Die Evangelische Kirche in Bochum ist die Kirche von Hans Ehrenberg. In den 30er Jahren hat Ehrenberg eine schnurgerade Grenzlinie gezogen: hier die Kirche, dort die Nazis. Es ist dringend, eine ebenso gerade Grenze zu ziehen zur AfD. Und sich mit allen gut zu stellen, die – hier der Aufruf – neben einem stehen auf derselben Seite der Straße.
Was allen gemeinsam ist auf dieser Seite, ist das, was von AfD trennt: Hier träumt niemand von Deportationen, alle verabscheuen sie. Selbst einen Höcke will keiner abschieben außer aufs tote Gleis. Entlang dieser Grenze gibt es keine Tänzeleien. Das, was der Theologe Paul Tillich ein „Denken auf der Grenze“ genannt hat, ist ein Denken ohne Geländer, aber keines ohne Grenze. Niemand mit einem Gran Hirn sitzt Wannsee-Konferenzen bei, wie AfD sie jetzt reloaded. Es mag sie geben, die „Christen bei der AfD“, in Konferenzen, auf denen Deportationen beraten werden, mögen sie ihren Platz finden, in den Kirchen finden sie keinen. Dies Wort in Gottes Ohr.
Und als Vorschlag nebenbei: Wer als AfD-Mitglied bekannt ist und dennoch Kirchensteuer zahlt, warum wird dessen Mitgliedsbeitrag nicht in einen eigenen Fonds geleitet, mit dem die Kirchen den Kampf gegen Rassismus unterstützen?
Klar, dass man auf dieser Seite der Straße zusammensteht mit Leuten, die ansonsten nicht viel miteinander verbindet. Kirche und Antifa? Die Liste, was trennt, ist lang. Die Gewaltfrage. Die martialischen Posen. Die Straßenkampf-Romantik. Und meistens auch das doktrinäre Gehabe. Aber klar ist eben auch und das seit vielen Jahren: Es ist die Antifa, die den Kopf hinhält. In einem doppelten Sinn: Sie ist es, die beharrlich recherchiert, die sich hineinwühlt in die Nazi-Tunnel, die einzelne Gesichter aus dem braunen Brei hervorlöffelt, Verbindungen aufdeckt, Vorhaben, Pläne. Und: Wenn die rechte Szene mobilisiert, steht die Antifa in der ersten Reihe. Da, wo die Grenze akut verläuft. Wo sie auf Armlänge verteidigt wird. Dass die Nazi-Szene sich seit Jahren nur geschlossen auf die Straßen traut, hat viel damit zu tun, dass die Antifa nicht diskutiert.
Das legitimiert keine Gewalt, die aus der Antifa heraus verübt wird, es legitimiert aber die Drohung mit ihr. Von der alle auf dieser Seite der Straße profitieren, ob man es will oder nicht. Im Grunde funktioniert die Antifa seit Jahren wie die NATO: Die Drohung mit Gewalt muss permanent plausibel sein, um nicht angewandt zu werden. Gäbe es diese Drohung nicht, könnten Rechtsextreme „ungestört Flugblätter verteilen: vor Supermärkten, vor Schulen, in Fußgängerzonen“, schrieb Sebastian Leber – „Danke, liebe Antifa!“ – vor einigen Jahren im Tagesspiegel: „Mich stört es schon, dass ich zu Hause in der Bergmannstraße ständig von Umweltschützern angesprochen werde, die mich zu einer Mitgliedschaft überreden wollen. Ich bin dankbar, dass es keine Rechtsextremen sind, die über den Holocaust diskutieren möchten. Wer sagt, man müsse sich mit Nazis argumentativ auseinandersetzen, hat keine Ahnung von der Realität in ostdeutschen Provinzen.“
Es ist durchaus nicht abwegig, davon auszugehen, dass dies – die Drohung mit Gewalt – der Grund ist, warum es bisher keine Szenen gibt in bundesdeutschen Städten, wie es sie einmal gegeben hat, Lion Feuchtwanger hat sie in „Die Geschwister Oppermann“ beschrieben: wie „uniformierte Völkische“ in den Straßen stehen und Passanten anbetteln „für ihre Wahlbüchsen“. Höckes AfD tritt zivil auf mit ihren Wahlbüchsen, der Sound – „Gebt für das Erwachende Deutschland“ – ist bereits derselbe.