Das japanische Wort „Hakanaï“ steht für das Ungewisse und Vergängliche des Daseins und setzt sich aus dem Schriftzeichen für „Mensch“ und „Traum“ zusammen. Damit könnte der Titel der Produktion des französischen Duos Adrien M & Claire B programmatisch für das Festival „Temps d’Image“ stehen, das sie am 12.1. um 10 Uhr eröffnete. Bis Sonntag, 20.1. werden sechs Produktionen und ein Gespräch um die Frage nach der Verbindung von Tanz, Performance und deren Interaktion mit Technik kreisen.
Die konzentrierte Arbeit der beiden Franzosen erzählt davon, wie wir immer wieder fasziniert und auch ratlos vor neuer Technik stehen, ihr uns schrittweise annähern, sie erforschen, ihre Möglichkeiten ausloten und sie beherrschen lernen. Ein halbtransparenter Kubus wird von vier Beamern rundum mit graphischen Animationen in Schwarzweiß bespielt. Im Inneren des Kubus‘ die Tänzerin Satchie Noro, die mit den Projektionen interagiert. Bis auf eine kurze Episode mit Bildern einer bewegten Wasseroberfläche und vorüberziehenden Wolken handelt es sich bei den Projektionen ausschließlich um Computergraphiken, die mal mehr und mal weniger konkrete Assoziationen wie etwa Gitterstäbe oder Regen zulassen.
Über die 45 Minuten Spielzeit dominiert ganz klar die Faszination der perfekten Koordination von Sound, Projektion und Tanz. Der poetischste Momente ist dann allerdings jener, indem die Tänzerin allein mit dem live gespielten Bass ist. Um diese Poesie zu entwickeln braucht er allerdings die technische Präzision und Überwältigung davor und danach.
Insgesamt wirkt die Arbeit mehr wie ein Durchexerzieren der Möglichkeiten des Settings als wie ein durchgearbeitetes Stück. Auch weil über die Beziehung zwischen Mensch und Technik nicht viel mehr erzählt wird als der spielerische Annäherungsprozess. Der optisch beeindruckendste Moment ist einer, in dem die Interaktion keine so wesentliche Rolle spielt, wenn einfache horizontale und vertikale Lichtstreifen sich auf den Projektionsflächen bewegen, dehnen und zusammenschrumpfen und dabei den Raum in Segmente aufteilen und zerschneiden. Hier scheint der Raum entgrenzt und selbst zum Tanzenden zu werden.
Das Festival mit Hakanaï zu eröffnen – sei es nun Zufall oder bewusste Setzung – ist in jedem Fall eine perfekte Wahl. Die Frage danach, wie sich die Technik zur Kunst verhält, wie beides zusammenkommen und wie eine gegenseitige Befruchtung aussehen kann, ist gestellt. So wie die Tänzerin im Kubus immer wieder mit neuen Mustern umzugehen lernt, ist die Arbeit selbst noch nicht ganz so weit. Adrien M & Claire B haben die Möglichkeiten des Mediums ausgelotet, nun müssen sie weiterarbeiten, um es tatsächlich zu beherrschen und sich wirklich zueigen zu machen.
Hakanaï, weitere Vorstellungen: 12., 13.1., 20 Uhr
Temps d’Image läuft noch bis Sonntag 20.1.
Termine und Tickets: Tanzhaus NRW