Hamas-Promo stoppen? Ja, sagt der Weltgebetstag der Frauen. Und nein

25th anniversary of Hamas celebrated in Gaza 11 by Hadi Mohammad cc 4.0

Weltweit wird Hamas verständnisvoll gedeutet. Der World Day of Prayer, internationale Frauen-NGO, zeigt sich unschlüssig. Dessen Deutsches Komitee reagiert eindeutig, es hat das BDS-Maskottchen offline gestellt und den Vertrieb des Titelbildes „vorerst gestoppt“. Das Bild betet Blut und Boden an, es sollte Hamas in Hirne pflanzen. Und ist nun in einer Welt, in der es auf Vorbilder trifft. Was sagen die Kirchen zum großen „Ja, aber“? Wir haben nachgefragt.

1969 verstarb im sauerländischen Meschede eine Künstlerin, die –  emanzipiert, selbstbewusst, erfolgreich  –  Vorbild war für Millionen Frauen: Josefa Berens-Totenohl, ein Popstar der Nazi-Kultur. In ihren Romanen und Vorträgen hat sie das „Volkstum“ bedichtet, das „aus einer gemeinsamen Wurzel entstanden“ sei, hat die „Kräfte des Blutes, der Erde“ besungen und in ihnen „die Lebensgesetze eines Volkes“ beraunt, die „unendlich wirken in Zeit und Raum“. Mit ihrer „bluthaft deutschen Kunst“ hat Berens Massenauflagen erzielt, auch nach dem Zusammenbruch der Nazi-Tyrannei wurden ihre Bücher gedruckt und gelesen, sie selber wurde als „minder belastet“ durchgewunken und schließlich als „Mitläuferin“ eingestuft. 1956 erhielt sie den Westfälischen Literaturpreis, vor wenigen Jahren noch waren sauerländische Straßen nach Berens-Totenohl benannt. So zäh haben sich Blut und Boden in Herz und Hirnen verklebt. So tief sind sie im ästhetischen Bewusstsein vergraben, als „minder belastet“ gilt solches Denken bis heute: als arglos, urwüchsig und naturnah, irgendwie feminin. Anders ist nicht zu erklären, wie ein Bild, das Blut und Boden bebetet, zum Titelbild des World Day of Prayer 2024 werden konnte.

Gemalt hat es Halima Aziz, die sich „palestinianartist“ nennt, wie Josefa Berens stammt sie aus dem Sauerland. Und wie Berens verhimmelt sie gebärendes Blut und Mutter-Boden in ihrer Kunst: Wurzelwerke in einem Erdreich, das, von Blut getränkt, blutrote Blumen gebiert, über denen Frauen beten. Was Berens und Aziz gemein ist, sie spiritualisieren Natur, sie mystifizieren das Blut, sie sehen sich von keinem Gott geschaffen, sondern von einer Natur, die rundum gut sei und wahr und anbetungswert. Sie denken sich selber als „der Baum, von dem ich abstamme, stark und widerstandsfähig. Das nährt und stärkt mich.“

Sätze wie die vom Baum, von dem ein „Ich“ abstamme, sollen allen Ernstes am Weltgebetstag im kommenden März in weltweiten Gottesdiensten bedacht werden. Den Mutterboden, von dem Aziz glaubt, dass sie ihm entstamme, kreist sie auf ihren Bildern exakt ein, wieder und wieder malt sie ein „Palästina“ vor Augen, wie es aussähe, wäre Israel eliminiert. Lassen sich andere Lesarten denken? Stefan Dencker wollte Aziz in Köln ausstellen  –  die Ausstellung ist auf Drängen des NRW-Kulturministeriums inzwischen abgesagt  – , er erklärte dem Kölner Stadt-Anzeiger, Aziz gehe es lediglich darum, „die Sehnsucht nach ihrer Heimat vor 1948 darzustellen“. Eine höfliche Deutung, sie scheitert daran, dass Aziz, ein halbes Jahrhundert nach 1948 geboren, beständig den Felsendom in ihre Bilder malt und ihm beständig eine goldene Kuppel aufsetzt. Mit Blattgold verkleidet wurde die Kuppel des Felsendoms 1962. Mag sein, dass Aziz‘ Bilder eine Sehnsucht bezeugen, es ist die nach einer Zukunft, in der es kein Israel mehr gibt und keine Juden: Neben dem Felsendom lässt Aziz gerade noch eine Kirche stehen, das war’s.

„Wenn wir uns eine vermeintlich gute Natur zurechtfantasieren, enden wir in religiösem Kitsch“, sagt Günter Thomas, Professor für Evangelische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum, und fügt hinzu: „Wir enden im Antihumanismus.“

In beiden Disziplinen ist Aziz weit vorn: Am 9. Oktober, als die Horrormeldungen aus Israel im Minutentakt einschlugen, postete sie „I stand with Palestine“, sie stellte sich den Schlächtern der Hamas zur Seite. Deren Blutdurst erklärte sie am selben Tag zum „right to resist“, zum Recht auf Widerstand. Auf wen sie sich einlässt, wenn sie sich der Hamas anschmiegt, war ihr bekannt: 2021 hat sie im “Palestinian Return Center” in London ausgestellt, von bundesdeutschen Behörden wird es seit Jahren als „Hamas-nah“ gewertet und laut NGO-Monitor unmittelbar von Hamas-Aktivisten geleitet.

Halima Aziz auf Instagram: Screenshot vom 11. Oktober 2024

Jetzt hat das deutsche Komitee des Weltgebetstages die Bremse gezogen:

„Der Plakatverkauf ist vorerst gestoppt. Der Vorstand des Weltgebetstags der Frauen – Deutsches Komitee e.V. nimmt die gegen die Künstlerin Halima Aziz erhobenen Vorwürfe ernst. Da die Künstlerin bzw. ihr Bild vom Internationalen Komitee des WGT ausgesucht wurden, ist dieses in die erforderliche Klärung einzubeziehen. Festzuhalten ist: Der Vorstand des WGT- Deutsches Komitee toleriert in keiner Weise eine wie auch immer geartete Unterstützung der Hamas oder eine Verneinung des Existenzrechts des Staates Israel.“

Zuvor bereits hatte der deutsche WGT den Download der „Handala“-Figur von der Website genommen, das als Ausmalbild für den Einsatz im Kindergottesdienst präsentiert worden war: „Handala“ ist das Maskottchen der Massaker wie das des BDS. Eine der drei palästinensischen Frauen, die Texte und Bilder für den Weltgebetstag vorbereitet haben, Nora Carmi, ist BDS-Aktivistin. „Es gibt Methoden und Argumentationsmuster von BDS-Aktivisten und -Aktivistinnen in Deutschland, die antisemitisch sind“, hatte der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 2020 erklärt. Wir haben die Antisemitismus-Beauftragten in den Kirchen der EKD gefragt, wie sie das mit dem WGT sehen. Der WGT ist kirchlich unabhängig, wird aber in kircheneigenen Medien beworben und in kirchlichen Räumen begangen. Kirchen, die für Judenhass hochgeheizt werden?

Eine Absage des WGT, heißt es einhellig, setze ein „falsches Signal“. Die „Konferenz landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden“ (KLAK) plädiert für „Modifizierungen in Liturgie und Begleitmaterial“ und für eine „Kommentierung“ der gottesdienstlichen Liturgie. So auch der Antisemitismusbeauftragte der EKD, Christian Staffa, sowie die Beauftragten der württembergischen, der badischen, der bayrischen und pfälzischen Landeskirche. Aus ihr, der pfälzischen, sagt Stefan Meissner, dass es „eine Zumutung“ bedeuten würde „für die jüdischen Gemeinden“, wenn in den Kirchen die „schwierige Lage der Palästinenser“ erinnert werde, aber die Gräueltaten der Hamas „keine Rolle spielten“. Der Wechsel der Perspektive, den Meissner vollzieht, ist auffallend, der Beauftragte der westfälischen Landeskirche, Ralf Lange-Sonntag, hebt die „doppelte Verbundenheit mit den Menschen in Israel und Palästina“ hervor und dass es „Gewalttaten auf allen Seiten“ gebe: „Wer hier auf Missstände hinweist, ist noch lange nicht Anhänger der Hamas oder Sympathisant von BDS.“

Und wenn doch? Wenn einem eben erst das Maskottchen des BDS untergejubelt worden ist? Ein tief antisemitischer Marker als Ausmalbild für Kinder im Gottesdienst? Dass der WGT das Malbild im „Stürmer“-Stil jetzt aus dem Verkehr gezogen hat, lässt alle kirchlich Beauftragten aufatmen, aber dass und wie dies möglich werden konnte monatelang, darauf geht niemand ein. Kindesmissbrauch? War da nicht was?

Der deutsche WGT weist darauf hin, dass alle Materialien samt Massaker-Maskottchen vom palästinensischen Komitee gekommen seien vermittels des internationalen Komitees (WDPIC). Zum WDPIC ging das deutsche Komitee zuletzt behutsam auf Distanz, man hätte sich „eine klarere Distanzierung von der Hamas als Terrororganisation und ihrer Gewalt gewünscht“, heißt es. Am 13. Oktober hatte das WDPIC mit Sitz in New York „brutale Angriffe auf israelische Zivilisten“ verurteilt, dabei aber so getan, als seien diese „Angriffe“ aus einem Boden gesprossen, wie Aziz ihn malt: Hamas wurde nicht benannt, das Wort Terror nicht bemüht. Stattdessen wirft das WDPIC Israel im gleich folgenden Satz eine „wahllose Bombardierung von Gaza“ („indiscriminate bombing of Gaza“) vor. Ist das die „doppelte Verbundenheit“?

Sie klingt wie ein anhaltendes „Ja, aber“. Eines ohne Glottisschlag. „Doppelte Verbundenheit“ war einmal eine Art Spagat, jetzt ist sie Hüpfburg des Denkens. Jedes ‚Ja, aber‘ verharmlost“, hat Annette Kurschus, die Ratsvorsitzende der EKD, auf der Berliner Soli-Demo für Israel gesagt. Es verharmlost die Tatsache, dass sich die Palästinenser namens Hamas aus der Menschheit herausgeschlachtet haben. „Wir sind zwei Menschheiten geworden“, der Satz stammt von Hans Ehrenberg, er hat ihn 1943 im englischen Exil geschrieben, Ehrenberg war Pfarrer in Bochum, Nazis kannte er nur zu gut.

Zwei Menschheiten und eine doppelte Verbundenheit? Nach dem 7. Oktober fällt den Kirchen die Aufgabe zu, falsche Versöhnung zu verweigern. Jenen Sound, der klingt wie das, was Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei den Vereinten Nationen anstimmen ließ: auf Enthaltung setzen im weltweiten Gespräch und dann „Gesprächskanäle“ andeuten. Immerhin keine Gesprächstunnel, man wird dankbar fürs Kleingeld. Statt solch scheinbarer Verständigung und falscher Versöhnung wäre ein Sound zu finden, der die „Zumutung“, von der Stefan Meissner spricht, an die eigene Adresse richtet. Das ist keine jüdische und keine in Israel, es ist eine christliche und palästinensische. So ist das in den Kirchen nunmal  –  Juden sind nicht drin  –  und so es beim WGT und ähnlich in dieser Gesellschaft, in der Juden eine verschwindende Minderheit sind: Wenn es denn eine „doppelte Verbundenheit“ gibt  –  und eine „besondere deutsche Verantwortung“  – , dann besteht sie darin, den Palästinensern klar zu machen, dass es keine „Rückkehr“ geben wird und keine „Hoffnung auf Rückkehr“ gibt. Dass es keinen „Widerstand“ mehr geben darf und keine Gebete dafür, „widerstandsfähig zu werden“. Dass Blut nur Monster gebiert und keine Blumen. Dass kein Heil aus dem Boden sprießt und Unheil nicht aus dem Acker, wie es bei Hiob heißt: Aus dem Boden, wie Aziz ihn malt, sprießen die Killermaschinen der Hamas.

„Als erste konkrete Reaktion“, so haben es berlin-brandenburgische Kirchenfrauen erklärt, die kirchlichen Antisemitismusbeauftragten haben sich dem großteils angeschlossen, „haben wir das Bild der Künstlerin Halima Aziz zurückgezogen, da sie sich in den sozialen Medien eindeutig hamas-unterstützend geäußert und das Pogrom relativiert hat. Die Suche nach einem alternativen Bild geschieht auch in Verbindung mit dem zentralen Weltgebetstag der Frauen – Deutsches Komitee e. V.“

Ein erster Schritt, der nächste Schritt wäre, sich zu befragen, wie das geschehen konnte: dass, kaum hat man sich Blut-und-Boden-Bilder ins Fenster gehängt, Hamas auftaucht. Was ist da angebetet worden und von wem? Wieso wird religiöser Kitsch verehrt und malerischer Antihumanismus? Welche Sehnsüchte spiegeln sich in einem Bild, das Nazi-Ideologie naturrein covert, nun aber von Frauen weltweit als „Hoffnung auf Rückkehr“ gedeutet werden soll? Psychologisch ist „hope of return“ lächerlich leicht zu erklären, aber theologisch?

Ist Gott Geist, nicht Natur, eine Zumutung.

 

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14. Juli 23: Weltweit beten Frauen für „Palestine 2024“. Für Israelhass gleich mit?

25. Okt. 23: Weltgebetstag der Frauen: Absagen! Keine Gebete für Hamas-Hass

30. Okt. 23: Stellungnahme des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit

04. Nov.23: Weltgebete und Weltoffenheit: Touch Turn Terror

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