Die Landesregierung will, dass die Route der Industriekultur zum UNESCO-Weltkulturerbe wird und der Regionalverband Ruhr (RVR) hofft auf den Titel „Grüne Hauptstadt Europas“. Selten klang eine Kapitulation vor den Problemen einer Region freundlicher.
Geht es nach dem Willen der Politiker im Land und im Ruhrgebiet, wird aus dem Revier in Zukunft ein grünes Museum: Die UNESCO soll die Route der Industriekultur zum Weltkulturerbe ernennen und das Ruhrgebiet will Grüne Hauptstadt Europas werden.
Beides sind nur PR-Aktionen, die im besten Fall nicht schaden, im schlimmsten Geld kosten und im übrigen nichts an den Probleme des Ruhrgebiet ändern.
Die Bewerbung als Grüne Hauptstadt Europas besteht aus der Zusammenfassung bereits vorhandener Projekte, die unter neuem Label vermarktet werden sollen. An einer ökologischer Erneuerung der Region, beispielsweise durch den längst überfälligen Aufbau eines Nahverkehrssystems, wie es andere Region haben, hat niemand Interesse. Das könnte ja den Pfründen der Parteien schaden. Minderleister aus den eigenen Reihen werden traditionell gerne mit Pöstchen in den Nahverkehrsgesellschaften versorgt, Parteifreunde erhalten wohlklingende Aufsichtsratsmandate. Und so ist man im Revier auch weiterhin stärker auf das Auto angewiesen als in anderen Ballungsgebieten – Grüne Kulturhauptstadt will man trotzdem werden.
Auch der Wunsch weite Teile der Region zum Weltkulturerbe zu machen, entspringt der Unfähigkeit, Ideen zu entwickeln, was man mit den Flächen und Gebäuden wirtschaftlich sinnvolles anfangen könnte. Sind sie erst einmal Weltkulturerbe, wacht die UNESCO darüber, dass ihr Zustand erhalten bleibt. Größere Umbauten sind dann tabu.
Aber an die glaubt ohnehin niemand mehr.
Es gibt keine Idee zur Lösung der Probleme des Ruhrgebiets, keine Idee, die zu einem Aufbruch führen könnte – es gibt nur Politiker und Verwaltungsbeamte, die sich an zweifelhaften Titeln berauschen, welche die Stagnation des Ruhrgebiets nur noch verfestigen.
Das die Städte und der RVR sich sogar zu blöd anstellen, pünktlich die Bewerbung zur Grünen Hauptstadt Europas abzugeben und offenbar nicht genau wissen, wie man das überhaupt macht, sollte einen nicht grämen sondern nur noch belustigen.
Auch die Wirtschaft ist in Sorge: „Das Ruhrgebiet hat andere Hausaufgaben zu machen, als sich zum Museum zu erklären“
https://www.unternehmerverband.org/aktuelles-termine/pressemeldungen/detail/article/welterbe-ruhrgebiet-wirtschaft-in-sorge.html
So wie ich das sehe arbeitet man derzeit schon ganz kräftig an der Qualifikation für diesen Titel. Das seit Jahren zurückgefahrene Grünflächenpflegebudget in den Städten der Region ist da sehr hilfreich! 😉 In meiner Heimat im Ostvest wuchert ‚Unkraut‘ schon jetzt quasi überall. Aber nicht nur die ungepflegten Grünflächen fallen da auf, selbst Gehwege sind zum Teil schon zugewuchert. Grüner war es hier noch nie! 😉 Der Titel ist quasi schon unser! 🙂
Stefan, selbst wenn es gelingt, einige Objekte aus der Liste der Industriedenkmale zusammengefaßt als Weltkulturebene anerkannt zu bekommen, hat das gar nichts, bestenfalls marginal damit zu tun, daß weiterhin sog.altindustrielle Brachen für neue gewerbliche -industrielle Nutzungen zur Verfügung stehen, und zwar, wider alle Bekundungen seitens der IHK, weit über alle realistischen Nachfragen hinaus -jetzt,morgen und übermorgen!!
Wenn wir im Ruhrgebiet uninteressant sind, für bemerkenswerte,beachtenswerte, außerordentliche Neuansiedlungen im gewerblichen-industriellen Bereich, dann hat das nichts mit einem unzureichenden Flächenangebot zu tun, sondern sehr viel mit Defiziten im Bereich der sog.“Weichenstandortfaktoren“ -und darüber ist weiterhin nachzudenken, zu diskutieren und für Korrekturen zu sorgen.
—der sog.“ weichen Standortfaktoren“;sorry, exakte Rechtschreibung muß sein!
[…] Enttäuschten und die Neider Kritik gibt es an dieser Bewerbung. Stefan Laurin lehnt in seinen Ruhrbaronen wie Ulrich Horn’s Post die Zukunft des Ruhrgebiets als Museum ab. Die Kritik geht aber fehl. […]
Es werden ja vermutlich Großprojekte auch nur deshalb geplant und halb gebaut, um dies als eine Landmarke in einem städtischen Hochglanzmagazin zu verkaufen. Nach dem Motto „Wir auch.“, z.B. Eurogate im Duisburger Innenhafen, großkotzig angepriesen mit einer Innovation City-gutklingenden Photovoltaikanlage auf dem Dach. Beides existiert nicht, auch keine Nutzung, nichts, ohne Mehrwert, Nachhaltigkeit und sonst alles gut tönendes. Und für so was werden dann auch noch Stararchitekten aus London bezahlt, damit der einen Masterplan macht, der dann doch nicht umgesetzt wird. Und meine These lautet: Das wusste man alles schon vorher, dass es nicht geht, weil man nicht kann.
Die Nachhaltigkeit des Reviers:
Permanentes Anstimmen der Bergmannslieder mit zöpelistischer und ganseristischer Reminiszenz an ehemalige Industrie und ubiquitärer Anordnung von „Gemüse“.
Hier erkenne ich die „wahre“ Strategie einer (t-)raumplanerischen Fraternisierung von Chefplanern, welche sich durch längst vorhandene ökonomische, soziale und ökologische Erkenntnisse für das Richtige nicht aus der „Ruhe“ bringen lassen.
Ewigkeitskosten des ehemaligen Bergbaus; der Verlust der Stahlwirtschaft, weil Absatzmärkte und Rohstoffe weit fort sind und der Kompetenzverzehr sowie die hohen Kosten den Rest leisten; Verarmung, Vergreisung, fehlende Bildung und Ausbildung, geringer Veränderungswille; und Ersatztechnologien – vornehmlich im okölogischen Sektor – entgegensätzliche Standortpräferenzen fordern.
Die Komplexität des Niedergangs wird in der regionalen Fachlichkeit als so gewaltig und als so unumstößlich angesehen, daß man dann Kulturhauptstadt, Internationale Bauausstellung usw. wegen nicht verifizierbarer Wertschöpfungsfolgen als Zukunftsbeiträge erklärt, wieder beim Land die fragwürdige Unterstützung erhält und sich der bekannte Reigen von Griechenland ähnlichen Verfallprozeßen fortsetzt.
Das Ruhrgebiet braucht eine von Wahrheiten getragene Abwrackprämie für den Abbruch nicht revitalisierbarer Quartiere und ganzer Stadtteile mit ihren Infrastrukturen; ein Bildungsprogramm für Bürgerinnen und Bürgern , damit sie mit adäquaten Voraussetzungen ihre Lebensgestaltungen und -planungen dort vornehmen können, wo es Arbeit gibt und hier dringend die Sozialkosten verringern; und als Abkehr von den verkrusteten Bindungen zwischen den hier gesellschaftspolitisch dominierenden Tarifpartnern die Stärkung eines nachhaltig wirkenden Mittelstandes.
usw.usw.usw………..
Grünes Museum plus Weltkulturerbe Ruhr… und als künstlerische Direktoren am besten wieder Gorny, Petzinka & friends!
als ersten Schritt hätte ich nichts gegen abreißen und Platz schaffen, von einigen Firmen kann man ja eh nichts mehr holen… dann lieber eine große Wiesenfläche aber kein Rasen. 🙂
Die Idee des Weltkulturerbes Ruhrgebiet (den langen Titel merkt sich sowieso keiner ) ist typisch für die gestrigen Denkstrukturen der Region. Mehr von demselben, me too, Quantität vor Qualität, keine räumliche Profilierung, keine Cluster. Nur punktuelle Interventionen nach kommunalem bzw. administrativ politischem Proporz (RVR, LVR, LWL, etc.). Die Identität einer Region nur auf ausgestellte Leichen á la Lenin Mausoleum, sprich Industriemuseen und trivial kommerzielle Angebote aufzubauen, ist leider oder ehrlich gesagt,zum Glück, nicht tragfähig. Die baulichen Hinterlassenschaften haben viel mehr Potential, das leider nicht erkannt wird. Tourismus ist auch kein Ersatz für Strukturwandel, ökonomisch nicht und kulturell eher banal in der Monotonie des Angebots. Es gibt gute Ideen und einige wenige gute Maßnahmen. Das Gros ist einfrieren des Gestern, Kasse aufstellen und Eintritt verlangen
Ein faszinierender Artikel eines niederländischen Kollegen:
https://www.eukn.org/dsresource?objectid=147277
People cant live in museums. Der Artikel zeigt schon durch seine Sprache ein gigantisches Defizit der Region. Ihre fehlende sprachliche und mediale Internationalisierung. Webseiten in Deutsch, Englisch “under construction”, kaum bilinguale oder mehrsprachige Mitarbeiter etc. . Die deutschsprachige Weltprovinz Ruhr.
Bin mal gespannt, wie die nächste(n) Generation(en) damit umgehen!
Welterbe? Ach, das haben wir doch schon … man stelle es nur mehr heraus und profiliere unter anderem die Tatsache, das Zollverein ein Welterbe der Architektur und des Städtebaus ist. Nicht nur der Geschichte Schönheit bleibt, Funktion stirbt könnte man sagen. Gerade daraus entsteht die kreative Herausforderung und Chance. Nicht in der Ausstellung des Gestern, sondern in der Ermöglichung des Heute! und Morgen.
Wir werden sehen, wie es sich entwickelt.
abraxasrgb
Das Ruhrgebiet ist ein Museum. Bergbau gibt es fast nicht mehr. Die Identität einer Region, die sich auf den Bergbau bezieht, wird es auch bald nicht mehr geben.
Wir brauchen eine neue Rhein-Ruhr-Region. Die alten Grenzen des RVR, die alten Köpfe sind Überholt.
-11-Marac Siepmann:
Kann es nicht sein, daß es nicht vornehmlich die Industriedenkmale sind, die das Ruhrgebiet zu einem Gesamtmuseuum machen, was im übrigen m.E. nicht zutrifft, sondern daß das politisch-administrative, das unternehmerische, gewerkschaftliche,kirchliche Führungspersonal im Ruhrgebiet einen überwiegend „musealen“ Charakter zeigt, altersunabhängig, der sich in ihrem Denken und Handeln niederschlägt und die gesamtgesellschaftliche Situation in unserer Region dominiert -das Bewußtsein der Menschen in der Region bestimmt das (Ruhrgebiets-) Sein-?
Oder ist es so, daß die bei uns gehegten und gepflegten musealen baulichen Strukturen in den Städten, u.a.in Form der vielen Industriedenkmale, daß zudem der Erhalt nicht zukunftsfähiger industrieller Produktionseinrichtungen nebst der dadurch immer noch (mit-) bestimmten Arbeitswelt, daß die musealen Organisationen, die musealen Prozesse ,z.B. in den Ruhrgebietsparteien, den komm.Räten, den Gewerkschaften, den Kirchen diese „musealen “ Charaktere,
ihr Denken und Handeln prägen und bestimmen -das (Ruhrgebiets-)Sein bestimmt das Bewußtsein seiner Akteure?
Oder trifft Beides gleichermaßen zu?
Es gibt keine Idee zur Lösung der Probleme des Ruhrgebiets, keine Idee, die zu einem Aufbruch führen könnte
Darin sehe ich auch das Problem. Aber es bringt auch nichts, alle Versuche von vornherein abzulehnen und zu torpedieren und gleichzeitig selber keine Konzepte zu haben. Nörgeln und selbst nicht aktiv werden mag ich genauso wenig, wie Vetternwirtschaft etc.
Außerdem mag ich die ganzen Industriemuseen, das eine mehr, das andere weniger. Die vielfältige Museenlandschaft ist einer der Gründe, warum ich gerne in der Region bleiben möchte. Wo hier schon von weichen Standortfaktoren gesprochen wird.
Wer nicht weiß wo es lang geht hält sich an dem fest was da ist.
Schon etwas älter, aber anscheinend immer noch aktuell:
https://www.ruhrbarone.de/teure-erblast-industriekultur/
[…] Grünes Museum Ruhrgebiet […]