Es sind verstörende Bilder, die heute aus Lützerath zu uns allen kommen. Angebliche Klimaschützer, die vielfach eher an Krawalltouristen erinnern, verteidigen dort ein längst geräumtes Dorf, gegen die anrückende Polizei. Das weckt große Emotionen bei jedem, der diese Szenen zu sehen bekommt. Egal auf welcher Seite man dabei steht.
Für mich, der sich jahrelang in den Reihen der Kritiker des Kohlekraftwerks ‚Datteln 4‘ engagiert hat, sind es heute sehr widersprüchliche Erinnerungen und Gedanken, die das Geschehen im Braunkohlerevier bei mir auslöst.
Das Steinkohlekraftwerk ‚Datteln 4‘ läuft inzwischen, auch wenn der juristische Kampf hinter den Kulissen noch immer andauert, fast als sei es ein ganz normales Kraftwerk. Das war einmal anders. Vor gut zehn Jahren hatte der Meiler im Kreis Recklinghausen das Zeug dazu, zu einem ähnlichen Symbol wie Lützerath zu werden.
Aus unterschiedlichen Gründen, die ich hier heute nicht noch einmal alle ganz neu ausrollen will, kam es anders. Wer will, der findet im Archiv dieses Blogs dutzende Beiträge dazu. ‚Datteln 4‘ emotionalisierte nie wirklich. Einerseits waren damals Energiepolitik und Klimaschutz noch keine so großen Themen, wie sie es heute sind, andererseits entschieden sich Organisationen, die zunächst mit zu den Kritikern des Meilers zählten, damals irgendwann auch ganz bewusst, sich lieber im Braunkohlerevier zu engagieren, als in Datteln. Das Ergebnis sehen wir heute.
Und auch deshalb werden in diesen Stunden einige der früheren Datteln-Kritiker mit besonderem Interesse auf die Geschehnisse in Lützerath blicken. Mich persönlich schrecken die Geschehnisse dort ab. Gar nicht auszumalen, ähnliche Szenen hätten sich hier rund um das frühere E.On- und heutige Uniper-Kraftwerk an der Stadtgrenze zwischen Datteln und Waltrop abgespielt. Aber sei es drum…
Mit vielen der Aussagen und Handlungen der dortigen ‚Aktivisten‘ kann ich mich schlicht nicht identifizieren. Das dürfte vielen der frühen Datteln-Kritiker von einst ähnlich gehen. Was jedoch trotz all der Unterschiede in beiden Fällen auffällt, das sind einige Aussagen von Klimaschützern, die sich aktuell im Braunkohlerevier des Rheinlandes äußern, und die dann urplötzlich doch ganz frappierend an die Geschehnisse von vor rund zehn Jahren in und um Datteln herum erinnern.
Heute wie früher ist es nämlich das konkrete Verhalten der mitregierenden Grünen, speziell der NRW-Grünen, das viele Menschen aus dem vermeintlich eigenen Lager auf- und abschreckt. Immer wieder hört man enttäuschte Stimmen von den Grünen ursprünglich durchaus nahestehenden Personen, die einen deutlichen Unterschied zwischen den Aussagen der Grünen vor den jeweiligen Wahlen im Vergleich zu ihrem konkreten Handeln in Regierungsverantwortung danach auszumachen glauben.
Im Landtagswahlkampf des Jahres 2010 machten die Grünen zum Beispiel noch sehr deutliche Aussagen in Bezug auf ‚Datteln 4‘. Sie positionierten sich als klare Gegner einer Inbetriebnahme des umstrittenen Kohlekraftwerks im Kreis Recklinghausen. Am deutlichsten machte das der damals extra als Wahlkampfhelfer nach Datteln angereiste Jürgen Trittin, der den Versammelten vor Ort sagte, dass sich jeder zukünftige Koalitionspartner darauf einstellen werde, dass es unter der Beteiligung der Grünen keine Inbetriebnahme von ‚Datteln 4‘ geben werden.
Nach der Wahl, und mit einer kippeligen Minderheitsregierung gemeinsam mit der SPD ausgestattet, schwiegen die Grünen rund um ihren damaligen ‚Chef‘ Reiner Priggen plötzlich zur Sache, wollten die Zusammenarbeit mit der mächtigen Kohle-Fraktion innerhalb der NRW-SPD wohl nicht riskieren. Sehr zum Verdruss der Leute vor Ort, die sich auf die Grünen verlassen hatten und diese auch zahlreich extra gewählt hatten. Auch ich verließ die Partei, der ich mich 2010 angeschlossen hatte, um gemeinsam mit ihr gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerks in Datteln zu kämpfen, nach zwei Jahren völlig enttäuscht wieder.
Hört man einigen der Aktivisten in Lützerath in diesen Stunden zu, zeigen sie sich ähnlich enttäuscht vom Verhalten der Grünen. Sowohl im Bund als auch im Land NRW sehen sich viele von ihrer politischen Vertretung bitter enttäuscht, die einst ausgerufenen Positionen zu leicht über Bord geworfen. Und auch wenn Lützerath auf den ersten Blick mit der Situation in Datteln vor gut zehn Jahren nicht allzu viel gemeinsam zu haben scheint, sind hier doch einige interessante Parallelen zu erkennen. Und ganz egal wie man den Protestlern in beiden Fällen auch gegenüberstehen mag, die Grünen kommen dabei in beiden Fällen bei auffällig vielen früheren Unterstützer nicht wirklich gut weg. Ganz im Gegenteil!