Guten Morgen, Herr Rüttgers

Bochum atmet auf; – das ist natürlich Quatsch. In Bochum atmet man weiterhin aus und ein und aus und ein und so weiter. Daran ändern auch neue Nachrichten nichts: Am Morgen hat der GM-Europachef Nick Reilly so etwas wie eine Standortgarantie für das Opelwerk in Bochum abgegeben und die Regierung Jürgen Rüttgers´.

Foto: ruhrbarone

Nicht ganz klar sind die Morgenworte des Managers überliefert. Sagte Reilly nun "Bochum will be an important location in the future"? Oder: "Bochum remains an important part of the resources of General Motors in Europe going forward"? Oder auch: "Bochum wird auch in Zukunft ein wichtiger Standort für General Motors bleiben"? Oder aber: "Das Opelwerk in Bochum bleibt ein wichtiger Standort für den US-Autokonzern in Europa"?

Wie auch immer: Reilly gab den Bochumer Satz nicht in Bochum ab, sondern dort, wo so etwas heute hingehört – in die nordrhein-westfälischen Staatskanzlei neben sich ein etwas übermüdeter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der seinerseits staatliche Hilfen für GM in Deutschland nicht ausschloss. Zwischen den so genannten Opel-Bundesländern und dem Bund werde es dazu eine gemeinsame Haltung geben. Reilly wird das gefreut haben. Rüttgers auch. Bo, äh, Do ut des. Dennoch hält GM am kräftigen Personalabbau fest. Rund 10.000 Stellen in Europa sind bedroht – auch in Bochum, wo ohnehin nur noch 5.200, das sind ein Fünftel der einstigen Opel-Belegschaft beschäftigt sind. Und jetzt alle: In Bochum atmet man ein und aus und ein und aus…

Erstaunlich ist die Rolle von Rüttgers an diesem großen Tag auf dem Weg zur Wiederwahl im Mai. Auch heute machte der Politikfuchs wieder alles richtig. Sonnt sich nicht im Glanz, gibt weiter den besorgten Bedenkenträger ob der "guten Nachricht". Mehr nicht.

Als er vor ein paar Wochen das Bochumer Werk zur Belegschaftsversammlung besuchte, ging er zu Fuß durchs Tor, Fernsehreporter hatten das seinem Pressesprecher vorgeschlagen, der Bilder wegen. Es regnete und stürmte, Rüttgers schlüpfte in die Lederjacke und hatte auch hier dieses betroffen-energische Gesicht aufgesetzt, vielleicht weil es ihn fröstelte; vielleicht weil es ihm steht. Es hat sich gelohnt: Selbst bei den skeptischen Alt-Opelanern und traurigen Nokia-Opfern, die vorm Werkstor die Versammlung verfolgten, die Angst hatten, dass GM Bochum jetzt ganz den Garaus macht, wurde dem Rheinländer der Einsatz für nordhein-westfälische Arbeitsplätze abgenommen. Über alle Parteigrenzen hinweg, wie es hieß.

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Eva
Eva
14 Jahre zuvor

Warum so ein miesepetriger Artikel zu einer der besten Nachrichten der vergangenen Wochen? Habe ich was falsch verstanden? Mal überlegen: Magna wollte 10500 Stellen abbauen, GM spricht von 9000 Stellen. Magna sollte 4,5 Milliarden Staatshilfe bekommen, GM schätzt, dass die Sanierung von Opel 3,3 Milliarden kosten wird, wobei nie die Rede davon war, dass diese 3,3 Milliarden vollständig aus Steuergeldern kommen sollen. GM verkündet heute, dass das Werk in Bochum erhalten bleibt. (Offenkundig versteht GM mehr von Marktwirtschaft als Nokia und weiß, dass die Folgen eines Imgageschadens nach einer abrupten Werksschließung nicht zu unterschätzen sind.) Meine Schlussfolgerung: Für Opel Bochum sieht es heute sehr viel besser aus als im gesamten vergangenen Jahr. Als Bochumerin freue ich mich darüber und suche nicht mit dem Mikroskop ein Haar in der Suppe bzw. einen vermeintlich aufgesetzten Gesichtsausdruck von Jürgen Rüttgers.

Stefan Laurin
Admin
14 Jahre zuvor

Sicher, das war ein guter Tag für das Ruhrgebiet und mir ist es auch egal wo die Nachricht verkündet wurde. Das ist nicht mehr als eine Petitesse. Und für den Steuerzahler war es auch ein guter Tag: Opel hat seinen Staatskredit zurückgezahlt. Aber ob das Versprechen langfristig bestand haben wird, ob GM oder Opel bestehen werden wird der Markt entscheiden, die Menschen, die ihr Geld für Autos ausgeben. Und das haben sie in den vergangenen Jahrzehnten immer seltener für einen Opel getan. GM und Opel bleiben ein schwaches Unternehmen (Bei Opel und Magna wäre es nicht anders gewesen) in einem Markt mit Überkapazitäten.

Schuri
Schuri
14 Jahre zuvor

Für die einen eine petitesse, für die anderen raffiniertes Krisenmanagement. Drüber schreiben darf man freilich so oder so. Und auch über die Steuergelder, die MP Rüttgers gerne bewilligen möchte. Miesepetrig ist das alles aber so gar nicht, nur das gezeigte Gesicht des Volksvertreters.

Jens König
14 Jahre zuvor

Hallo?
Apropos Nokia, solche Sprüche wie der von Nick Reilly haben wir dort vor der Schliessung auch gehört. Ich helfe euch jetzt mal beim Interpretieren:
1.
„Bochum will be an important location in the future“
Als Stadt, in der man Opelfahrzeuge verkaufen kann.
Wichtig, weil dort viele Opel-Händler sind.
Übersptzt gesagt: Bochum ist generell sehr wichtig, weil hier der Starlight Express zuhause ist.
Hier wird weder gesagt, warum Bochum wichtig ist, noch für wen.
Dieser Satz ist kompletter Bullshit.

2.
„Bochum remains an important part of the resources of General Motors in Europe going forward“
In Bochum bauen 40 Arbeiter Rückspiegel zusammen(oder die rechten Vorderachsen oder oder), ohne diese wird kein neuer Opel zugelassen.
„…going forward“: Stellenstreichung. Kapazitätsabbau. Produktivitätssteigerung. Bochum wird ein wichtiger Teil von GM beim Stellen- und Kapazitätsabbau sein.
„Bochum remains…“ der Standort bleibt erhalten. Wie gross er bleibt, sagt er nicht.
Rest s.o.

Rüttgers gibt den Bedenkenträger, weil er genau das verstanden hat. Er muss weiterhin zerknittert bleiben, denn wenn er jetzt jubelt und es kommt eines Tages dicke (und das wird es, wenn ich Reillys Aussage richtig interpretiere), dann verliert er sein Gesicht. Er muss sich weiterhin als immer hart Kämpfenden darstellen, denn wenn er an der Realitäten, die in der CHefetage bei GM beschlossen werden scheitert, dann hat er wenigstens alles versucht. Auch wenn er eigentlich völlig hilflos ist. Dann ist das Management in Finnland, hoppla, entschuldigung, USofA schuld.
Und Subventionen an Opel: Gerade hat er noch über die Subventionen an Nokia geschimpft, bei GM wird das aber nicht anders laufen. Sollte er doch eigentlich inzwischen gerafft haben. Oder ist er einfach nur berechnend genug, dass er denkt, dass ein subventioniert erhaltenes Opelwerk ihm den Ar… bei der nächsten Wahl rettet.
Und am Schluss, ganz am Schluss, wenn das Opelgelände an einen Baumarkt verkauft wird, wird er über rumänische (falsch, diesmal englische oder belgische, spanische oder polnische, egal) Arbeiter herziehen.

Eva
Eva
14 Jahre zuvor

An der ganzen Diskussion um Opel habe ich halt nie verstanden, warum Magna als Retter gefeiert wurde und GM jetzt als böser Bube verdammt wird. Wir alle wissen ja nur das, was an die Öffentlichkeit weitergegeben wurde, und nach diesen Infos sieht es für mich so aus, als wenn GM ein mindestens genau so gutes, wenn nicht sogar leicht besseres Sanierungskonzept vorgelegt hat als Magna. GM ist aber in jedem Fall vorzuziehen, weil die deutsche Regierung durch die veränderte Lage die Chance hat, die dem Wahlkampf geschuldeten, aberwitzigen Zusagen an Magna nicht mehr einhalten zu müssen und neu verhandeln zu können.
Dass jede Menge Stellen hops gehen werden, war von Anfang an klar. Da die Nachfrage nach Opel-Autos stark gesunken ist, ist es unumgänglich, Kapazitäten abzubauen. Alles andere wäre ökonomischer Blödsinn. Die Frage war nur noch, ob Opel Bochum ganz verloren geht oder verkleinert weitermachen kann. Dass es nun Letzteres wird, ist das Beste, was die momentane Situation hergibt, und daher in jedem Fall eine gute Nachricht.
@ Schuri: Sieh es doch mal amerikanisch. In einer vergleichbaren Lage würden die Amis nicht über Rüttgers Gesichtsausdruck sinnieren, sondern einfach sagen „Yeah, it’s great that you decided to go on in Bochum, it’s really great!“ 😉

Eva
Eva
14 Jahre zuvor

@ Schuri: Schätze die Amis eher so ein, dass sie yeah sagen und f*** denken 😉
Wollte nur zum Ausdruck bringen, dass alle Beteiligten jetzt einfach nach vorn gucken sollten. Es bringt doch nichts, den ca. 2000 Stellen, die verloren gehen, nachzutrauern. Statt dessen sollten sich jetzt alle darauf konzentrieren, wie das verkleinerte Werk wieder in die Gewinnzone gebracht werden kann, so dass die verbliebenen ca. 3000 Stellen auf Dauer erhalten bleiben. Sich jetzt in die Schmollecke zurückzuziehen (was manche Betriebsräte den Opelanern offenbar nahelegen), halte ich für kontraproduktiv.

ch_we
ch_we
14 Jahre zuvor

„Schmollecke“, „nach vorne sehen“, „wieder in die Gewinnzone“. Seit wann redet man eigentlich über Arbeitskämpfe in diesem Fußballtrainerdeutsch?

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