Halbstarkes Cäsium 137 – locker bleiben!

Komische Sache. Da in der Asse, diesem einsturzgefährdeten Atommüllendlager. Sorry: diesem maroden Endlager für schwach und mittel radioaktiv belastetes Material. Nein, nicht dass es da in der Asse überall nur so tropft, dass man fast annehmen möchte, es sei nicht ganz dicht. Das ist zwar auch ein wenig komisch, aber nicht neu. Und was nicht neu ist, mag so komisch sein wie gottweißnurwas. Es ist uninteressant. Langweilig. Das wäre gerade so, wie jetzt darüber zu schreiben, dass die AKW-Blöcke in Fukushima immer noch nicht gekühlt werden können, und selbst wenn sie gekühlt werden könnten, damit allenfalls irgendwelche Kettenreaktionen und / oder Explosionen aufgehalten werden könnten, nicht aber die Freisetzung des ganzen radioaktiven Zeugs. Das ist nicht neu, das ist langweilig, so etwas läuft sich tot. Okay, in Asse tropft es. Na und?!

Komisch ist etwas ganz Anderes. Komisch ist, dass gestern zu hören war, dass in einem alten Bohrloch der Asse eine stark erhöhte Konzentration an Cäsium 137 gemessen wurde. „Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) teilte mit, dass eine Belastung von 240.000 Becquerel Cäsium 137 pro Liter gemessen worden seien. Der gesetzliche Grenzwert liegt bei 10.000 Becquerel pro Liter.“ Also, komisch ist das mit dieser verstrahlten Lauge in der Asse. Gut, dass sich bisher nicht genau feststellen lässt, woher die nun gemessene Radioaktivität genau stammt, wie die Süddeutsche schreibt, mag für sich genommen komisch sein, ist aber in solchen Fällen üblich, also nicht neu, mithin ziemlich langweilig. Dass sich damit die Kontamination in diesem Bereich des Salzstocks binnen drei Jahren mehr als verdoppelt hat, wie dort ebenfalls zu lesen ist, ist allein schon deshalb ein wenig komisch, weil die Radioaktivität doch von selbst ab- und nicht zunimmt. Sonst müsste es ja Doppelwertzeit heißen und nicht Halbwertzeit.

Komisch, komisch. Nicht dass da irgendjemand irgendetwas dabei gekippt hat! Da in der Asse. Das dürfte, könnte, sollte eigentlich nicht sein. Nicht in den letzten drei Jahren. Aber wieso verdoppelt sich dann in diesem Zeitraum die Radioaktivität? Es gibt doch gar keine Substanz mit einer Doppelwertzeit von drei Jahren. Und außerdem: man weiß ja, was man dort gemessen hat. Cäsium 137, und das hat keine Doppelwertzeit von drei, sondern eine Halbwertzeit von dreißig Komma nochwas Jahren. Ein bisschen Strontium 90 wurde auch noch gefunden, hat etwa die gleiche Halbwertzeit, ist aber auch egal; denn zu keinem Zeitpunkt hat irgendeine Gefährdung bestanden – weder für die Mitarbeiter noch für die Bevölkerung. Doch auch das ist nicht neu, also langweilig. Dann lieber fragen, wo dieses Zeug eigentlich herkommt. Aber, wie gesagt: man weiß es halt nicht. Oder einfach mal fragen, warum diese Sache ausgerechnet jetzt herauskommt. Diese Sache da in der Asse mit dem Cäsium 137.

Da war doch was; es ist nicht mal eine Woche her. Da bekam die NRW-Landesregierung eine richtige Abreibung – z.B. von der FAZ: „Düsseldorfer Kugel-Chaos-Tage“ hieß die Überschrift des Artikels über die Brennelemente, über die die Grünen behauptet hatten, da seien einige Kugeln verschwunden, bis dann herausgefunden wurde: „Nichts wird vermisst, alles ist dokumentiert.“ Und von allen Seiten hagelte es mächtige Kritik: Verunsicherung der Bevölkerung, unverantwortliche Panikmache und alles Andere, was in diesen Fällen üblich ist. Hier gilt im Grunde auch für die andere Seite: alles nicht neu, also langweilig, eigentlich ein Totläufer. Vielleicht fand auch deswegen niemand interessant, was gar nicht uninteressant ist. Es geht um Jülich, gelegen im Südwesten der AKW-freien Zone NRW, 77 km Luftlinie bis Essen. Genau da steht ein Forschungszentrum, etwa 4000 Beschäftigte. Und weil Mitte der 80er Jahre die Forschungen an dem kleinen Hochtemperaturreaktor dort eingestellt wurden, kann sich das Forschungszentrum dort seit 1990 nicht mehr Kernforschungszentrum nennen, sondern nur noch Forschungszentrum.

Ein Leck im Druckbehälter soll dazu geführt haben, dass der Kugelhaufen-Hochtemperaturreaktor nicht mehr weiterentwickelt worden war. Wie auch immer: „In dem Forschungsreaktor waren von 1967 bis 1988 insgesamt 290.705 Brennelemente-Kugeln zum Einsatz gekommen. In Jülich lagern heute davon 288.161 nicht zerbrochene Kugeln in Castor-Behältern. Im Reaktor selbst befinden sich 197 zum Teil beschädigte Brennelemente. 62 weitere Kugeln lagern zu Untersuchungszwecken in so genannten ,heißen Zellen` des Forschungszentrums“, so die taz. Womit immer noch – so Pi mal Daumen – 2285 Brennelemente fehlen. Pronto, pronto, Salvatore, wo sind die Kugeln? Könne man so nicht rechnen, sagen die Hütchenspieler; denn in Wirklichkeit seien viel mehr von den strahlenden Kugeln zu Bruch gegangen. Das nimmt auch die taz an, die ihren Artikel mit „Atomare Brennelemente in NRW: zu Staub zermahlen“ überschrieben hat. Blöd nur, dass ausgerechnet „die Zerbrechlichkeit der Brennelement-Kugeln als die Schwachstelle dieser Reaktortechnik“ gilt.

Zerbrochen, zu Staub zermahlen, wie auch immer: irgendwo muss das Zeug ja geblieben sein – irgendwie, in welchem Aggregatszustand auch immer. Und es wäre ganz gut, wenn man wüsste wo. Denn in den Kügelchen ist jede Menge Cäsium 137 und auch noch eine Idee Strontium 90. Das hatte man nach einem Störfall in Jülich festgestellt, den die Betreiber mehr als zwanzig Jahre verschwiegen hatten. Etwa 30 Kubikmeter Wasser waren aus einer defekten Rohrleitung ins Erdreich gelaufen, also 30000 Liter – verseucht mit Cäsium 137. „Mittlerweile sprechen auch andere Wissenschaftler von einer Tschernobyl-ähnlichen Situation“, sagt Rainer Moormann, Wissenschaftler im Forschungszentrum Jülich. Denn wie in Tschernobyl sind auch die Jülicher Brennelemente mit Graphit ummantelt. Eine „Tschernobyl-ähnliche Situation“ – hier bei uns in NRW? Also allenfalls rein kerntechnisch betrachtet. Locker bleiben! Die Reaktorblöcke im belgischen Tihange sind viel gefährlicher, stehen jedoch noch hinter Aachen, also rund 200 Kilometer von Essen entfernt. Locker bleiben!

Was das alles mit den deutlich erhöhten Cäsium-137-Werten im undichten Asse zu tun hat? Tihange? Nichts! Jülich? Keine Ahnung: die einen sagen so, die anderen so. Wie in Fukushima, nichts Neues, absolut langweilig, läuft sich bestimmt tot. Okay, Cäsium 137, Strontium 90 – das ist die Handschrift der Jülicher Kugeln. Aber wieso die in den letzten drei Jahren mehr als doppelt so viel strahlen sollen? Das macht eigentlich keinen Sinn. Vielmehr: wenn das überhaupt an Brennelementen aus Jülich liegen sollte, da in der Asse – Wolfenbüttel, Braunschweig, die Ecke – dann liegt das Zeug da schon seit dreißig Jahren rum. Strahlt also nur noch halb so stark. Halbstarkes Cäsium 137 und Strontium 90. Denn die Halbwertzeit beträgt jeweils etwa dreißig Jahre. Also: locker bleiben!

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Frank (frontmotor)
13 Jahre zuvor

Also, mal der (Zerfalls-)Reihe nach: Das ist eine interessante Idee, einen Zusammenhang mit dem überraschenden Cäsium-„Fund“ und den vermissten Kugeln zu ziehen.

Aber Cäsium befindet sich nicht in der Zerfallsreihe von Thorium (woraus nach meiner Erinnerung die Jülicher Kugeln bestehen):
https://de.wikipedia.org/wiki/Thorium-Reihe Deshalb halte ich den Zusammenhang dann doch für unwahrscheinlich.

Die Halbwertszeit bezieht sich nicht auf den Abnahme der Strahlung, sondern den Zerfall des ursprünglichen Radionukleids, also in diesem Fall auf Thorium, oder Uran oder je nachdem.

Indem der Stoff zerfällt, wandelt er sich in andere Stoffe um. Die wiederum mehr oder weniger stark strahlen können, als das Startprodukt. Das ist aber eine interessante Erkenntnis nebenbei..

Wolfgang
Wolfgang
13 Jahre zuvor

Die Zerfallsreihen sind nicht sonderlich relevant, Energie wird in Nulearreaktoren durch Kernspaltung erzeugt, dabei werden mittelschwere Isotope wie Cäsium 137 oder Strontium 90 erzeugt.

In
https://de.wikipedia.org/wiki/C%C3%A4sium und https://de.wikipedia.org/wiki/Strontium

sind unter „Isotope“ die Reaktionsformeln zu finden, Ausgangsnuklid ist in beiden Fällen Uran 235. In https://www.buerger-fuer-technik.de/body_technik_der_hochtemperaturreak1.html wird Uran 235 neben Thorium 232 als Brennstoff angegeben.

Beebo
Beebo
13 Jahre zuvor

Ob da unsere Regierung wieder erwarten noch vor der Wahl 2013 einschreiten muss? Der Masterplan war doch, wie immer der nächsten Regierung die Asse vor den Füßen zu schmeißen. So eine Sanierung ist immer schädlich für den eigenen Wahlkampf. Das hat selbst Herr Tritztin gemerkt.

Jo
Jo
13 Jahre zuvor

Journalisten und der Versuch ernsthafter Kommentare zu einfachen physikalischen Grundlagen – einfach zum Totlachen:

Cäsium-137 hat eine Halbwertszeit (HWZ) von 30 Jahren.
Nach 300 Jahren also 10 HWZ wird aus einer Tonne Cäsium-137 ein Kilogramm.
Nach 600 Jahren also 20 HWZ wird aus einer Tonne Cäsium-137 ein Gramm.
Strontium-90 28 Jahre Halbwertszeit – muss ich nicht auch noch vorrechnen.

Cäsium-137 ist wie Natrium (Kochsalz) hochgradig wasserlöslich. Sr-90 etwas weniger gut.
Wenn also nach 30 Jahren Wasser, dass von oben nach unten ins Bergwerk läuft, Cäsium aus zerdrückten Fässern löst und sich vor einer Kammer im stehenden, verdunstenden Wasser aufkonzentriert, dann war dies nicht anders zu erwarten!
Die Spinner, die den Verschluß des Bergwerks seit Jahren verzögert haben, brauchen die Asse doch nur um politische Kampagnen gegen Atomkraft zu fahren.

Vergleichbarer Zeitraum für alle Jecken aus dem Rheinland:
Kölner Dom: Vergangene Zeit seit Baubeginn bis heute: ca 750 Jahre.

Welche der nichtradioaktiven Substanzen – Filterstäube aus Kohlekraftwerken, hochgiftige Chemikalien wie Arsen, Quecksilber, Dioxine und sonstigen Giftcocktails, die man bei euch im Ruhrpott in die leeren Pütts schmeißt, sind nach dieser Zeit ohne Probleme?

Grüne Polit-Propaganda!

Jo
Jo
13 Jahre zuvor

Hallo,
nicht Cäsium in der Asse killt Leute. Unsere grünen Ökos sind die wahren Killer:

Eine kleine Recherche im Internet ergab, dass seit Mitte 2009
mindestens 10 Personen beim Sturz von Dach bei der Installation von Photovoltaik- und Solaranlagen verstorben sind.

Die von mir gefundenen 30 Leicht- und Schwerverletzten habe ich nicht eingefügt, kann Ihnen aber jederzeit eine Excel-Tabelle mit meinen Ergebnissen zur Verfügung stellen.
Ob einige dieser Personen an ihren Verletzungen gestorben sind,
ließ sich leider nicht recherchieren.

Sollte dies nicht auch mal einen Artikel wert sein?
Gibt es nach Fukushima noch eine objektive Berichterstattung über die Risiken auch der Öko-Branche?

Niemand warnt die Leute, die besonders durch nicht tragfähige Lichtplatten in den Tod stürzen.

Hier die Liste der grünen Opfer – sind alle mausetot!

02.06.09 Kapweiler/Luxemburg Arbeiter stürzt durch Dach von Kuhstall – tot https://www.wort.lu/wort/web/letzebuerg/artikel/24687/tot-nach-sturz-aus-zehn-metern.php

30.08.09 MG/dpa Hundersdorf Tödlicher Sturz aus sieben Metern https://www.kanal8.de/default.aspx?ID=983&showNews=505729&showArchiv=1&aktMonat=8&aktJahr=2009&aktWoche=4

21.09.09 Versmolder Anzeiger Versmold/Sassenberg Arbeiter stirbt nach Dachsturz. http://www.schuetzen-spenge.de/downloads/boeller–va.pdf

10.05.10 NWZ Weener Kreis Leer: Arbeiter bei Sturz vom Dach tödlich verletzt https://www.nwzonline.de/Region/Artikel/2332272/Kreis-Leer-Arbeiter-bei-Sturz-vom-Dach-toedlich-verletzt.html

12.05.10 Südkurier Lottstetten Tödlicher Sturz bei Montagearbeiten in der Reithalle in Lottstetten https://www.suedkurier.de/region/hochrhein/archiv4712,20100512,0,10?fs%5Bpage%5D=11&fs%5Bpage%5D=0&fs%5Bpage%5D=1&fs%5Bpage%5D=0

19.05.10 ddp Bad Bederkesa 39-jähriger Mann stirbt bei Sturz von Dach https://www.localxxl.com/de/lokal_nachrichten/bederkesa/39-jaehriger-mann-stirbt-bei-sturz-von-dach-1274282642-fta/

01.06.10 Polizei Felsberg-Helmhausen POL-HR: Felsberg-Helmshausen: 22-jähriger bei Arbeitsunfall tödlich verletzt https://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/44149/1624174/polizei_homberg?search=Sturz%2CDach

28.06.10 dpa Nordenham Tödlicher Sturz durch Dach von Rinderstall https://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article1548777/Toedlicher-Sturz-durch-Dach-von-Rinderstall.html

03.12.10 Nordbayrischer Kurier Niederfüllbach Arbeiter stirbt nach Sturz von Dach https://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/1296721/details_10.htm

15.12.10 BR-Online Ruderting Rentner erfriert nach Sturz vom Dach https://www.br-online.de/polizeireport/niederbayern-oberpfalz/polizeireport-polizei-polizeimeldungen-ID1292431488558.xml

27.04.11 Niedernstöcken Dachdecker stirbt nach Sechs-Meter-Sturz in Neustadt https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Region/An-der-Leine/Neustadt/Dachdecker-stirbt-nach-Sechs-Meter-Sturz-in-Neustadt

Jo
Jo
13 Jahre zuvor

Leider muss ich meine Liste mit alten und neuen Todesfällen aktualisieren.
Ich zähle inzwischen 17 Tote (16 Deutschland + 1 Luxenburg) von 2008 – 2011.
Für 2008 zeigen die Suchmaschinen nur einen einzigen Fall an. Liegt dies daran, dass der hoch subventionierte Solarboom erst 2009 einsetzte oder die Suchmaschinen ältere Ergebnisse wegblenden?
Liebe Journalisten, schaut doch mal in eure Archive!

Einge weitere Fälle sehen verdächtig nach Installation von Photovoltaikanlagen aus. Da ich diese Fälle leider nicht im Internet klären kann, lasse ich sie hier vorläufig weg.

Hier die Liste der dazugekommenen Fälle:

16.1.2008 Klockenhagen (Nordvorpommern). Ein Mitarbeiter einer Elektrofirma aus Dresden ist auf einer Baustelle in Klockenhagen im Landkreis Nordvorpommern tödlich verunglückt. https://blaulicht.hansestadtstralsund.de/category/arbeitsunfall/page/2/

27.4.2009 Cham. Ein 18jähriger Auszubildender einer Elektrofirma starb bei einem Sturz vom Dach einer Lagerhalle. https://www.neumarktonline.de/opf.php?ap=202

11.5.2009 Ibbenbüren. Tödlicher Sturz aus sieben Metern Höhe https://www.ivz-online.de/lokales/kreis_steinfurt/ibbenbueren/1057183_Ibbenbueren_Toedlicher_Sturz_aus_sieben_Metern_Hoehe.html

8.7.2010 Singen. Tödlicher Arbeitsunfall https://www.wochenblatt.net/taeglich-aktuell/taeglich-aktuell-news-detail/article/singen-toedlicher-arbeitsunfall.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=288&cHash=97ab1a9893

22.7.2010 Lippstadt. Mann beim Reinigen einer Fotovoltaikanlage tödlich verunglückt https://www.localxxl.com/de/lokal_nachrichten/lippstadt/2/

20.1.2011 Gammingen. Tödlicher Arbeitsunfall https://www.gea.de/region+reutlingen/ueber+die+alb/toedlicher+arbeitsunfall.1797063.htm

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