Großmanns Entscheidungsschlacht beim RWE

Der Konzernchef des RWE, Jürgen Großmann, steht vor seiner Entscheidungsschlacht. Gelingt es ihm nicht, sich gegen Wünsche des Aufsichtsrates durchzusetzen, seine Kompetenzen zu beschneiden, wird er seinen Job aufgeben müssen. Kann er sich aber durchsetzen, wird er unangreifbar. Und dann kann Großmann die tief greifende Reform der RWE-Struktur durchsetzen, die derzeit geplant wird. In der Essener Zentrale ist bereits vom „Big Bang“ die Rede, wie ich gehört habe.

Den Plänen zufolge sollen Kompetenzen aus den wichtigsten Führungsgesellschaften RWE Power und RWE Energy in die Zentrale überführt werden. Gleichzeitig sollen die Regionalgesellschaften entmachtet werden. Darüber hinaus sollen neue Ländergesellschaften entstehen, die als Satelliten in den europäischen Staaten direkt der Zentrale in Essen zugeordnet werden sollen. Die Pläne zum Konzernumbau wurden den Informationen zu folge von RWE-Chef Jürgen Großmann in Auftrag gegeben. Ziel der neuen Struktur sei es, das Eigenleben der RWE-Töchter zu beenden und diese der Kontrolle der Konzernzentrale zu unterwerfen. Die ersten Eckpunkte der neuen Struktur sollen bereits bei einer Aufsichtsratssitzung am Donnerstag beschlossen werden. Ein RWE-Sprecher wollte die Informationen nicht kommentieren.

Die Änderung der Konzernstruktur wird von einem heftigen Streit zwischen den kommunalen RWE-Aktionären, den Gewerkschaften und dem RWE-Spitzenmanagement begleitet. Während die Grundsätze des Konzernumbaus von allen anerkannt werden, fürchten Kommunen und Arbeitnehmer um ihren Einfluss auf die Konzernpolitik. Vor allem die Stadt Dortmund macht gegen RWE-Chef Jürgen Großmann mobil. Entzündet hatte sich der Streit bereits vor einigen Wochen an der Umfirmierung der Dienstleistungstochter RWE Systems AG in eine Service-GmbH, die Großmann durchgesetzt hatte. Mit der Änderung der Rechtsform wurde gleichzeitig der Aufsichtsrat der Gesellschaft aufgelöst – etliche kommunale Aufsichtsräte und Arbeitnehmervertreter verloren ihre Posten. Ein Vertreter der Stadt Dortmund sagte mir: „Ohne den Aufsichtsrat haben wir keine Möglichkeit mehr, die Geschäftspolitik der Service-GmbH zu beeinflussen.“

Die Stadt Dortmund beauftragte daraufhin mit den Stimmen von SPD und Grünen die kommunalen Vertreter in allen RWE-Gremien gegen Großmanns Firmenpolitik Stellung zu beziehen und für eine Stärkung der kommunalen Macht im Energiekonzern zu sorgen. Vor allem in Dortmund müssten Kompetenzen von RWE-Firmen konzentriert werden.

Das erste Mal blitzte der Streit in einer vorbereitenden Sitzung zum kommunalen RWE-Beirat so richtig auf. Es kam zum lautstarken Streit zwischen Dortmunder Vertretern und Großmann Vertrauten. Sinngemäß sollen die Großmänner gerufen haben: Wenn Euch unser Kurs nicht passt, verklagt uns doch. In der anschließenden Beiratssitzung allerdings war der Streit schon wieder runtergekocht. Ein Gemeindevertreter bestand auf einer starken Rolle der Kommunen, Großmann hielt persönlich und sanft dagegen. Damit war erstmal Schluss mit der offenen Debatte.

Im Untergrund geht es aber weiter. Pikant ist dabei, dass die Stadt Dortmund über eine Schachtelgesellschaft rund 16 Prozent des RWE-Kapitals kontrolliert. Ein Vertreter der Stadt Dortmund sagte der Welt, die Kommune bemühe sich unter den RWE-Aktionären eine Mehrheit gegen die Strukturpläne Großmanns zu mobilisieren. Das Argument: Großmann dürfte nur unterstützt werden, wenn er bereit sei, den Einfluss der Kommunen auf den Konzern zu erhalten.

In den bisherigen Plänen ist von einer besonderen Rolle der Kommunen wenig zu sehen. Im Gegenteil. Die Rolle der Städte im RWE wird in weiten Teilen der Kapitalbank und auch im Konzern selber als Behinderung angesehen. Die Folge sei eine Totalblockade in der Konzernentwicklung. Nach Ansicht der Großmann-Vertreter müsse es gelingen, die Struktur des RWE zukunftsfest zu machen. Und dazu gehöre eben die Loslösung von den Städten und Gemeinden. Der Weg, um dieses Ziel zu erreichen, sieht so aus: Zunächst will Großmann die Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Tochterfirmen im RWE beenden. Dann soll der Konzern stärker zentralisiert werden, damit er schneller auf neue Situationen reagieren kann. Zudem soll eine Struktur gefunden werden, die ein Wachstum im Ausland möglich macht.

Im Detail soll die Konzerntochter RWE Energy in zwei Vertriebsgesellschaften und zwei Netzgesellschaft aufgespalten werden. Das Geschäft mit den Großkunden soll zudem aus diesen Firmen herausgeschält und in die Handelstochter Supply and Trading eingefügt werden. „Der Handel soll direkt das Geschäft mit den Industriekunden in die Hand bekommen“, heißt es. Die Regionalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung sollen zudem zu „Filialen“ umgebaut werden, die eine zentrale Vertriebspolitik umsetzen. Alle Gesellschaften sollen direkt der Kontrolle der Essener Holding unterworfen werden.

Ähnlich können sich die Probleme für die Kraftwerkstochter RWE-Power aufstauen. Die Firma wurde bereits jetzt auf ihren fossilen Kern rund um die Braunkohlekraftwerke sowie die Kernkraftwerke beschnitten. Alle Zukunftsenergien lies Großmann der neuen Öko-Tochter RWE Innogy übertragen. Nun wird überlegt, auch die Beteiligungen der RWE Power im Ausland auf die neuen Ländergesellschaften zu übertragen. Grundsätzlich sollen alle Beteiligungen der direkten Kontrolle der Holdung unterworfen werden.

Auch hier setzt die Kritik der Kommunen an: Wenn die Verflechtung mit den Städten aufgegeben wird und den kommunalen Beteiligungen in einem zentralisiertem Konzern Kompetenzen fehlen, dann bestehe kein Grund mehr, die enge Partnerschaft zum RWE zu suchen. Die Folge: Konzessionsverträge würden nicht verlängert – so wie es sogar Dortmund androht. Und Partnerschaften aufgekündigt. Gleichzeitig werfen die Kommunen Großmann Misserfolg vor. Statt den Aktienkurs zu treiben oder neue Projekte anzugehen habe der frühere Stahlmanager eine Negativ-Bilanz vorzuweisen. Bislang seien nur wenige seiner Projekt erfolgreich abgeschlossen worden. Die Übernahme an eines namhaften europäischen Konkurrenten? British Energy wurde abgeblasen. Stattdessen Aktivitäten in Südosteuropa – in der Republik Srpska. Das ist der serbischen Teil von Bosnien-Herzigowina.

Damit nicht genug: vor allem die SPD-regierten Städte werfen Großmann fehlendes Fingerspitzengefühl vor. Sein Wunsch-Engagement bei einem Kernkraftwerk in einem Erdbebengebiet in Bulgarien sorgt für Demonstrationen vor Rathäusern in Mülheim und Dortmund. Die Umweltschützer von Urgewalt, Greenpeace und Robin Wood protestieren gegen den bulgarischen Risikoreaktor und erinnern die SPD-Politiker vor einem Wahljahr an die Linie ihrer Partei – den Ausstieg aus der Kernkraft. Selbst vor der RWE-Konzernzentrale kommt es seit über einer Woche immer wieder zu Demos. Am vergangenen Freitag protestieren Umweltschützer vor der Hamburger Wohnung von Großmann. Am Donnerstag soll es in Essen Proteste geben.

Der Widerstand gegen Großmann ist groß. Einige Kommunen und Arbeitnehmer wollen im RWE-Aufsichtsrat eine Änderung der Geschäftsordnung durchsetzen. In Zukunft soll sich Konzernchef die Unternehmensplanung vom Aufsichtsrat absegnen lassen. Bisher liegt diese Kompetenz allein beim Vorstand.

Aber auch die Unterstützung für Großmann ist nicht zu unterschätzen. Die Kapitalbank setzt nach wie vor auf den Macher aus der Stahlbranche. Zudem unterstützen offensichtlich weite Teile des IG-BCE Flügel im Konzernteil RWE-Power den großen Chef – während der Verdi-Flügel im Restkonzern eher Großmann kritisch ist. Die Arbeitnehmer misstrauen sich hier selbst.

Unmittelbarer Auslöser des offenen Konflikts ist nun die oben angsprochene geplante Beteiligung des RWE am bulgarischen Kernkraftwerk Belene. Großmann will diese Beteiligung, ein Teil des Aufsichtsrates um Verdi-Chef Frank Bsirske und Aufsichtsratchef Thomas Fischer nicht. Der Reaktor liegt in einem Erdbebengebiet und ist nach Meinung von Kritikern zu unsicher.

Großmann hat intern angekündigt, die Beteiligung auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrates umzusetzen. Sollte dies nicht gelingen, werde er zurücktreten, sagte der Manager vor Vertrauten. Er sie schließlich als Eigner einer Stahlhütte unabhängig.

Bisher haben sich alle Seiten bemüht, einen offenen Konflikt zu vermeiden. Deshalb wurde die Abstimmung über das Projekt Belene bereits mehrmals verschoben. Nun allerdings ist der Streit zur offenen Feldschlacht geworden. Die Entscheidungsschlacht tobt. DieTelefone laufen heißt.

Lustigerweise hat gerade der RWE-Power Aufsichtsrat Wolfgang Clement in dieser Situation nichts besseres zu tun, als seinen ehemaligen Parteifreunde von der SPD und die Gewerkschaftsvertreter anzugreifen. Er fordert alle auf den RWE-Aufsichtsrat zu verlassen, wenn sie nicht bereits seien, für die Kernenergie zu streiten.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
3 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Stefan Laurin
Admin
15 Jahre zuvor

Wenn den Kommunen die neuen RWE-Strukturen nicht gefallen können sie ja ihre Anteile verkaufen (vor einem Jahr wäre es allerdings lohnender gewesen) – ist auch gut für die Stadtkasse. 🙂

Paul Havers
Paul Havers
15 Jahre zuvor

RWE steht also einmal mehr am Scheideweg. Mehr kommunalen Einfluss oder näher am Kapitalmarkt platziert. Auch wenn ich wenig von dem Vorgehen der Kommunen halte, es riecht immer ein wenig nach „Politiker füllen eigene Tasche“. Sollte RWE ohne Kommunen sein udn damit ohne strategisch interessierten Einzelaktionär, dann droht dem Laden eine einfache Übernahme. Unwahrscheinlich ist das nicht, vorausichtlich im kommenden Jahr werden die Versorger von der Krise belastet, was ihre Aktienkurse unter Druck setzten würde, In der Zeit kauft keine zu, aber wenn es dann wieder aufwärts geht, dreht sich das Fusionskarussel wieder. Sind Hausarbeiten dann nicht gemacht, ist RWE bestimmt kein Konsolidierer.

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

Es ist doch offensichtlich, dass es hier nicht nur um die Zentralisierung der Macht- und Beteiligungsstrukturen als solche geht, sondern darum, dass über den kommunalen, d.h. politischen Einfluß die Kernenergiestrategie des Konzerns torpediert werden kann, da Politiker nun mal unter viel stärkerer öffentlicher Kontrolle stehen und über ihre Wählbarkeit auch stärker unter Druck gesetzt werden können.

Werbung