Von unserer Gastautorin Anastasia Iosseliani
Geehrte Leserinnen und Leser,
wie verschiedene Medien berichtet haben, ist es Stephan Balliet, dem Attentäter von Halle, fast gelungen, aus dem Untersuchungsgefängnis «Roter Ochse», das mitten in der Stadt Halle liegt, auszubrechen. Für gut 5 Minuten konnte sich der Attentäter frei innerhalb des Gefängnisses bewegen und nur die Tatsache, dass eine Türe verschlossen war, hinderte ihn an der weiteren Flucht.
Nun mögen einige Menschen überrascht über die Schlamperei sein. Ich bin es nicht! Man möge mir meine vulgäre Sprache in den folgenden Zeilen verzeihen, aber ich bin der Ansicht, dass viele Mitarbeiter verschiedener Nachrichten- und Sicherheitsdienste in Europa nicht einmal eine Möse in einem Bordell finden würden und zwar selbst dann, wenn eine Dame aus dem ältesten Gewerbe der Welt sich mitten auf ihr Gesicht setzen würde. Deshalb würde meine Wenigkeit es als Glücksfall einschätzen, dass den Behörden der Attentäter nicht entwischt ist, so nachlässig und unprofessionell wie sie arbeiten.
Deshalb überrascht mich auch nicht, dass deutsche Behörden mit Männern wie Anis Amri und Stephan Baillet komplett überfordert sind und ihnen diese Gestalten deshalb (fast) durch die Finger flutschen. Deutsche Behörden haben offensichtlich sehr naive Vorstellungen von Attentätern und stellen sich diese wohl als missverstandene Eierdiebe vor. Anders ist diese fast schon kriminelle Nachlässigkeit angesichts von radikalisierten Gewalttätern für mich nicht zu erklären.
Aber nicht nur im Umgang mit Attentätern ist man im Herzen Europas nachlässig bis zur Fahrlässigkeit. Wie Max Privorozki, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Halle, eine Gemeinde die durch Kontingentsflüchltlinge aus der ehemaligen Sowjetunion, die vom Antisemitismus dort geflüchtet sind, entstanden ist, berichtet hat, ist selbst heute, mehr als ein halbes Jahr nach dem Anschlag auf die Gläubigen an Jom Kippur, die Situation in Bezug auf die Sicherheit alles andere als berauschend. Verschiedene Medien zitierten ihn: „Wir haben – das sage ich in aller Offenheit – noch nicht den Status der Sicherheit erreicht, der leider notwendig wäre. Da ist noch einiges zu tun und zu verbessern, damit wir als Gemeinde uns ausreichend geschützt fühlen.“
Es ist meiner Ansicht nach extrem nachlässig und verantwortungslos von den Behörden, nach so einem Attentat immer noch die Sorgen der jüdischen Gemeinde in Halle und anderswo in Bezug auf Sicherheit nicht ernst zu nehmen. Zumal, wie die «Jüdische Allgemeine» berichtet hat, die Synagogengemeinde einen Drohbrief erhielt und vor der jüdischen Gemeinde Halle ein Hakenkreuz abgelegt wurde.
Die geradezu grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf die Sicherheit von jüdischem Leben in Deutschland ist in meinen Augen auch unverschämt. Der jetzige deutsche Aussenminister Heiko Maas sagte einst, dass jüdisches Leben im heutigen Deutschland «ein unverdientes Geschenk» sei. Ich fürchte, weder Herr Maas selber noch vielen Deutschen, insbesondere jenen, die bei den Sicherheitsbehörden arbeiten, ist dies richtig bewusst, was es mit der Präsenz von jüdischem Leben in der Bundesrepublik heute aufsich hat. Anders kann ich mir diese ganze Situation, wie zum Beispiel dem Unwillen, aus dem Attentat von Halle die richtigen Schlüsse zu ziehen und jüdisches Leben in Halle und in Rest-Deutschland zu schützen, die meiner Meinung nach, immer mehr zu einer Farce verkommt, nicht erklären.
Oder doch, eine andere Erklärung für die jetzige Situation habe ich schon, aber diese ist noch verstörender als die Erklärung der schlichten Ignoranz und Indifferenz der deutschen Mehrheitsgesellschaft und der deutschen Sicherheitsbehörden für die Sorgen von uns Juden in Bezug auf unsere Sicherheit im Herzen Europas. Diese Erklärung von mir besagt, dass die Nachlässigkeit, Ignoranz und Indifferenz der deutschen Behörden in Bezug auf die Sicherheit von jüdischem Leben ein Wink mit dem Zaunpfahl ist, wonach die nicht-jüdische Mehrheitsgesellschaft unserer Präsenz überdrüssig ist und deshalb gleichgültig gegenüber unseren Sicherheitsanliegen.
Die zweite Erklärung verstört selbst mich, die von anderen Menschen gerne als zynisch beschrieben wird. Darum hoffe ich doch, dass diese Erklärung nicht wahr ist und das jetzige Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden primär auf Ignoranz und Naivität fusst und nicht durch ein antisemitisches Ressentiment gespeist wird, und dass die Behörden im Herzen Europas lernen, Sorgen von Juden ernst zu nehmen. Wenn nicht, so wäre es für Juden in Deutschland wirklich an der Zeit, die Koffer zu packen bevor es zu spät ist.
In Frankreich werden den jüdischen Franzosen durch die nachlässige Politik im Umgang mit einheimischen und zugewandertem Antisemitismus "die Koffer bereits gepackt." Von dieser Art "der Hilfe beim Kofferpacken" sind unsere jüdischen Mitbürger leider nicht mehr weit entfernt,eigentlich ganz nahe dran.
Eine tiefe Schande für das Täterland in Sachen Holocaust.
Der Antisemitismus ist in Europa sehr alt und eng mit dem christlichen Selbstverständnis über Jahrhunderte verquickt worden.
Die Ursachensind vielfältig, hingen aber auch mit der völkischen Separation des Judentums zusammen, ähnlich wie bei Sinti und Roma oder heute so manchen Arabern oder Türken.
Zusätzlich war es für die Herrschenden eine effektive Entschuldungsstrategie die gebildeten und daher wirtschaftlich häufig erfolgreichen Juden zu verfolgen und Konflikte passend zu schüren.
Aber ursächlich für jeglichen Rassismus ist immer kulturelle Separation, sei es durch Glauben oder gesellschaftliche Regeln oder wie in den USA durch gesellschaftliche Deklassierung entlang der Ethnie.
Soweit mir bekannt enden solche Konflikte nur mit Auslöschung einer Kultur oder völliger Verschmelzung,während in allen anderen Fällen die Konflikte z.T. jahrhundertlang immer wieder aufflammen bis zu einem der beiden Lösungen oder eigener Souveränität der jeweiligen Gruppen.
Selbst unter Christen (Protestanten und Katholiken) gibt es ähnliche Anfeindungen, die zur Zeit wegen der kulturellen Einheit heute eher unbedeutent sind, aber immer wieder bei Anfeindungen gegen den katholischen Klerus latent wieder auftauchen.
Solche latenten Bruchlinien schaffen immer wieder Anlässe "Schwarze Peter" Spiele zu veranstalten, wenn Unzufriedenheit Schuldige sucht.
Die wachsende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, ebenso wie beim Antisemtismus geht einher mit uralten Vorurteilstrukturen, gesellschaftlichen Mängeln, die ein Ventil suchen und einer massiven unkontrollierten Zuwanderung die für die Masse gesellschaftlichen Stress erzeugt.
Und letztlich einer Elite, die sich in Harmonieträumen ergeht und nicht das geringste gegen die Ursachen unternimmt außer ritualisierten Verurteilungen und Bekenntnissen.
Dabei beweisen schon innerkulturelle Bruchlinien z.B. an den Dialektgrenzen wie schwierig auch nur leichte kulturelle Abweichungen sein können und geradezu zu Feindschaft führen können.
Der Mensch ist nicht gemacht für Multikulti und Vernunft nicht das herrschende Prinzip und ist es auch nie gewesen und wird es auch nie sein.