Guttenberg: Weil sich Leistung lohnen muss…

Mit Karl Theodor zu Guttenberg hat ein Liebling der Massen das Kabinett verlassen. Gescheitert ist er an seiner Verachtung gegenüber den bürgerlichen Konventionen.

Ein herausragendes Merkmal des Adels ist, dass ihm das Leistungsprinzip weitgehend unbekannt ist. Man ist was man ist und hat was man braucht. Und was man nicht hat und trotzdem braucht, nimmt man sich eben. Zum Beispiel einen Doktortitel.

Die Verachtung des Leistungsprinzips klingt irgendwie ein wenig nach Linkspartei und tatsächlich: In der gemeinsamen Verachtung der Leistungskultur sind sich Adel und Kader  erstaunlich nahe.

Jemand der dem bürgerlichen Pendant zum Adelstitel mit so viel Verachtung gegenüber tritt wie Guttenberg dem Doktortitel konnte in einer Koalition, deren Anhänger sich zum größten Teil als zum Bürgertum gehörend definieren nicht überleben. Franz Walter hatte das gestern auf Spiegel.de schön beschrieben:

Nun dämmert den akademisch-arrivierten Mittelschichten mit Hochschulzertifikaten, dass die Nonchalance der CDU-Granden und Guttenberg-Apologeten – „was sind schon Fußnoten“; „scheiß was auf den Doktor“ – ihre Berechtigungsausweise für berufliche Erfolge und gesellschaftliche Statuspositionen gefährdet.

Ein solches Statustdenken kommt jemanden wie Guttenberg wahrscheinlich ziemlich piefig vor. Er bekam alles zur Geburt geschenkt – Kontakte, Reputation und Geld. Erarbeiten musste sich so einer nie irgendwas. Wie sollte er Achtung vor der Leistung anderer entwickeln? Die Verachtung des bürgerlichen Leistungsprinzips wurde ihm zum Verhängnis. Und das ist gut so – denn Leistung muss sich wieder lohnen.

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Dieter Carstensen
13 Jahre zuvor

Gerade hatte ich mir ein Taxi genommen. Die Taxi Unternehmerin ist bei uns im Ort im CDU Stadtrat, wir kennen uns seit vielen Jahren.

Während der Fahrt war das Thema „Rücktritt Guttenberg“. Man kennst sich hier, in unserer Kleinstadt und ich wusste noch gar nichts vom Rücktritt, ich hatte heute zu viel zu tun, kam also nicht zum Nachrichten hören.

Die Frau war völlig aufgebracht und stürmte mit einem Wortschwall auf mich ein.

Der „arme Gutti“ und die bösen „Linken“, womit sie alles links von der CDU meinte.

Ich habe ihr dann zugehört, und dann, als sie fertig war, mal die Frage gestellt:

„Was würden Sie denn denken, der ich als Sozialarbeiter jeden Tag Verantwortung für zig Menschen trage, wenn ich mir meinen Beruf erschwindelt hätte?“

Daraufhin konnten wir uns vernünftig unterhalten und sie räumte dann ein „gut war das nicht“

Ich habe sie dann an meinen Taufpatenonkel erinnert, der jahrelang für die CDU mit ihr im Stadtrat sass, Landtagsabgeordneter in NRW war, seinen Doktortitel zu recht hatte, meine früherer Geschichtslehrer auf dem Gymnasium und ein wertkonservativer Mann, aber ehrenhaft war.

Bis zu seinem Tod 2009 waren wir bei allen Gegensätzen befreundet.

„Wertkonservative“ respektiere ich, wenn uns die Gedanken des emanzipierten Humanismus und der demokratischen Grundüberzeugung verbinden. Da habe ich, im Gegensatz zu vielen „Möchtegernlinken“ keine Berührungsängste.

Ich habe ihr dann gesagt, auch wenn jemand von der SPD oder der Die Linke so einen Mist baut, würde ich auch deren Rücktritt fordern.

Sonst würde ja jeder Student denken, Du kannst fälschen auf Deibel komm raus, zur Not wirst Du halt Minister.

Das leuchtete selbst diese strammen CDU Frau ein, wir haben eine viertelstunde im Taxi noch geredet, und danach sagte sie:

„So habe ich das noch nicht gesehen, aber der Schaden für die CDU …“

Einig waren wir uns dann zum Abschluss des Gespräches darin, dass die Politik nicht noch mehr an Glaubwürdigkeit verlieren darf.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

Stefan, auch gut mogeln/lügen/betrügen usw. ist ein Leistung und sie hat sich immer schon gelohnt.

Ich empfehle als wissenschaftliche Grundlage das wunderbare aber leider auch umfangreiche Buch von Manfred Drenning: Tauschen und Täuschen – Warum die Gesellschaft ist wie sie ist.

Bert
Bert
13 Jahre zuvor

@ Stefan Laurin

„Die Verachtung des Leistungsprinzips klingt irgendwie ein wenig nach Linkspartei und tatsächlich: In der gemeinsamen Verachtung der Leistungskultur sind sich Adel und Kader erstaunlich nahe.“

um bei Guttenberg auf „Linkspartei“ zu kommen, muß man schon ein geradezu pathologisches Feindbild haben.

Bert
Bert
13 Jahre zuvor

Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig – deshalb sollten alle Dr.-Titel in politischen Ämtern überprüft werden und für jeden Bürger nachvollziehbar gekennzeichnet werden.

Ein Dr.-Titel aus der DDR sollte als DDr.-Titel gekennzeichnet werden, denn er entspricht dem Niveau Bayerischer Hauptschulabschluss / Hamburger Abitur.

Stasi-Offiziere mit einem Sonderschulabschluss der 8. Klasse erhielten nach 12 Wochen „Studium“ an der Juristischen Hochschule (JHS) der Staatssicherheit in Potsdam einen Abschluss als Diplom-Jurist (Dipl.-Jur.).

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

@Bert (3),
es ist genau umgekehrt.
Manch ein „größter Revolutionär aller Zeiten“ hat sein Amt an seinen Sohn vererbt.
Aber andererseits:
Ullrich von Hutten war adelig und doch irgendwie Revolutionär.
Stefan hat tatsächlich ein paar Gründe, da was zusammen zu schmeißen, was gar nicht zusammen gehören will.
Und die wollen bestimmt nicht in einem Topf sein.
Nur, so richtig wissenschaftlich wird das wohl nicht sein, was er schreibt.
Was mich ärgert, ist, daß Stefan das nicht als erster denkt, sondern diesen Gedanken, ohne Angabe von Quellen….
Jetzt mach ich aber Schluß.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ Helmut

Du hast recht. Nicht nur das auch linke Diktatoren gerne ihre Macht und natürlich auch ihr Raubgeld an ihre Sprösslinge weitergeben. Auch die sogenannte Nomenklatura ist ja nichts anderes als der Adel des realen Sozialismus/Kommunismus. Siehe auch:

https://de.wikipedia.org/wiki/Nomenklatura

Ach ja und die Familien Putins und Jelzins gehören nicht umsonst zu den reichsten Clans des postkommunistischen Russlands.

Frau Rose
Frau Rose
13 Jahre zuvor

Mich würde ja mal interessieren, was hier zu einem Vergleich zwischen Grasser (AUT) und KT gesagt wird. Sicher, Herkunft und Skandale sind unterschiedlich, aber das Opfer-Sein-Empfinden nicht…. und sumpfig ist es in beiden Fällen.

David Schraven
David Schraven
13 Jahre zuvor

Das Lügen war das entscheidende bei G. Nicht seine Herkunft aus einem guten Stall.

Er hat früh gemerkt, dass er mit dreisten Lügen durchkommt und hat das eben immer weiter getrieben, bis er Minister war.

Das gleiche hätte er auch als Schusterjunge machen können oder wer war mal Hauptmann von Köpenick?

Frau Rose
Frau Rose
13 Jahre zuvor

Ferner habe ich auch schon mitbekommen, dass er als einer der größten Blender seit, ähm, ähm, bezeichnet wird. Braun war die Zeit wohl. Kann man dies so sehen? Fragen über Fragen. So starke Worte sind meiner nicht, daher bin ich auch diesbzgl auf Antworten hier gespannt. Und welche Rolle/ Macht hatte dabei die Zeitung mit dem kurzen Namen.

Thomas Krämerkämper
Thomas Krämerkämper
13 Jahre zuvor

@Frau Rose: die Bild und Guttenberg, das sind siamesische Zwillinge. Bei beiden geht es mehr um Schein als Sein, es zählt nur, ob sich die Story gut verkaufen lässt. Da haben sich wahrlich zwei gefunden. Letztlich ging es in dem ganzen Skandal um die Frage, wer die Politik in Deutschland bestimmt: die Bildzeitung oder eine bürgerliche Werte- und Bildungsgemeinschaft.

Sein Abgang steht in völliger Kontinuität zu seiner bisherigen Karriere. Vom Zeitpunkt her ein bisschen spontan, fast schon aktionistisch und in der sachlichen Begründung belanglos. Genau wie die wenigen politischen Entscheidungen, mit denen er bisher aufgefallen ist und die er mangels Fundament nicht selten kurze Zeit später ebenso aktionistisch ins Gegenteil umdrehen musste. Ich bin sehr, sehr froh, dass dieser Mann nicht zu einem Zeitpunkt Verteidigungsminister war, zu dem sich Deutschland in einer größeren militärischen Krise befand, sondern in einer geschichtlichen Episode, in der wir uns diese Eskapade gerade irgendwie leisten konnten.

lebowski
13 Jahre zuvor

„Die Verachtung des Leistungsprinzips klingt irgendwie ein wenig nach Linkspartei und tatsächlich: In der gemeinsamen Verachtung der Leistungskultur sind sich Adel und Kader erstaunlich nahe.“

Interessante Aussage! War das nicht ein Mitglied der linken Looser Uni Bremen, nebenbei auch immer einer der großen PISA-Verlierer, der einem „summa cum laude“-Absolventen am deutschen Top-Bildungsstandort Bayern nachweisen musste, was der für gequirlten Quark zusammengeschrieben hat. Zwei bayrischen Top-Staatsrechtlern ist das leider nicht aufgefallen. Soviel zum Leistungsprinzip.

Leistung an sich ist auch eher ein Sekundärtugend. Großartige Leistungen bringen auch Investment-Banker, bloß leider meistsens zum Schaden der Allgemeinheit.

Christian S.
13 Jahre zuvor

„In der gemeinsamen Verachtung der Leistungskultur sind sich Adel und Kader erstaunlich nahe.“

Im Gegenteil. Beinharte Sozialisten sagen knallhart: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Punkt.

wilfried salus bienek
13 Jahre zuvor

Es geht in der Politik und in den Unternehmen zu oft nur darum, Leistung zu simulieren. Da aber beide Genannten streckenweise gut von Pseudoleistung leben können… Was ist überhaupt Leistung? Das Gleiche darunter zu verstehen, setzen wir gerne stillschweigend voraus. Dabei ist es für jeden etwas anderes. Ich halte mich vorsichtshalber an die Physik: Leistung = kraft x weg / zeit.

Erika
Erika
13 Jahre zuvor

Viele Sachen über Gutti waren vorher bekannt, nur wollte sie Niemand sehen. Stefan schiebt ja auch lieber alles auf die Linken, wie immer…

Reinhard Wiesemann
13 Jahre zuvor

interessante Sichtweise! Wenn das so ist, dann wäre Guttenberg ein Opfer seiner zur heutigen Zeit inkompatiblen Erziehung… Denn dumm ist er nicht – seine Rücktrittsrede ist ziemlich gut.

Markus
Markus
13 Jahre zuvor

Gut vor allem in Bezug zu seinem bisherigen Schaffen! Abwälzen und sich selber überzeichnen! Friedmann hatte gestern treffend gesagt „Nach dem Rücktritt solle niemand mehr nachtreten!“ Aber bitte auch nicht „nachblenden!“ Er ist war und bleibt ein Blender ohne Substanz. All dass politik-verdrossene Wahlvolk wollte und will in ihm so etwas wie einen Polit-Messias sehen. Daher ja auch die vielen wohlmeinenden Worte, selbst von der Opposition, zu seiner Persönlichkeit und seinen vermeintlichen Leistungen. Man will es sich eben nicht mit dem Mob verscherzen! Auch gestern (irgendwo auf phönix) mahnte ein Diskutant, dass auch ein gewisses Gefahren-Potential in dieser Causa liegt. Was, wenn sich das durch den Polit-Sex angesprochene aber im Grunde enttäuschte Wahlvolk einem Blender an den Hals wirft, der nicht so harmlos daherkommt wie der Herr von und zu? Gab es da nicht schon einmal eine ähnliche Konstellation in der Geschichte? Meist wird ja die eine Enttäuschung durch eine andere Täuschung ersetzt. Abwarten, wer oder was als nächstes folgt…..

Mir
Mir
13 Jahre zuvor

Diejenigen die ein bisschen gegoogelt haben, die sollten jetzt bloß nicht glauben, daß googeln eine Leistung ist. Wohl kaum.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ all

Ich wiederhole es gerne noch einmal: Gut Blenden ist auch eine Leistung! Deswegen beschreibt die Leistungskatgorie diesen Vorgang nicht wirklich. Wenn überhaupt reicht sie nur zu Feststellung, dass Guttenberg letztlich nicht gut genug im Blenden war. Aber das stimmt nach meiner Ansicht nicht.

Ich denke, dass er die Dissertation komplett in Auftrag gegeben hat und dass sich das auch über kurz oder lang herausstellen wird. Ich vermute sogar, dass das der eigentliche Rücktrittsgrund ist.

Der Mann wollte bzw. brauchte den Dr. Titel für seine Karriere und da er keine Zeit dafür verlieren wollte/konnte, hat er diesen Vorgang jemand anderem aufgetragen. Zeitlich Optimierung durch Outsourcing nennt man das betriebswirtschaftlich.

Er hat also selbst nicht plagiiert sondern ist davon ausgegangen, dass der Beauftragte das professionell so gut macht, dass es, wenn er es schon macht, nicht auffällt. Der wiederum hat seine Arbeit natürlich auch zeitlich optimiert um seinen finanziellen Vorteil zu steigern. Durch systematisches Sampeln ohne Zitierung.

Auftraggeber wie Beauftragter haben obendrein auf das Wohlwollen des Doktorvaters gesetzt, dass sich Guttenberg schon im Studium und danach bei diesem erarbeitet hatte. Und alles wäre fast gut gegangen.

Der Mann hatte einfach nur Pech und das spürt das sogenannte gemeine Volk und sympathisiert mehr oder weniger offen mit ihm. Nur weil die BILD ein fast untrügliches Gespür für dieses Volk hat konnte sie, natürlich mit politischer Absicht, die Kampagne für „Gutti“ lostreten. Auch fast mit Erfolg.

Das was Guttenberg in der Zeit nach dem Eklat bis zu seinem Rücktritt psychisch durchgehalten hat kann ebenfalls nur als Hochleistung gelten. Auch damit hat das Volk aus verständlichen Gründen sympathisiert. Deswegen könnte der Mann auch bald wiederkommen.

Wenn man also schon in der Leistungskategorie denkt, dann würde ich sagen: Guttenbergist nicht an seiner zu geringen Leistung gescheitert sondern an dem Restbestand von Moral und Ethik der in unserer Leistungsgesellschaft eben diese Leistungen nach ihrem Inhalt und nicht nur nach ihrer Menge und Intensität beurteilt.

Ob jemand ein meisterhafter oder ein stümperhafter Betrüger ist ändert nichts an der Tatsache, dass er betrogen hat. Das ist die Wahrheit, die sich letztlich durchgesetzt hat. Und das ist gut so.

Urmelinchen
Urmelinchen
13 Jahre zuvor

@Markus
Nur zur Ergänzung: Nett, dass von unserem lieben Herrn Friedman darauf verwiesen wird, man solle ja nun nicht mehr nachtreten. Er ist nun mal die Güte in Person. Nur zur Erinnerung, Herr Friedman hatte nicht nur eine putzige Koksaffaire, sondern befand sich auch im Sumpf der Zwangsprostitution, was m.E. weitaus schwerwiegender ist. Letzteres wird aber gerne unter den Tisch fallen gelassen. Ist ja auch so unschön.

Und … was ist heute, der Mann hüpft munter wieder durch die deutsche Medienlandschaft und es wird artig auf seine zwei Doktortitel verwiesen.
So schnell geht das bei uns halt. Eben noch selbst Anlass der Diskussion, zwei Sekunden später bereits Diskutant und moralischer Richter.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

@Urmelinchen,
ich denke, der Friedmann denkt da in erster Linie an sich selbst.
Allerdings ist ein gutes Gedächtnis zu haben, nicht gleichbedeutend mit
„Nachtreten“. Bei Herrn Zu Guttenberg sind wir auch noch nicht richtig „nach“, weil der Fall eine eigene Dynamik entwickelt hat. Wenn Guttenberg nämlich sofort als Minister zurückgetreten wäre, hätte er möglicherweise seinen Doktortitel retten können, weil sich dafür dann kaum noch jemand interessiert hätte. Er hat aber alles auf eine einzige Karte gesetzt, hoch gespielt, und verloren. War vielleicht von Frau Merkel schlecht beraten worden?

Mir
Mir
13 Jahre zuvor

@arnold voß
Da ist eine Generation copy&past, die nichts anderes gemacht hat als der Minister selbst. Was ich sagen will, sie sollte sich nicht überschätzen. Das eigene Tun sollte selbst überdacht werden.

Ulrich
Ulrich
13 Jahre zuvor

@ #13 – Christian S.
“Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.” – Das sagen beinharte Christen, so wie der Apostel Paulus in seinem 2. Brief an die Thessaloniker.

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[…] und erschreckend finde ich die Vermischung der Attribute Andersartigkeit und Aristrokratie, wie sie hier angedeutet wird. Der Wunsch nach Leitfiguren in ihrer Andersartigkeit lässt viele Zeitgenossen […]

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