„Gruss aus Sonneberg“

Historische Postkarte aus Sonneberg Bild: Erwin Spindler Lizenz: Gemeinfrei


In Kreis Sonneberg in Thüringen gewann der AfD-Kandidat Robert Sesselmann am Sonntag die Landratswahl mit 52,8 Prozent. In der Stichwahl kam der amtierende Landrat Jürgen Köpper (CDU) nur auf 47,2 Prozent. Dass er von allen demokratischen Parteien und der Linken unterstützt wurde, verhalf ihm nicht zu Sieg.

Damit hat die AfD zum ersten Mal ein Spitzenamt erobert, wenn auch nur in einem kleinen Landkreis mit gerade einmal gut 56.000 Einwohnern. Zum Vergleich: Im Kreis Recklinghausen leben über 600.000 Menschen. Sonneberg ist allerdings mehr als ein exotisches Ostphänomen. Seit Monaten wächst die AfD in allen Umfragen. Bundesweit liegt sie in diesen zurzeit mit um die 20 Prozent vor SPD und ist die Partei mit dem zweitgrößten Zuspruch in Deutschland. Überraschen ist das nicht. Die AfD schöpft ein Potenzial aus, das seit 1981 bekannt ist. Die damals veröffentlichte Sinus-Studie kam zu dem Schluss, „dass 13 oder mehr Prozent der westdeutschen Bevölkerung über ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“ verfügen. Etwa jeder Zweite in dieser Gruppe befand auch Gewalt als ein probates Mittel, um dieses durchzusetzen. Weitere 37 Prozent waren zwar gegen Antisemitismus, Militarismus und Führerkult immun, aber dennoch empfänglich für „rechtsextreme Denkinhalte“. Die Umfrage bezog seinerzeit sich nur auf die alte Bundesrepublik. Dass das Potenzial im Osten noch höher ist als im Westen, haben die vergangenen Jahrzehnte vielfach belegt. Die einstigen Erfolge der ehemaligen SED und nun der AfD zeigen, dass dort die Ablehnung demokratischer Werte und des westlichen Gesellschaftsmodells hoch ist.

Die AfD erreicht dort nicht nur die überzeugten rechtsradikalen Wähler, sondern gewinnt auch Proteststimmen. Dass sie rechtsradikal ist und vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt wird, interessiert ihre Unterstützer nicht. Das RTL/ntv Trendbarometer kam am 20. Juni zu dem Ergebnis, dass die Sympathie für die AfD überdurchschnittlich groß im ländlichen Raum (Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern) (25%), bei der Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen (24%) sowie den Wahlwilligen ohne Konfessionszugehörigkeit (24%) ist. Zudem würde ungefähr jeder 5. Erwerbstätige (21%) sowie jedes 5. Gewerkschaftsmitglied (19%) aktuell die AfD wählen.  Den demokratischen Parteien droht mit Ausnahme der Grünen ein Aderlass: Von den jetzigen Wahlwilligen, die bei der letzten Bundestagswahl die FDP gewählt hatten, würden nach dem RTL/ntv Trendbarometer derzeit 15 Prozent die AfD wählen. Von den CDU-Wählern von 2021 würden aktuell 10 Prozent ihre Stimme der AfD geben, bei den ehemaligen SPD- und CSU-Wählern würden derzeit jeweils 7 Prozent ihr Kreuz bei der AfD machen. Von den Nichtwählern würden 32 Prozent der AfD die Stimme geben.

Die AfD könnte also vor einem dauerhaften Aufstieg stehen, wie er schon den Schwedendemokraten, Le Pens Rassemblement National in Frankreich oder den Fratelli d’Italia gelang. Was ihr hoffentlich noch zum ganz großen bundesweiten Erfolg fehlt, ist eine charismatische Führerfigur und nicht die Karikatur einer solchen wie Tino Chrupalla, Björn Höcke oder Alice Weidel.

Die AfD, das hat der Umgang der französischen Politik mit Rassemblement National gezeigt, wird nicht durch die nun wieder einsetzende Beschwörung antifaschistischer Glaubenssätze gestoppt werden. Sie haben der Partei auch bislang nicht geschadet. Warum sollte das in Zukunft anders werden? Auch die Unsummen, die in Programme wie „Demokratie leben“ gesteckt wurden, verpufften offenbar ohne messbaren Effekt.

Die Gründe für den Erfolg der AfD sind so vielfältig, dass es kein einfaches Rezept gibt, um sie zu stoppen: Der immer schon rechtsradikale Teil der Bevölkerung hat in ihr dauerhaft seine Partei gefunden, sie bindet Proteststimmen und erreicht jene, die durch die Wärmewende Angst vor dem Wertverlust ihrer Immobilien haben, vom gendern, dass von einer Mehrheit abgelehnt wird, genervt sind, sich um ihre und die wirtschaftliche Zukunft des Landes sorgen und die nicht bereit sind, der demokratische Ukraine  gegen den Angriff Russlands beizustehen. Die Truppe der AfD Wähler ist nicht nur braun, sie ist auch ziemlich bunt. Die AfD ist eher eine Partei des Landes und nicht der Städte. Dort sorgt man sich auch, weil man Clan-Schlachten wie im vergangenen Wochenende in Essen und Castrop-Rauxel nicht im eigenen Ort erleben möchte. Sie lebt, und darin ist sie den Grünen nicht unähnlich, davon, Ängste zu schüren.

Was ihr allerdings nicht gelingen würde, wenn es für diese Ängste keine realen Gründe gäbe: Deutschland steht vor massiven Wohlstandsverluste und nur wenige begrüßen sie als Chance auf ein Leben in ökologischer Bescheidenheit, wie es die Priester der Postwachstumsökonomie tun. Die Politik der Bundesregierungen in den vergangenen Jahren, die eine Wende nach der anderen ausriefen, hat in ihren radikalen Ausprägungen keine Mehrheit. Die Grünen sind nur eine 15 Prozent Partei, aber sie treiben die anderen demokratischen Parteien, unterstützt von vielen Medien, vor sich her.

Eine Zahl, die Anfang Juni im RTL/ntv-Trendbarometer veröffentlicht wurde, muss daher auch im Zusammenhang mit dem Erfolgen der AfD allen Sorgen bereiten, die auch in Zukunft gerne in einer stabilen Demokratie leben möchten: Fast 60 Prozent der Befragten traut keiner der Parteien zu, die Probleme des Landes zu lösen.  Nun kann man die Probleme, die Menschen mit der Energiewende, den Herausforderungen der Zuwanderung oder Wohlstandsverluste haben, mit dem Argument herunterspielen, eine Diskussion über sie würde nur die AfD stärken. Aber das erinnert an das kleine Kind, das die Hände vor die Augen hält, um das Böse nicht mehr zu sehen.

Wenn die Mehrheit keiner Partei mehr zutraut, die anstehenden Probleme zu lösen, ist das und nicht die 19 Prozent für die AfD der die Demokratie gefährdende Brandsatz. Und man kann nicht einmal behaupten, dass die Einschätzung der fast 60 Prozent falsch ist. In den nächsten Jahren soll eine Stromleitung von der Nordsee nach Hessen gebaut werden. Trotz horrender Kosten wird sie aus Angst vor Protesten unterirdisch gebaut. Sie soll Windenergie von der Küste in den Süden bringen und wird dringend benötigt. Und „Rhein-Main-Link“ ist nur eines von vielen solcher Projekte: Bis 2025 will die Bundesnetzagentur Leitungen in einer Länge von 4400 Kilometer genehmigen. Doch sie werden von zahlreichen Bürgern nicht als längst überfällige Infrastrukturmaßnahme begrüßt. Überall an diesen Trassen wird es Proteste und Klagen geben. Sie werden den Bau der Stromleitungen verzögern. In Rügen demonstrieren neben den demokratischen Parteien auch die AfD und Fridays for Future gegen den Bau eines LNG-Terminals. Vom Staat mitfinanzierte NGOs wie die Deutsche Umwelthilfe haben Klagen angekündigt. Dass Deutschland das Gas, das dort künftig angeliefert werden könnte, dringend benötigt, weil in den kommenden Jahren zusätzliche Gaskraftwerke gebaut werden müssen und die Niederlande ihr größtes Gasfeld in Groningen stilllegen, interessiert die bunte Koalition nicht. Der Bau einer Bahnlinie dauert in Deutschland über 20 Jahre, die Digitalisierung, die schon 1998 eines der großen Themen der Bundestagswahl war, stockt nach wie vor. Rechtliche Regelungen, Bürgerinitiativen von grün bis braun und mächtige NGOs sorgen dafür, dass die Regierung, egal wer sie stellt, tatsächlich nicht die Probleme des Landes lösen kann, auch wenn sie es möchte. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Politik sich in ihren Möglichkeiten immer weiter selbst beschnitten. Richter erledigten dann den Rest.

Politik muss handlungsfähig sein, sonst verliert sie das Vertrauen der Bürger. Alle Entscheidungen, die in Deutschland in Parlamenten und Stadträten gefällt werden, sind demokratisch legitimiert. Können sie teilweise über Jahrzehnte von Lobbyisten und Bürgerinitiativen blockiert werden, untergräbt das die Demokratie.  Der heutige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warb 2021 im Wahlkampf mit dem Spruch „Züge, Schulen, Internet – Ein Land, das einfach funktioniert.“ Damit sprach er aus, was die meisten Bürger wollen: Ein Land, das einfach funktioniert. Tut es das wieder, wird die AfD nicht verschwunden sein. Es gibt ein großes Potenzial ideologisch im rechtsradikalen und völkischen Denken verwurzelte Wähler. Aber alle anderen, die demokratische Mehrheit, würden viel Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Republik zurückgewinnen.

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LibertyLoveIt
1 Jahr zuvor

Zu den „Unsummen, die in Programme wie „Demokratie leben“ gesteckt wurden…“ möchte ich schreiben, das es sich hier um ein Program handelt, welches mit ähnlichen Programmen ca. Eine Milliarde Euro pro Jahr verbrennt. Nur in Deutschland.
Dazu kommen noch ähnliche pro Kopf Budgets in jedem EU Land.

Die linke hat es verstanden und geschafft einen Geldfluss zu bestimmen , welcher jedes Jahr eine große Anzahl von podcasts, Social Media Persönlichkeiten, Instituten https://www.dezim-institut.de/, Akademikern, Stipendien, Forschungsbudgets , „Journalisten“, Papers, Essays, Videos, Youtube Kanäle, Instagram Stories, Vorträge, Coachings, Workshops, Konferenzen, Bücher, Poster, Reklame, websites, Magazine, Künstler, NGOs, Zivilgesellschaftliche Organisationen etc zu finanzieren.
Diese Menschen produzieren ein nie endendes Narrativ, welches dann in der Bundesweiten Echokammer endlos aufgegriffen wird.

Die Annahme, das man mit Chebli, Daniel Bax, Wolfgang Benz, Susan Neiman und deren Jüngern gegen die AfD gewinnt ist falsch.

Das NGOs und Zivilgesellschaftliche Organisationen mittlerweile die verlängerten Arme der linken Parteien sind verzerrt die Demokratie.
Selbst die Hezbollah hat mittlerweile eine Umweltorganisation mit dem Namen Green Without Borders.

Frau Merkel hat die CDU quasi zu einer grünen Partei gemacht. Frau Merkel hat nicht verstanden, das es rechts der CDU keine andere Partei geben darf. Leider hat Frau Merkel sich als charakterlich sehr schwach erwiesen und gemeint Sie wüsste es besser als alle anderen. Frau Merkel meint sie könnte die EU Nachkriegsordnung und Werteordnung verändern. Frau Merkel dachte das, welches zwei Nachkriegsgenerationen aufgebaut haben, moduliert sie mit den Grünen um.
Frau Merkel und Ihre Politik war und ist für Deutschland und Europa unvorstellbar schädlich.
Das die CDU des Helmuth Kohl dies verbrochen hat, rächt sich nun.
Und dies ist erst der Anfang. Die Geister, welche Frau Merkel rief, mit der Hilfe der Böll Stiftung, werden uns das Fürchten lernen.

Last edited 1 Jahr zuvor by LibertyLoveIt
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[…] wie konnte es dazu kommen? Wie kann man verhindern, dass die AfD noch mehr gewählt wird? An anderer Stelle in diesem Blog wurden diese Fragen betrachtet. Eine Frage, die bisher kaum betrachtet wurde: würde ich für einen […]

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