Auch in der nun zu Ende gehenden Länderspielpause beschäftigten die zunehmende Kommerzialisierung, der ‚Transferwahnsinn‘ der zuletzt ausgelaufenen Wechselperiode und die daraus langfristig resultierenden Folgen die Fußballgemeinde. Auffällig dabei, dass es dabei offenbar unterschiedlichen ‚Kommerz‘ im Sport zu geben scheint, den ‚guten‘ und den irgendwie ‚bösen‘.
Besonders in der Person von Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff wurde das kürzlich ganz besonders deutlich. Da kritisiert vor ein paar Tagen noch lautstark die seiner Meinung nach bedenklichen Wechselsummen, liebäugelt mit einer Gehaltsdeckelung nach amerikanischem Vorbild (Salary Cap), wenige Stunden später macht dann jedoch auch die Nachricht von einem sich abzeichnenden neuen Milliardendeal des DFB mit dem Ausrüster Adidas die Runde. So wirklich wird man da nicht schlau aus den Äußerungen und den sich dazu scheinbar widersprechenden Handlungen einiger Beteiligter.
In Pressekonferenzen nannte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff zunächst den US-Sport als positives Beispiel gegen den aktuellen Transferwahn im europäischen Profifußball. Der Europameister von 1996 warnte zudem davor, dass durch ständig steigende Ablösesummen die sich zuletzt deutlich öffnende Schere zwischen den Vereinen zukünftig rasch zu weit auseinander gehen könnte.
Wörtlich sagte er vor dem Länderspiel in Frankfurt am Main: „Es ist schon ein kleines Problem für die Bundesliga, dass so viel Geld in den englischen Markt fließt“. Und er fuhr fort: „Auch wenn ich ungern in den freien Markt eingreife, bin ich ein Freund des amerikanischen Systems. Die amerikanische Regulierung mit dem Drafting-System und mit Salary Cap stärkt immer wieder kleine Vereine, das finde ich nicht schlecht. Ich weiß aber, dass dies unter europäischem Recht schwierig wird.“
Seine Ausführungen führten letztendlich zu der Warnung: „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht weiter von den Fans entfernen und es nur noch ums Geschäft geht.“
Auch der ‚Kölner Express‘ zitierte den Manager mit den Worten: „Bedenklich ist, dass für Spieler, die vor ein paar Wochen zehn Millionen Euro kosteten, jetzt 30 Millionen Euro gezahlt wird. Das ist ungesund“.
Doch bereits wenige Tage später machte eine ganz andere, eine offenkundig dazu sogar im Widerspruch stehende Nachricht die Runde: Laut einem Bericht der ‚Bild‘-Zeitung steht der DFB selber nämlich vor dem Abschluss eines neuen äußerst lukrativen Werbedeals, welcher ebenfalls in ganz neue Dimensionen vorzustoßen scheint.
Für einen neuen Zehn-Jahres-Kontrakt soll angeblich die fast schon irrwitzig anmutende Schallmauer von 1-Milliarde-Euro durchbrochen werden. Der Sportartikelhersteller, seit vielen Jahrzehnten schon DFB-Partner, signalisierte zwar grundsätzlich Bereitschaft zur vorzeitigen Vertragsverlängerung mit dem Verband, wollte die kolportierten Summen allerdings noch nicht kommentieren: „Adidas und der DFB gehören einfach zusammen. Vertragssummen werden bei adidas grundsätzlich nicht öffentlich kommentiert.“, sagte ein Unternehmenssprecher.
Da jedoch angeblich auch Konkurrent Nike eine Offerte im Milliarden-Bereich abgeben will, muss einem um die Größenordnung des neuen Deals wohl, so oder so, aus Sicht des DFB nicht ‚Bange sein. Denn auch schon bei der letzten Vertragsverlängerung des DFB mit seinem Ausrüster (im Jahr 2007) wurden mehrere hundert Millionen an Einnahmen herausgehandelt.
Wenn Oliver Bierhoff nun also die zunehmende Kommerzialisierung im Fußball kritisiert, dann sollte er auch einmal vor der eigenen Türe kehren, wie man so schön sagt. Denn nicht nur die Transfersummen sind in letzter Zeit in ein nur noch wenig nachvollziehbares Ausmaß angestiegen, auch die Vermarktung der Nationalmannschaft beschreitet neue Wege, ist deutlich mehr auf Kommerz ausgerichtet als noch vor wenigen Jahren.
Dies kann man nicht nur daran erkennen, dass inzwischen so gut wie jeder Länderspieltermin auch mit Werbemaßnahmen verbunden ist, ständig neue Kampagnen mit den Nationalspierlern gestartet werden, auch der sich anbahnende Ausrüsterdeal deutet in diese Richtung. Von den immensen Eintrittspreisen die inzwischen für Länderspiele an den Stadionkassen verlangt werden mal ganz zu schweigen. Auch hier kann man ein ‚einfacher‘ Fan längst schon nicht mehr hautnah mit dabei sein. Und auch kleinere Fußballverbände werden von ihrem Ausrüster solch gigantische Verträge vermutlich nicht erhalten.
Spricht da etwa jemand mit ‚gespaltener Zunge‘, Herr Bierhoff?
In diesem Zusammenhang wirken übrigens auch die kritischen Worte von Freiburgs Trainer Christian Streich besonders stark. Er kam gestern bei einer Frage nach der aktuellen Lage in Liga 2 so richtig in Fahrt, bilanzierte die Entwicklungen und scheinbaren Gefahren durch die Kommerzialisierung des Fußballs auch hierzulande auf sehr anschauliche Art und Weise. Ein Blick auf diesen Ausschnitt der gestrigen PK sei daher jedem Fußballfan dringend einmal ans Herz gelegt (siehe unten). Die knapp zehn Minuten lohnen sich wirklich.
Trotz dieser dann doch eher bedenklich stimmenden grundsätzlichen Entwicklungen, allen Fußballfans unter unseren Lesern natürlich auch diesmal wieder ein schönes Bundesligawochenende! 🙂
Robin,
vergiss nicht, daß Bierhoff letztendlich von der Kommerzialisierung des Fußballsportes sehr gut lebt!!
Das beginnt mit seiner offziellen Funktion als ….? -ja als was eigentlich-, gut bezahlt vom DFB, die nach meiner Wahrnehmung primär dem Kommerz im Interesse des DFB und in seinem eigenen Intereersse dient und setzt sich über diverse Zusatzeinkommen fort, die er m..E. ohne die Kommerzialisierung des Fußballsportes nicht erzielen würde.
Sei's ihm gegönnt. Nur, da stimme ich Dir, Robn, zu, auch insofern ist es zumindest eigenartig, wenn sich ausgerechnet Bierhoff zum Kritiker einer wachsenden Kommerzialisierung des Fußballsportes "aufschwingt."
PS
Im übrigen gehört Bierhoff im Kreise der DFB-Funktionäre zu denen, die dann, wenn es um "Phrasendrescherei" geht, m.E. nicht zu übertreffen sind -oder doch? Sh.Niersbach!!
@Walter: Das ist ja genau das, was ich meine. Der DFB beschreitet selber ein rasantes Tempo in Sachen Kommerzialisierung. Da muss er sich doch auch nicht wirklich wundern, wenn das viele Geld in England plötzlich Ablösesummen und Gehälter auch hierzulande in die Höhe treibt. Auch der DFB macht das Spielchen doch schon länger so mit. Wer einmal versucht hat eine Eintrittskarte für ein Länderspiel zu kaufen, und sei es auch noch so unbedeutend, der kennt das Problem. Fußball wird in fast allen Bereichen dezeit stark kommerzialisiert. Da muss er gar nicht auf Andere zeigen, da reicht das Fegen vor der eigenen Türe, wie ich finde. Und selbst Christian Streich sagt ja ganz offen, dass auch er natürlich toll davon leben kann. Ist eben insgesamt eine zwiespältige Sache. Das Thema wird uns wohl auch noch länger begleiten… Horst Heldt hat übrigens gerade erst gesagt, Schalke will abwarten bis sich der überhitzte Transfermarkt wieder beruhigt hat. Ich fürchte, da kann er lange warten. 😉
Robin, ich wollte Dir mit meinem Beitrag auch nicht widersprechen, sondern Deine Meinung stützen!
Danke, Walter! 🙂
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