Goldman Sachs und die Wälder auf Borneo

Im Dezember gibt’s in Kopenhagen einen neuen UN-Klimagipfel. Thema dabei der Handel mit Emissionszertifikaten. Der soll unseren Planeten entlasten, dürfte aber auch ein Riesengeschäft werden. Das zieht Banken und dubiose Zwischenhändler an.

Matt Taibbi, Kollege bei den Rolling Stones und prominenter Kritiker der US-Investmentbanken, hat vor einigen Wochen einen Frontal-Angriff auf Goldman Sachs gestartet. In seinem Stück beschreibt er, wie die Bank an jeder der Spekulationsblasen der vergangenen hundert Jahre mitgebastelt und -verdient hat. Die Trust-Pyramiden der 30er, der IPO-IT-Boom der dotcom-Blase, der Immobilienboom, der Ölboom.

Seine Kernthese: Mit ihrem Einfluss auf Politik und Regulierer schafft sie die Rahmenbedingungen für diese Spekulationsblasen, an denen sie dann kräftig verdient. Viele ehemalige wechseln auf Regierungsämter. Auch durfte Stephen Friedman, vorübergehend Chef der New Yorker Fed, bei GS im Board bleiben und sogar Aktien der Bank halten. Das wäre so, wie wenn Axel Weber Aktien der Deutschen Bank besäße.

So konnte GS vor der Finanzkrise miese Immobilien-Kredite über CDOs an Investoren verscherbeln, die gar nicht wussten was in den Paketen steckten – über den Verkauf von credit default swaps hat GS dann selber darauf gewettet, dass der amerikanische Immobilienmarkt platzt und damit die CDOs. Obendrein hat GS dann noch beim Rettungspaket für AIG abkassiert:

"In fact, at least $13 billion of the taxpayer money given to AIG in the bailout ultimately went to Goldman, meaning that the bank made out on the housing bubble twice: It fucked the investors who bought their horseshit CDOs by betting against its own crappy product, then it turned around and fucked the taxpayer by making him pay off those same bets."

Am Ende kommt Taibbi interessanter Weise zu einer Blase, für die die Bonus-Junkies bei GS gerade erst noch kräftig Luft holen. Die USA beraten gerade ihre Gesetzgebung zum Handel von Emissionszertifikaten, genannt capandtrade. In der EU gibt es diesen Handel bereits seit einigen Jahren: Emittenten bekommen gesetzliche Obergrenzen für ihre Emissionen, wenn sie die nicht einhalten, müssen sie Zertifikate auf dem Markt kaufen. Die Obergrenzen werden kontinuierlich abgesenkt, mehr Zertifikate müssen gekauft werden, die Kosten für Emissionen steigen und so lohnen sich Investitionen in Technologien mit weniger Ausstoß. Deswegen investiert zum Beispiel RWE, das noch viel Braunkohle in seinem Energiemix hat, in erneuerbare Energien.

Laut Taibbi schätzt Washington den US-Markt für diese Zertifikate in den ersten sieben Jahren auf $646 Milliarden. An diesen Kuchen will GS, und macht kräftige Lobbyarbeit. So gehört der Bank 10 Prozent der Chicago Climate Exchange, an der Zertifikate gehandelt werden können.

Ich habe das Gefühl, dass Taibbi als Amerikaner sich vor allem an noch einer neuen Steuer stört, und dafür GS die Schuld in die Schuhe schiebt. Ich sehe eher folgende Gefahr: wenn Finanzspekulanten in diesen Markt einsteigen, und es tatsächlich zu einer Spekulationsblase kommt, so wie es bei einigen Rohstoffen schon vorgekommen ist, werden bei einer globalen Regelung Wälder und Emissionen in Entwicklungsländern einen plötzlichen Wertanstieg bekommen, mit dem dann westliche Unternehmen bequem ihren Bedarf an Zertifikaten decken können, vermittelt von dubiosen Zwischenhändlern. Ich glaube nicht, dass bei verbreiteter Korruption und fehlender Rechtsstaatlichkeit Behörden und Wirtschaft in vielen Entwicklungsländern einem plötzlichen Wertzuwachs von Wäldern und Emissionen gewachsen wären.

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Bernd
Bernd
15 Jahre zuvor

Sehr guter Artikel. Goldman ist eine Maschine – kenne selbst ein paar Leute, die dort arbeiten und sie würden das nicht leugnen. Es ist schon erstaunlich, dass Hank Paulson als früherer Goldman(n) die Geschicke der Weltwirtschaft als US-Finanzminister während der größten Krise nach dem zweiten Krieg entscheidend mitbestimmt hat. Man stelle sich mal Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann als Nachfolger Steinbrücks vor. Wie würde er dann wohl entscheiden, wenn er über die Geschicke der Commerzbank mit Martin Blessing an der Spitze entscheiden müsste. Ob er sich wirklich frei machen könnte, von früheren Sticheleien und Rivalitäten. Will dies gar nicht für unmöglich erklären. Der Storch soll ja auch die Kinder bringen;-)

Franz Kollege
Franz Kollege
15 Jahre zuvor

Auf der einen Seite sind die USA ein urdemokratisches Land, wo die Gesellschaft (z.B. in Form des Journalismus) mehr Rechte hat, dem Staat auf die Finger zu schauen, als bei uns. Auf der anderen Seite aber hat der Fokus auf den Markt irgendwie dazu geführt, dass Politik und Wirtschaft stärker miteinander kungeln. Faszinierende Mischung.

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
15 Jahre zuvor

Sehr gutes Thema ? und wichtiger Aspekt von everybody?s darling (?green new deal?).

Franz Kollege
Franz Kollege
15 Jahre zuvor

Heute steht in der SZ, dass Merkel und Sarkozy sich Strafzölle für Waren aus Ländern vorstellen können, die das Klima nicht schützen. Da bekommt man eine Ahnung, zu was für Konflikten Klimaschutz im Verlaufe dieses Jahrhunderts führen kann.

trackback

[…] Hier gibt’s noch mehr zum Thema. […]

Borneo Pete
13 Jahre zuvor

Also ich bezweifle, dass die Wälder auf Borneo dadurch wachsen werden.

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