Hacheney: „Der einzige bunte Raum auf dem Gelände ist der Kinderhort“

David Garde Foto: Privat
David Grade Foto: Torsten Sommer

Torsten Sommer 

Gespräche über Asyl sind häufig von Vorurteilen geprägt. Und nichts ist wirksamer gegen Vorturteile als ein eigener Eindruck und ein Gespräch mit Menschen, die sich täglich mit dem befassen, worüber andere nur mutmaßen. Deshalb haben wir uns einmal angesehen, wo Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen landen, bevor sie weiter verteilt werden. Unser Gastautor David Torsten Sommer ist Oberbürgermeisterkandidat der Piraten in Dortmund.

In Dortmund-Hacheney betreibt European Homecare im Auftrag des Landesinnenministeriums eine von zwei Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, die als erste Anlaufstellen für gerade nach Deutschland gekommene Flüchtliche dienen, im Behördendeutsch eine Erstaufnahmeeinrichtung (EAE).
Etwa fünfzig Mitarbeiter kümmern sich dort um Menschen, die entweder selbst Asyl suchen oder als Heimatlose in Nordrhein-Westfalen aufgegriffen werden. Im Schnitt sind das einhundert pro Tag, es können aber auch mal doppelt so viele sein. Dennoch reichen dreihundert reguläre Betten und Notunterkünfte für fünfzig weitere Hilfesuchende. Denn länger als drei Tage bleiben die wenigsten, dann werden sie nach einem festgelegten Schlüssel (Königsteiner Schlüssel) und einigen weiteren Kriterien auf andere Einrichtungen weiterverteilt. In Dortmund, aber nicht in Hacheney bleiben zum Beispiel die Menschen, die aus Guinea hierher gefunden haben, denn hier haben sich die für Asylanträge zuständigen Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) so weit mit dem Land befasst, dass sie die Aussagen der Asylsuchenden gut einzuschätzen wissen.
Die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Behörden, Einrichtugnen und Organisationen funtkioniert inzwischen reibungslos, erzählt uns Murat Sivri, Leiter der EAE. Er führt uns gemeinsam mit der Pressesprecherin Renate Walkenhorst über das Gelände. Die Mitarbeiter, denen wir begegnen, sind zurückhaltend, aber freundlich. Sie sind selbst häufig als Asylbewerber nach Deutschland gekommen, wissen also sehr genau, wie die Neuankömmlinge sich fühlen. Und sie sprechen insgesamt zwei Dutzend Sprachen und Dialekte, so dass sie sich meist zumindest notdürftig mit ihren Gästen austauschen können.
Die zweistöckigen Gebäude haben sicher schon bessere Zeiten gesehen, wirken aber keineswegs heruntergekommen, nur etwas schmucklos. Aber wie soll man auch Räume dekorieren, die Menschen aus so vielen Kulturen für kaum mehr als ein bis drei Tage als erste Zuflucht dienen sollen? Heimisch werden kann in der Einrichtung ja ohnehin niemand. Aber die Menschen erhalten schon einmal einen ersten Eindruck von der Bürokratie in Deutschland: Minderjährig? Dann ist das Jugendamt zuständig. Verwandte anderswo in Europa? Pech, wer in Deutschland landet, bleibt auch hier. Status ungeklärt? Hier berät die Diakonie.
Der einzige bunte Raum auf dem Gelände ist der Kinderhort. Hier hängen von den Kindern gemalte Bilder an den Wänden. Wer aber glaubt, auf den Bildern häufig Kriegszenen sehen zu können, irrt sich. Nicht weil die nicht aufgehängt würden, sondern weil die meisten Flüchtlinge ihre Heimat früh genug verlassen, um ihren Kindern diese traumatischen Szenen zu ersparen. Sollte dennoch eines der Kinder schlimme Erlebnisse zu Papier bringen, sind die Mitarbeiter entsprechen geschult, das mit ihnen aufzuarbeiten, so Murat Sivri.
Damit auch die Erwachsenen sich auf andere Gedanken bringen können, gibt es ein Volleyball-Feld. Die Sporthalle nebenan steht den Gästen leider nicht zur Verfügung. Aber viel Zeit bleibt ihnen ja zwischen ihrer bürokratischen Erfassung, der Orientierung auf dem Gelände und dem spärlichen Kontakt zu Schicksalsgenossen, den Mahlzeiten und der Nachtruhe ohnehin nicht. Schon bald sitzen sie im Bus in eine Unterbringung, in der sich die Mitarbeiter hoffentlich ähnlich gut um sie kümmern. Sicher ist das in Deutschland aber nicht, wie im nordrhein-westfälischen Landtag gerade erst wieder festgestellt wurde. Die Flüchtlinge haben häufig einen langen Weg hinter sich. Als Politik und Gesellschaft haben wir noch einen langen Weg vor uns.

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