Grüner Wahlkampf: Kaum jemand will Terry Reintke und Ricarda Lang sehen

Terry Reintke, Die Grünen (Foto: Roland W. Waniek)

Viel Prominenz, wenige Zuschauer, vereinzelter Protest: Im Europawahlkampf haben es die Grünen schwer.
Die goldene Hochzeit meiner Großtante Else und ihrem Mann Herbert war ein rauschendes Fest. Kinder, Enkel, Nichten und Großneffen, Nachbarn und Freunde aus der Kirchengemeinde in Herdecke kamen zusammen, um die Jubilare zu feiern. Über 100 waren wir, und der Abend endete, wie jede gelungene Party, in einem Nebel. 100 Besucher – so viele waren es nicht, die zu der ersten großen Wahlkampfveranstaltung nach Bochum gekommen waren. An Tante Else und Onkel Herbert kamen die Grünen nicht heran, obwohl sie Prominenz auf der Bühne auf der Wiese am Bergbaumuseum aufgefahren hatten, die passenderweise Europaplatz heißt: Spitzenkandidatin Terry Reintke, Ricarda Lang, die Parteivorsitzende, und als Conférencier der Bochumer Bundestagsabgeordnete Max Lucks.

Max Lucks, Die Grünen (Foto: Roland W. Waniek)

Geringer als die Zahl Anhänger der Grünen waren nur die der Gegendemonstranten. Die trillerpfeifenden Reste der Bochumer Querdenkerszene versuchten zu stören, wo es ging, hatten gegen die grünen Profis jedoch keine Chance, die sich nie aus der Ruhe bringen ließen.

Protest beim EU-Wahlkampf der Grünen in Bochum (Foto: Roland W. Waniek)

Reinke, in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen, spielte die Ruhrgebietskarte und sagte, man könne die Terry zwar aus dem Ruhrgebiet bekommen, aber nie das Ruhrgebiet aus der Terry. Die Region hätte früher für den Wohlstand in Deutschland und Europa gesorgt und stehe nun vor der grünen Transformation: „Ich bin Stahlfan. Wir wollen energieintensive Industrien erhalten.“ Damit das gelinge, müsse am Green Deal festgehalten werden. Aber der sei gefährdet, weil ihn die CDU zusammen mit Rechtsradikalen nach der Europawahl zurückdrehen würden. Wobei wir bei dem zentralen Punkt aller drei grünen Redner wären: Die Union plane, den Green Deal zusammen mit Rechtsradikalen zu zerstören. Und klar, wer gegen den Green Deal ist, ist gegen Zukunft, Wohlstand und Demokratie. Für alles drei stehen nach Ansicht der Grünen nur die Grünen, die Verteidiger der Demokratie. Was die Außenpolitik betrifft, ist daran viel Wahres. Reinke, Lucks und Lang vergossen keine Krokodilstränen um den abgestürzten iranischen Präsidenten Ebrahim Rais, sondern erinnerten an die Opfer des Mullah-Regimes. „Ich will, dass die Frauen auf Teherans Straßen tanzen können“, sagte Lang, und das war ein ergreifender Satz.

Ricarda Lang, Die Grünen (Foto: Roland W. Waniek)

Doch wenn Lang beschwor, Europa müsse ein Hightech-Standort bleiben und junge Familien müssten eine Chance auf ein „kleines Häuschen“ haben, war das zwar alles richtig, aber es ist grüne Politik, für die ja nicht nur die froschfarbene Partei steht, sondern der sich auch viele Sozialdemokraten und Konservative angeschlossen haben, die sich gegen fast jede neue Technologie stellt und dafür gesorgt hat, dass Europa wirtschaftlich und technologisch längst abgehängt ist. Die Stimmung hat sich gedreht, die Grünen spüren es und reagieren darauf. Aber sie tun es ohne jede Selbstkritik, fragen nicht danach, ob sie nicht auch zum Aufstieg der Rechtspopulisten beigetragen haben, indem sie und ihre Adepten Lebensentwürfe, die nicht in ihr Gesellschaftsbild passten, denunzierten. Es ist die Aufgabe von Konservativen wie Merz, dem Unmut über die grüne Politik eine demokratische Alternative zu bieten. Wenn weiter eine grüne Politik, die nur von einer Minderheit mitgetragen wird, dominiert, wird der Unmut nur größer werden. Die Menschen haben längst verstanden, dass diese Politik ihren Wohlstand kostet.

 

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