wir brauchen eine Debatte über Korruption unter den Bloggern. Über die Grenzen der gekauften Öffentlichkeit im Netz. Über die Manipulationen, Schleichwerbung und wie man damit umgeht. Das wäre wichtig. Denkt mal nur daran, wie die Vodafone-Debatte lief. Mit Sascha Lobo als Werbeikone des Telefonimperiums.

Wurden hier Grenzen überschritten? Die einen meinen Ja, die anderen Nein. Ich bin mir in dem Fall gar nicht mal so sicher.

Aber ich frage mich, wo fängt Bestechung an und wo hört sie auf. Ich hab mal hier bei den Ruhrbaronen die Frage nach der Bloggerkauferei bei Parteitagen gestellt. Mit gemischtem Erfolg.

Diese Debatte über Ethik fände ich aber spannender als das Geschwurbel von einem Journalismus, der sich verpflichtet die neuen Techniken wie Twitter ernst zu nehmen. Pfuhhhhh….

Im ernsthaften Journalismus gibt es die Debatte über die Trennung von PR und Journalismus schon länger. Sie wird hart geführt. Und sie würde den Internet-Schreibern besser tun, als die gut gemeinten Worte aus Berlin.

Die Internetschreiber sind so was wie die neue schreibende Bürgerlichkeit. Sie schaffen Öffentlichkeit. Und das ist gut, um die Gesellschaft zu entwickeln. Aber sie erfinden nicht die Feder der Schreiber neu.

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Thomas
15 Jahre zuvor

Mario hat das Manifest von ihm und den Seinen ja auch heute vormittag im Jonet zur Debatte gestellt.

https://www.jonet.org/

Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, daß dessen Rezeption dort besonders mitgerissen hätte. (-:

Vergl.:

https://wp.ujf.biz/?p=936

Muriel
15 Jahre zuvor

So einfach ist das, was Klügeres zu schreiben als diese 17 langweiligen Thesen. Schade ist das, da haben doch durchaus auch ein paar kluge Leute mitgewirkt.

Hannes
15 Jahre zuvor

@David: Ja, Du hast recht! Es gibt Journalisten, die bloggen. Es gibt Blogger, die sind Journalisten. Aber die meisten Blogger sind keine Journalisten. Ich blogge, aber bin kein Journalist. Ich habe vor gut einem Jahr in meiner Blogger-Pubertät einen Artikel zu Anmutungen der „Message“ herausgehauen:
https://www.schiebener.net/wordpress/?p=556
Darüber hinaus habe ich durch die Bloggerei gelernt, wo die Latte liegt. Bei jedem meiner eigenen Blog-Artikel kenne ich inzwischen den Abstand zum Journalismus. Ich weiß, das es Meilen sind, weil ich nur Bruchteile meines Arbeitstages zur Verfügung habe, um „zu bloggen“, außerdem habe ich Defizite im handwerklichen Bereich, die ich zwar gerne minimieren würde, aber die Zeit …

Was bringt mir die Bloggerei? Ich sehe den Horizont und weiß, dass ich ihn erreichen könnte. Aber ich habe eine anderen Job und kaum Zeit, um das zu tun, was ich eine Zeit lang gerne gemacht habe: Stift und Block(!) nehmen und zu den Menschen gehen, statt den Ar… vor dem PC breit zu sitzen.

Ja, ich schleime. Und ja, Du hast recht.

Ich bin gespannt auf die weitere Diskussion.

Elmar
Elmar
15 Jahre zuvor

Was sie da aufgeschrieben haben ist doch für das Internet ganz nett. Nur der Satz „Wie Journalismus heute funktioniert.“ ist über diesen Behauptungen total überkandidelt.
Davon abgesehen gibt es schon einige Handreichungen für Journalisten, wie man mit dem Verbreitungsweg seit über zehn Jahren umzugehen hat.
Manchmal ist eben ein bisschen zu viel Platz im Netz, zumal das „Internet-Manifest“, wie auch immer ich das zu verstehen habe, vielleicht ein bisschen ein zu großes Wort ist. Aber man kann ja neue Inhalte unter dieser Adresse ablegen. Dafür gibt es das Internet ja. Vielleicht was mit mehr Ecken und Kanten.

Ist eigentlich http://www.Internetphilosophie-GrundsatzrevolutionplusX.de noch frei?
Elmar

Michael Kolb
Admin
15 Jahre zuvor

@ Hannes:
Ohne an dieser Stelle genau auf den Artikel von David eingehen zu können, streust Du zuviel Asche auf Dein Haupt 😉

griesgram999
15 Jahre zuvor

Einen Punkt aus diesem Manifest herauspicken, dazu die selbe Meinung vertreten und daraus folgern, dass das Manifest falsch ist? Oder habe ich den Eintrag falsch verstanden? Ein bisschen mehr Substanz wäre schön gewesen, sogar nötig.

Jens Matheuszik
15 Jahre zuvor

@David Schraven (7):
Ein Allgemeinplatz, der aber oft nicht befolgt wird. Auch hier oft nicht. Abseits von Klick und Klack gehört es übrigens meiner Meinung nach auch dazu einen Link vernünftig zu betiteln – wenn es ihn denn überhaupt gibt.

trackback

[…] kann. A propos streiten: Bei den Ruhrbaronen veröffentlichte David Schraven den Beitrag Getretener Quark wird breit, nicht hart, der sich dem Manifest recht kritisch widmet. Meiner Meinung nach übrigens zu kritisch. Vor […]

Nobby
Nobby
15 Jahre zuvor

© David Schraven |

Getretener Quark wird breit, nicht stark stammt von Johann Wolfgang von Goethe

Aber auch:
Mancher klopft mit dem Hammer an der Wand herum und glaubt, er trifft jedes Mal den Nagel auf den Kopf.
Das Falsche hat den Vorteil, dass man immer darüber schwätzen kann.

Malte
15 Jahre zuvor

„Database Error: Unable to connect to your database. Your database appears to be turned off or the database connection settings in your config file are not correct. Please contact your hosting provider if the problem persists“

Kein Manifest, aber eine Klare Aussage :-/

trackback
15 Jahre zuvor

Ruhrbarone zum Internet-Manifest…

David Schraven hat auf Ruhrbarone.de zum Thema “Internet-Manifest” einen so guten Artikel geschrieben, der die Kerngedanken, die ich zu dem Thema hatte, so schön zusammenfasst, dass ich zu dem Thema nicht mehr als diesen Link beitragen…

Stefan Münz
15 Jahre zuvor

Das „Internet-Manifest“ will ich auch nicht unbedingt verteidigen. Hätte man das Ding „17 Thesen zum Journalismus im Netz“ genannt, wäre ich einverstanden gewesen. Aber unter einem „Internet-Manifest“ stelle ich mir was anderes vor.
Einiges sehe ich aber anders als hier dargestellt: es stimmt einfach nicht, dass es „den ewigen Journalisten“ gibt, der unabhängig von allen technischen Möglichkeiten und medialen Formen sein Ding macht. Es hat den Journalismus nicht immer gegeben, und es wird ihn auch nicht immer geben. Journalismus, wie wir ihn heute noch kennen, ist durchaus ein Kind der Broadcasting-Medien des 20. Jahrhunderts und in seiner ganzen Art daran gebunden. Und es ist finde ich durchaus deutlich sichtbar, dass die klassische Macher-Mentalität im Netz einer neuartigen Mitmach-Mentalität weicht, deren Konturen allerdings noch nicht völlig scharf sind. Umfangreiche Recherchen für gute Artikel werden im Netz tendenziell durch hervorragende kommentierende Korrekturen ausgeglichen. An die Stelle von Vor-Ort-Reportern berichten Menschen, die dort leben. „Wahr“ ist nicht mehr, was der Nachrichtensprecher am Ende einer langen Filterkette verkündet. Wahrheit wird wieder stärker zu etwas, das man selber finden muss im „Schwarm“ der Beiträge.

viele Grüße
Stefan Münz

trackback

[…] Aber es gab auch noch schöne Themen: Die Liebe zum Beispiel. Die Jungs von der Wattenscheider Schule machten sich auf, sie zu finden. Und es gab Erfolge: Westen-Chefin Katharina Borchert wechselte zu Spiegel-Online. Sogar ein Internet-Manifest gab es – wir fanden es aber eher öde. […]

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