Hamas-Opferzahlen: Der Datenmanipulation auf der Spur

Glaubt man den Daten der Hamas, starb über Wochen hinweg in einem fast linearen Anstieg jeden Tag die gleiche Zahl an Zivilisten. Das ist sehr unwahrscheinlich.

Der Statistik-Professor Abraham Wyner hat sich die Opferangaben der Hamas angeschaut – und Beweise für Datenmanipulation gefunden.

Jeder kennt den Spruch: „Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ Aber Daten, die man wirklich sammelt und Daten, die sich irgendjemand aus dem Allerwertesten gezogen hat, unterscheiden sich in der Regel voneinander und an diesen Unterschieden lassen sich Datenmanipulationen erkennen, wenn man weiß, wonach man suchen muss. Einer der weiß, wonach er suchen muss, ist der Professor Abraham Wyner, der an der University of Pennsylvania Statistik und Data Science lehrt. Für das Tablet Magazin hat er sich die von der Hamas vorgelegten Opferangaben angeschaut und überzeugende Beweise für Datenmanipulation gefunden.

Seit Beginn des Konflikts steht die Anzahl der zivilen Opfer im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit. Laut den Angaben der unter der Kontrolle der Hamas stehenden Gesundheitsbehörde fast 40.000 Menschen gestorben, darunter angeblich überwiegend Frauen und Kinder. Diese Zahlen wurden auch von der Biden-Regierung aufgegriffen, wobei Präsident Biden selbst die hohen Opferzahlen erwähnte und dabei die Unschuld vieler ziviler Opfer betonte. Doch Wyner zeigt, dass diese Zahlen sehr wahrscheinlich nicht der Realität entsprechen.

Jeden Tag die selbe Zahl an Opfern

Die tägliche Veröffentlichung der Opferzahlen durch die Hamas-Gesundheitsbehörde zeigt ein auffallend gleichmäßiges Muster. Wymer zeigt in den Daten, dass die Gesamtzahl der Todesopfer nahezu linear ansteigt (siehe Artikel-Grafik), was in einem realen Konfliktszenario nahezu ausgeschlossen ist. Normalerweise würde man ja annehmen, dass es erhebliche tägliche Schwankungen gibt, abhängig von der Intensität der Kämpfe und anderen unvorhersehbaren Ereignissen. Die täglich gemeldete Opferzahl beträgt im Durchschnitt etwa 270, mit nur geringen Schwankungen, was im Vergleich zu erwarteten natürlichen Variationen auffällig ist. Diese geringe Varianz deutet darauf hin, dass die Zahlen manipuliert oder erfunden sind, da sie nicht das Verhalten von natürlich auftretenden Zahlen widerspiegeln. Wyner nimmt an, dass die Hamas möglicherweise nicht versteht, wie solche Zahlen in der Realität schwanken und daher ungenaue oder gefälschte tägliche Zahlen veröffentlicht. Ganz so, als hätte man die erforderliche Soll-Opferzahl in der Morgenrunde beschlossen. Auffällig ist auch, dass die Zahlen in dem geringen Maß in dem sie überhaupt einmal schwanken, immer leicht nach oben ausschlagen.

Korrelationen zwischen den Opfergruppen

Ein weiterer Punkt, den Wyner untersucht, ist die Korrelation zwischen den gemeldeten Opferzahlen von Frauen und Kindern. In einem realen Konflikt wäre zu erwarten, dass die Zahl der getöteten Frauen und Kinder gemeinsam steigt oder fällt, da zivile Ziele häufig gemeinsam betroffen sind. Wenn also besonders viele Frauen sterben, würde man annehmen, dass auch mehr Kinder sterben als sonst und umgekehrt. Die statistische Analyse zeigt jedoch, dass es kaum eine Korrelation zwischen den täglichen Opferzahlen dieser beiden Gruppen gibt. Das Fehlen einer signifikanten Korrelation (R² von nur 0,017) deutet darauf hin, dass die gemeldeten Zahlen nicht die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln.

Wyner hat außerdem sehr zu seinem Erstaunen herausgefunden, dass die Korrelation zwischen den Opferzahlen von Männern und Frauen nicht nur fehlt, sondern sogar negativ ist. Dies widerspricht den Erwartungen, da die Opferzahlen in einem Konflikt normalerweise in ähnlicher Weise schwanken würden. Diese negative Korrelation ist ein sehr sicheres Indiz dafür, dass die Zahlen schlichtweg erfunden sind.

Immer wenn die Zahl der getöteten Männer besonders niedrig ist, ist die Zahl der getöteten Frauen besonders hoch

Ein besonders auffälliges Detail ist ein gemeldeter Fehler in den Opferzahlen, der darauf hindeutet, dass an einem Tag scheinbar 26 Männer wieder zum Leben erweckt wurden. Wyner fällt auch auf, dass an Tagen, an denen die Zahl der getöteten Männer ungewöhnlich niedrig ist, die Zahl der getöteten Frauen besonders hoch ist. Was Sinn ergibt, wenn die Soll-Zahl halt irgendwie aufgefüllt werden muss.

Wyner argumentiert, dass die von der Hamas gemeldeten Zahlen darauf hindeuten, dass ganze 70 % aller Opfer Frauen und Kinder sind, was im Vergleich zu allen anderen bekannten kriegerischen Auseinandersetzungen der Menschheitsgeschichte geradezu aberwitzig hoch erscheint – die meisten Toten in allen Kriegen sind in aller Regel Männer. Diese Diskrepanz wird durch die Tatsache verstärkt, dass die Hamas selbst angibt, etwa 6.000 Kämpfer verloren zu haben, was 20 % der gemeldeten Gesamtzahl der Opfer entspricht. Was hieße, dass entweder fast jeder Mann in Gaza ein Hamas-Kämpfer ist, oder dass das israelische Militär bei den Männern mit magischer Zielsicherheit nur die Hamas-Kämpfer trifft und so gut wie nie männliche Zivilisten. Oder halt eben: Dass die Hamas sich die Zahlen einfach ausdenkt.

Was bedeutet das für den Umgang mit diesen Zahlen?

Wyner glaubt, dass Folgendes passiert: „Wahrscheinlich hat das Gesundheitsministerium der Hamas willkürlich eine tägliche Gesamtzahl festgelegt. Wir wissen das, weil die täglichen Gesamtzahlen zu konstant ansteigen, um real zu sein. Dann ordneten sie etwa 70% der Gesamtzahl den Frauen und Kindern zu, wobei dieser Anteil von Tag zu Tag zufällig aufgeteilt wird. Anschließend füllen sie die Anzahl der Männer gemäß der vorher festgelegten Gesamtzahl auf. Das erklärt alle beobachteten Daten.“

Letztlich bleibt die genaue Zahl der zivilen Opfer im Unklaren, und der Wyner betont auch, dass sehr wahrscheinlich die Gesamtzahl stark übertrieben ist. Und obwohl diese Diskrepanzen bekannt sind und für jeden sichtbar zutage treten, der einen Blick in die Daten wirft, wird Woche für Woche in den Nachrichten und von Politikern auf die sehr wahrscheinlich frei erfundenen Opferzahlen der Hamas verwiesen. Warum eigentlich?

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