Dirk Klaus ist Halterner und hat sich auf Facebook in die Diskussion um das Verhalten der Medien nach der A320-Katastrophe vergangene Woche eingeschaltet, bei der 18 Halterner starben. Mit seiner freundlichen Genehmigung veröffentlichen wir seinen Artikel auf den Ruhrbaronen.
Vom Opfer zum Täter und wieder zurück
31. März 2015 um 20:15
In einer kleinen Stadt am Rande des Münsterlandes – meiner Stadt – läuft momentan nichts mehr so wie es mal war. Ein Unglück brach über unsere Stadt herein, bei dem 150 insgesamt und davon 18 Menschen aus unserer Dorfmitte ihr Leben verloren. Dieses machte uns alle betroffen, aber Trauer? Nein, Trauer steht ausnahmslos den Angehörigen zu.
Unser Bürgermeister leistet hervorragende menschliche Arbeit, auch Ihn hat es schwer getroffen, und auch er ist schockiert und betroffen. Ich würde mit Ihm definitiv nicht tauschen wollen!
Der gesamte Verwaltungsapparat kümmert sich hervorragend um die Menschen, die einen unsagbaren Verlust erlitten haben. Ich würde gerne jedem persönlich dafür danken, vielleicht mach ich das auch noch in den nächsten Wochen. Zur Zeit haben sie jedenfalls Wichtigeres zu tun.
Was mich aber an der Situation ein wenig nervt sind die jenigen, die pausenlos und unentwegt zur pauschalierten und generalisierten Medienschelte aufrufen. Ich weiß – und das aus sicherer Quelle – das sich einige Medienvertreter nicht so verhalten haben wie man es von Ihnen erwartet. Geld ist geboten worden für Bilder aus dem Schutzraum „Schule“. Auch sollen – und das ist nicht gesichert – Angehörige der Opfer einen Hausbesuch bekommen haben.
Sprachrohr aller gefrusteten „Betroffenen“ ist ein junger Mann, welcher selbst Schüler an der Schule ist und versucht hat die „andere“ Seite zu beleuchten. Find ich soweit okay, denn jeder hat das Recht, seine Betroffenheit so auszuleben um zu verarbeiten wie er es mag.
Wenn jemand jedoch schreibt, das er mit dieser Haltung den Schülern und den „Halteranern“ aus dem Herzen spricht, so muss ich sagen: leider nicht aus meinem Herz. Dies soll nicht heißen, dass ich das abscheuliche Verhalten einiger, weniger Medienvertreter gut heiße.
Sie werden vermutlich nun aufhören zu lesen und schnell urteilen, was für ein Spinner. Aber das ist mir egal, denn es sind meine Gedanken. Wenn Sie aber eine Begründung für meine Ablehnung haben wollen, dann sollten Sie weiterlesen.
Ich weiß, und das habe ich selber beobachtet, dass sich mehr als 98% der Medienvertreter an die Spielregeln gehalten haben. Ich weiß auch –weil ich es mit eigenen Augen gesehen habe – das Schülerinnen und Schüler völlig emotionslos Ihr Handy gezückt haben und vom selben Kerzenmeer Bilder gemacht haben. Ich muss an dieser Stelle auch sagen, dass ich emotional überwältigt war von dem Kerzenmeer, der Anteilnahme, der Betroffenheit und auch ein Bildnis angefertigt habe. Auch ein Ehepaar aus Schleswig-Holstein hat einen Kranz niederlegen lassen. Kerzen aus Bochum, Dortmund, Essen und noch so vielen anderen Orten waren zu sehen. Menschen, die Anteil nehmen und hier vor Ort den Menschen zeigen „Du bist nicht allein“. Wie sagte ich heute noch zu einer guten Freundin: „Wir haben ja viele Charaktere, die Nörgler, die Pessimisten, die Linken, die Grünen usw. aber eines haben wir alle gemeinsam: In der Stunde der Not rückt ein Volk zusammen und das ist auch gut so“.
Ein anderer Freund berichtete, dass ein Botschafter und seine Gäste das dringende Bedürfnis haben Anteil zu nehmen. Sie möchten zeigen, dass sie mit uns verbunden sind. Verbunden mit dem Schmerz, den 150 Familien erleiden. Sie möchten uns so zeigen, dass der Schmerz teilbar ist. Es ist nicht ein isoliertes Problem sondern ein Globales!
Dieses erfahren die Menschen aber nur durch die Medien! Deswegen ist es wichtig und richtig, dass die Medien vor Ort sind. Der Tragik ist es geschuldet, das an diesem Ort sich der globale Medienpool versammelt hat. Wenn sich bei einem „ganz normalen“ Einsatz – den ich beruflich mehrfach erlebt habe – 3-5 Medienvertreter versammeln, sind das noch wenige…
Wir Menschen sind neugierig! Wir facebooken, wir twittern, wir hören, wir reden und überall wo was passiert, wollen wir immer und sofort informiert sein. Diese Aufgaben haben die Medien. Die Medien, welche über den Rundfunkbeitrag finanziert werden und die privaten Medien, welche zwingend notwendige Einschaltquoten benötigen, denn diese bedeuten Einnahmen durch verkaufte Werbeplätze. Wir sind halt stets informiert durch genau diese Medienvielfalt. Auch die Lokalgazette, welche um die Existenz kämpft ( wer es nicht mitbekommen hat, die Printmedien sterben langsam aber sicher aus). Den guten alten Redakteur, der Zeit hatte um zu recherchieren, damit die Wahrheit an das Tageslicht kommt, gibt es nicht mehr. Redaktionen werden zusammengelegt, andere geschlossen. Hier muss auch der emotionsreiche „Reißer“ dem langweilen „Sing-und Klatsch“ weichen. An dieser Stelle darf ich unserer örtlichen Tageszeitung meinen herzlichen Dank aussprechen! Sehr seriös, sehr nah und doch sehr pietätvoll was geschrieben wurde.
Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt diese Zeilen –meine ganz persönlichen Gedanken – online stelle. Nachdem ich dann aber Begriffe wie „Verbrechen an der Menschheit“ oder „um den Medien in den Arsch zu treten“ und das obwohl der Autor dieser Zeilen nur „Zeilen und Auszüge“ kennt, gelesen habe ist mir klar geworden, das ich das so nicht unkommentiert stehen lassen kann.
Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie dieses Dokument gefunden haben, ohne dass ich jemanden aktiv dazu aufgefordert habe es zu „teilen“. Ich möchte davon garnichts haben. Ich möchte nicht den persönlichen Profit ziehen. Ich gehöre keinem Journalistenverband an und ich blogge auch nicht.
Und schon gar nicht möchte ich das jemand sagt: „…bekommst nun eine Plattform für deine…“
Denn das ist das Ziel aller Medien. Die Medien, die wir hier mit Entsetzen verfluchen.
Ich für meinen Teil habe erkannt, wie man das System still und leise verändert:
Solange auf meinem Kontoauszug jeden Monat das steht
(Hinweis: Im Original sieht man eine Überweisung für ein Halterner Zeitung Abo. der Admin)
weiß ich, dass ich die Medien, die sich nicht an die Spielregeln halten, nicht brauche, um gut informiert zu werden…
Und bevor ich anfange die Medien zu verurteilen, muss ich mich selber ernsthaft fragen:
Hast Du auch schon einmal die (Handy)Kamera gezückt, um eine „Information“ abzulichten?
Ja? Dann schimpf nicht über die (Sensations)Medien…
Bis auf das Bild mit der Banküberweisung habe ich bewusst keine Bilder von Facebook oder anderen Medien eingefügt, weil ich mich nicht auf die gleiche Stufe der (Sensations)Medien stellen mag. Auch habe ich bewusst nicht zum Teilen aufgefordert (Sie dürfen es aber, wenn Sie wollen), da ich keinen Profit aus meinen Gedanken ziehen möchte.
Mit 17 Lebensjahren habe ich auch nicht so gedacht, sondern hatte eine „radikalere“ Einstellung zu diversen Themen. Lebenserfahrung und Bescheidenheit kommen im Lauf der Jahre
Ich weiß nicht so ganz, was mir der Text sagen soll. Außer, dass der Autor anscheinend viel Zeit hat, oder wie kommt er zu so einer Aussage:
„Ich weiß, und das habe ich selber beobachtet, dass sich mehr als 98% der Medienvertreter an die Spielregeln gehalten haben.“?
Abgesehen von dieser – unglaubwürdigen, weil für einen einzelnen unmöglich zu beobachtenden – Behauptung, steckt im Text irgendwie nicht viel drin. Der Halterner Bürgermeister macht einen guten Job, die Halterner Zeitung macht einen guten Job, der Autor ist stolzer Besitzer eines Abos dieser Zeitung. Und sonst? Ein bisschen Geschwurbel zum Medienwandel, ein bisschen „aber du hast doch auch schon mal ein Foto gemacht!“, ein bisschen „früher war ich radikal, heute bin ich alt und weise“ – mehr nicht.
Was soll das überhaupt für ein Argument sein, dass auch Schüler Fotos gemacht hätten? Zur Erinnerung: die Publizieren diese Fotos vermutlich nicht in einem Medium mit Millionen Reichweite.
„98% der Medienvertreter haben sich an die Spielregeln gehalten“ und die anderen 2% schädigen das Ansehen der Presse! Kommt soetwas nicht auch in vielen anderen Lebenssituationen vor?
Nur – als Journalist (der zu den 2% gehört) muß man sich fragen lassen, was für ein Berufsbild man eigentlich hat….
Ist der Autor der gleiche Dirk Klaus, der für die FDP im Stadtrat sitzt?
@Nils: Ja, der ist es.
„Auch sollen – und das ist nicht gesichert – Angehörige der Opfer einen Hausbesuch bekommen haben.“
Wurde gestern ganz offiziell in „Zapp“ (NDR) unter “ Draufhalten: Medien in Montabaur“ vorgeführt (http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Draufhalten-Medien-in-Montabaur,germanwings256.html)
Ich würde diese durch „geschäftstüchtige“ Fernsehwürmer käuflich gewordene Ersatz-Kirche namens „TV“ immer noch nicht verharmlosen wollen.
Also ein Angehöriger jener Partei, die im Bund das LSR mitbeschlossen hat.
Gibt es persönliche Verbindungen zwischen Herrn Klaus und beteiligten Medien, über seinen Ehemann, Verwandtschaft, Freundschaft oder ähnliches?
@jj preston: Mit Dreck werfen und dann hoffen, irgendwas bleibt hängen – und das ganze auch noch anonym. Was für eine arme Wurst sie sind…
Also das mit dem Hausbesuch bei den Angehörigen ist keine gesicherte Information. Okay. Aber der Autor weiß, dass sich 98% der Medienvertreter an die Spielregeln gehalten haben. Was soll man denn jetzt davon halten?
@Stefan Laurin
Was sagen Sie denn zu Kommentar #1 (Max)?
@Heinrich: Ich war am Dienstag für Die Welt vor Ort in Haltern. Ich habe keinen Kollegen erlebt, der sich nicht zurückgehalten hat, vor allem vor der Schule. Die Schüler und Lehrer/Eltern wurden, soweit ich es beobachtet habe, in Ruhe gelassen. Niemand wurde bedrängt. ich fand es ok und verstehe das Medien-Bashing nicht, das in den vergangenen Tagen losging.
„Hast Du auch schon einmal die (Handy)Kamera gezückt, um eine „Information“ abzulichten?
Ja?“ – Nein!
So nehme ich mir das Recht – in diesem Fall: Mich darüber zu wundern, wieso man Bilder von Trauernden und ihren Wohnorten/Arbeitsplätzen in Haltern braucht, um über einen Flugzeugabsturz in Frankreich zu berichten.
Das schweift von der ursprünglichen Nachricht, die es zu berichten galt ab und fällt unter voyeuristische Gier.
Dabei gesagt, diese Journalisten machen auch nur ihren Job und den machen sie, da es anscheint einen Markt für solche Nachrichten gibt. Daher ist für mich viel interessanter zu fragen, wer sind diese Menschen, die solche Nachrichten konsumieren.
@Stefan Laurin
Ihr „Welt“-Kollege Henryk M. Broder nennt die angereisten Journalisten in Haltern übrigens „Aasgeier“.
http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article138924001/Die-Botschaft-vom-24-Maerz-2015.html
@Fabsen
„Dabei gesagt, diese Journalisten machen auch nur ihren Job und den machen sie, da es anscheint einen Markt für solche Nachrichten gibt.“
Ich verstehe diese Rechtfertigung immer nicht. Nur weil es für bestimmte Waren und Dienstleistungen einen Markt gibt, müssen diese auch angeboten werden? Wo bleibt bleibt denn da die Moral und das Ehrgefühl der „Journalisten“? Es gibt zum Beispiel auch einen Markt für die (legalen) Posing-Fotos, die sich der Herr Edathy besorgt hat. Sind sie deshalb moralisch legitim? Aber wenn sich die Journalisten zum Witwenschütteln aufmachen, oder Schüler bestechen, dann fließen Krokodilstränen, wenn man sie dann mal mit ihren moralischen Entgleisungen konfrontiert.
@Heinrich: Ich habe guten Job gemacht, mein Honorar wurde schon überwiesen. Es ist ein Beruf, kein Hobby.
Hallo Dirk Klaus,
ich finde, Sie haben einen guten Beitrag geschrieben, danke.
Dieses Verbrechen wird von nicht wenigen als Vehikel benutzt, um pauschal gegen die Presse oder gegen Politiker zu hetzen und wird noch öfter für die Absonderung von allen unmöglichen Verschwörungs“theorien“ benutzt. Komischerweise werden diese schamlosen Zuschausteller eigener Neurosen nur selten attackiert, das scheint bei der großen Masse auf eine ebenso große Toleranz zu stoßen. Genau die gleichen, die das Geschehene dazu benutzen um ihre eigene emotionale Beschränktheit zum alleinigen Maß der Dinge zu machen, sprechen allen anderen mit beeindruckender Verbissenheit ab, gleichfalls bewegt zu sein. Wie eine Monstranz tragen sie ihre Betroffenheit vor sich her, zu der gefälligst alle anderen aufzublicken haben.
Ich bin überzeugt, fast kein Profi bleibt hier unberührt. Und das will was heißen, denn jene sind wesentlich häufiger mit solchen Dingen konfrontiert als der gewöhnliche Betroffenheitsfetischist es sich vorstellen kann. Es ist auch kein Widerspruch, wenn sich bei diesen Profis ein Schutzmechanismus aufbaut, der billigerweise als zynisch denunziert wird. Schon mal einem Totengräber oder Unfallarzt zugehört? Dagegen ist diese selbstgerechte Haltung, nur die eigene eingeengte Sichtweise gelten zu lassen und allen anderen das moralisch schlimmstmögliche Verhalten zu unterstellen, tatsächlich abstoßend.
Die Leistung des Bürgermeisters von Haltern, Bodo Klimpel, kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden, ähnlich wie die von Schulleiter Ulrich Wessel. Beiden ist es gelungen, das Interesse der Medienvertreter weg von Schülern und Eltern, hin auf ihre Pressekonferenzen zu ziehen. Insofern kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Einschätzung von Dirk Klaus zutrifft, dass es in Haltern gelungen ist, die angereisten Medienvertreter auf einer angemessenen Distanz zu den Betroffenen zu halten.
@Heinrich
Reporter, die versuchen Kinder dazu zu bewegen, ihre trauernden Mitschüler zu filmen, wird wahrscheinlich jeder als Aasgeier bezeichnen, nicht nur Hendryk M. Broder. Das es solche Journalisten in Halter gegeben hat, streitet auch niemand ab. Im Text werden sie auf 2% geschätzt, was sicherlich 2% zu viel sind. Aber es gehört sich einfach nicht das Verhalten dieser 2% auf die anderen 98% zu übertragen um anschließend einen ganzen Berufszweig diskreditieren zu können.
Im Kern trifft Broders Medienkritik sicherlich nicht auf die zahlreichen Reporter, die aus Haltern berichteten zu, denn ohne die hätte niemand erfahren, dass beispielsweise „der Bundespräsident die richtigen Worte“ gefunden hat oder „Bürgermeister und Schulleiter … wahre Größe“ bewiesen haben. Broder wird eigentlich sehr konkret:
„Die üblichen Peinlichkeiten spielten sich vor allem in den Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ab, wo ahnungslose Experten einander in Spekulationen überboten, und in den Magazinen der Privaten, wo D-, E- und F-Promis die Gelegenheit nutzten, auf sich aufmerksam machen.“
Medienkritik ist sicherlich auch bei dieser Katastrophe richtig und wichtig und wer sich die Talkshows bei Maischberger, IIlner und Co. angeschaut hat, der wird Broders Eindruck eventuell teilen. Aber auch wenn man ihn nicht teilt, könnte man zumindest anerkennen, dass Journalismus keine einheitliche und in sich abgeschlossene Größe ist, denn sowohl Broder als auch eine Reihe andere Kritiker der Medien sind selber Medienmenschen und Journalisten.
hier zwei weitere medienkritische Artikel von Petra Sorge (Cicero), wo ebenfalls von den 98% die Rede ist und Frank Lübberding (FAZ), die durchaus lesenswert sind, zumindest für diejenigen, die medienrkitik nicht irgendwelchen mehr oder weniger anonymen Facebookern überlassen wollen:
http://www.cicero.de/berliner-republik/berichterstattung-ueber-germanwings-flug-9525-das-spiel-mit-der-emotion/59050
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tv-kritik/tv-kritik-maybrit-illner-ein-moderner-herostratos-13508727.html