Goosen und die Prilblumen: dat Ruhrgebiet im Färnsehn

Man kommt sich immer mehr so vor, als hätten die Europäische Union oder die Weltbank oder Abu Dhabi Millionen bereit gestellt, um Horden von Ethnologen (Volkskundlern) ins Ruhr2010gebiet zu schicken, die uns jetzt staunend entdecken und mal so richtig durchleuchten.

Das fühlt sich eigentlich ganz schön an, muss ich gestehen. An die Wertschätzung des neuen GEO Specials oder des ADAC Reisemagazins haben wir uns ja schon gewöhnt, und täglich filtern ja auch die Ruhrbarone Artikel aus fernen Städten und Ländern über uns heraus. Das ist oft lustig zu lesen, vor allem, weil die Autoren häufig Abtrünnige sind, die es hier nicht gepackt haben und dann nach Hamburg gehen mussten.

Nachdem nun auch die aktuelle ADAC Motorwelt ihre entsprechende Titelstory hat („Ruhr 2010: Revier der Ideen“) und in der ZEIT seit Wochen eine sehr lesenswerte Reihe mit tollen Ruhrgebietssagen auf der Kinderseite läuft (zuletzt: „Emscher Neck und Emscher Nixe“; zuvor u.a. „Der Barbarazweig“ oder „Der Raubritter Joost“, was mich an den Heimatkundeunterricht in meiner Volksschule in Bochum-Riemke erinnert, als wir vom Riesen auf dem Tippelsberg erfuhren), nach all diesen putzigen Annäherungs- und Wertschätzungsversuchen also ist leider die Woche fast wieder um, in der das ARD-Morgenmagazin seine Reporter auf uns hetzt und hier mal untern Teppich kuckt.

Heute morgen (aber da schlafen Ruhrbarone noch) ging es zu Frank Goosen nach Bochum. Der Mann ist nicht nur ein Töfften, der dicke Glatzenmann hat auch erheblich abgenommen, so viel, dass ich mir bei meinen eigenen Diätbemühungen bei diesem Anblick schon sage, dass ich es soo weit nun auch wieder nicht kommen lassen möchte. „Könnte glatt Skispringer werden“, flachste Sportmoderator Peter Großmann aus Dortmund-Bodelschwingh. Anyway, warum das Ganze wirklich witzig und mir zumindest neu war: Die eine Omma vom Goosen ist die „Omma Rathaus“, die offenbar früher eine Dienstwohnung im Rathaus bewohnte; Räume, die heute noch unverändert als Amtsstuben genutzt werden. Dass der kleine Frank in der Schule damit punkten konnte, dass seine Omma im Rathaus wohnte, kennt man aus seinen Geschichten; wie das aber da aussieht, lässt einem dat Härz aufgehen. Astreiner brauner Linoleumboden von Anfang der Siebziger (hatten wir in Dunkelgrün), im hellgelb gekachelten Badezimmer (heute der Kopierraum) noch die eigenhändig von Kinderhand angeklebten Prilblumen, und am Waschbecken sogar noch der orangefarbene Plastik-Rasiererhalter vom Oppa. Dazu die Omma am Tisch, die mit orginal Bochumer rauchiger Eckes-Edelkirsch-Stimme von früher erzählte. Herrlich, ich bin heute mit bester Laune und voller Stolz auf unseren Stamm vom Frühstückstisch aufgestanden. Danke, Frank!

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Sascha
14 Jahre zuvor

Übrigens kann man sich den Beitrag auch in der ARD Mediathek ansehen: https://mediathek.daserste.de/daserste/servlet/content/3598962?pageId=487890&moduleId=435054
Zum mitfreuen! 😉

Liebe Grüße Sascha

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