Hannelore Kraft und die Chance der SPD zum Sieg in NRW

kraftDie SPD setzt zum Angriff auf die CDU an. Gemeinsam und solidarisch soll die schwarz-gelbe Regierung von Miet-Mich Jürgen Rüttgers (CDU) abgelöst werden. Gut. Der Parteitag in Dortmund war eine Paradeveranstaltung, um den Willen zum Sieg zu beweisen. Aber wie ist es denn, wenn man hinter die Kulissen schaut?

Da ist nicht alles Gold, was glänzt. Zunächst zum Inhalt: Die SPD will mit der Bildungspolitik nach vorne. Das soll der zentrale Baustein des Wahlkampfes werden. Mit diesem Thema soll der Gegner gestellt werden. Die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft verweist in ihrer Rede auf die Defizite in NRW, die vielen Abbrecher, die miesen Kindergärten und die überforderten Schüler. Gut, das ist OK. Leider ist diese Taktik für die SPD gefährlich. Denn ausgerechnet in der Bildungspolitik verbirgt sich das größte inhaltliche Manko im Wahlprogramm der Genossen. Die Gemeinschaftsschule.

Die Bildungspolitiker der SPD haben die aktuellen Probleme zwar alle erkannt. Sie wissen um die Schwierigkeiten und Fallstricke. Sie konnten auch die Partei überzeugen, dass ein Wandel nötig ist. Gerade bei den populären Forderungen wie der Abschaffung der Studiengebühren war das auch einfach.

Allerdings gelang es den Bildungspolitikern nicht, der Parteispitze um Hannelore Kraft beizubringen, für einen radikalen Wandel einzutreten. Die wichtigsten Vordenker der sozialdemokratischen Schulbewegung haben sich den Mund fusselig geredet. Allein, sie konnten sich nicht mit ihrer Forderung nach einer Gesamtschule für alle durchsetzen. Die NRW-Spitze mit Kraft ganz vorne sind überzeugt, mit dem Thema Gesamtschule nicht siegen zu können, deswegen haben sie ein neues Ding erschaffen. Ein Kuchen, an dem viele Konditoren mitgepampt haben, manche auch, die von Bildungspolitik keine Ahnung haben. Die Rede ist von eben der Gemeinschaftsschule.

Im Kern soll in dieses Institut das Lernen in Haupt-, Real-, Gesamtschule und Gymnasium unter einem Dach vereinen. Ein bisschen Gesamtschule, mit dem gemeinsamen Unterricht für alle bis in die 6. Klasse. Ein Wenig Beliebigkeit, mit der Wahl zwischen Turboabi und Abi nach 13 Jahren. Das nenne ich matschig wie Brei, ohne klare Kante. Leistungsträger werden sich verabschieden auf andere Schulen und aus der Gemeinschaftsschule wird eine Resterampe besonderer Art. Statt auf dieses mediokre Projekt zu setzen, hätte die SPD mutig auf die Einführung einer neuen Gesamtschule drängen müssen. Aber egal. Lassen wir die zentrale Bildungspolitische Auseinandersetzung mal außer Betracht. Da können genug Leute besser drüber reden.

Reden wir hier mal vom Wahlkampf: Es wird Hannelore Kraft kaum gelingen, dieses unscharfe Konstrukt einer nennenswerten Zahl von Wählern im Wahlkampf zu erklären. Der politische Gegner allerdings hat alle Leichtigkeit dabei, die Gemeinschaftsschule von Kraft als Gesamtschule im Schafspelz zu verunglimpfen.

Die SPD hat mit dieser Art der Bildungsreform nichts gewonnen, nur der CDU Angriffsfläche geboten.

Ich finde dies bedenklich, weil sich auch hier eine Führungsschwäche innerhalb der SPD offenbart. Statt Maßstäbe zu setzen, an denen sich Wähler orientieren können, verlässt sich Hannelore Kraft auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ihrer Anhänger. Wie das außen wirkt, scheint fast egal.

Damit kommen wir zum zweiten zentralen Punkt des Landesparteitages. Der Spitzenkandidatin. Die Bildungspolitik ist nur ein Beispiel, an dem sich die Schwäche von Kraft in Widerschein ihrer strahlenden Aura messen lässt. Sie gibt keine Führung, sondern lässt ängstlich Abmoderieren. Damit ist sie kaum mehr als ein Mädchen im Vordergrund, hinter deren Rücken vieles möglich wird.

Wie soll das werden, wenn sie mit echten Gegnern zu tun hat? Mit dem Chef des RWE beispielsweise, mit Jürgen Großmann. Ich wette, der Manager atmet einmal ein, dann klebt ihm Kraft quer unter der Nase. Nehmen wir die jahrzehntealten Klein-Braunkohlekessel am Niederrhein. Die alten Kaffeemühlen sollen seit Jahren abgeschaltet werden. Aber sie werden es nicht, weil das RWE sich wehrt.

Wenn Kraft hier Stärke zeigen will, werden die Leute rund um Großmann ihr sehr schnell erklären, dass dann a) Arbeitsplätze bedroht sind, b) Unternehmen abwandern könnten, c) vor dem Düsseldorfer Landtag Demos aufziehen dürften. Ich glaube nicht, dass Kraft dann stark bleibt. Vor allem, weil sie zusätzlich Anrufe von diversen Gewerkschaftern erhalten wird, die ihr erklären, wie Recht Großmann hat.

Dass Großmann bereit ist, Demos zu politischen Zwecken organisieren zu lassen, hat man in Hessen vor der Bundestagswahl gesehen. Dort lies er RWE-Azubis für den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) vor einem Atomkraftwerk aufziehen. Die vielleicht größte politische Leistung seit dem Ende von Winston Churchill. Die organisierte Gewerkschaftsjugend ausgerechnet für Koch zu mobilisieren – das schafft nicht jeder. Vor dieser Leistung dürfte jeder Wahlkämpfer vor Neid erblassen.

Naja, worauf ich hinaus will: Ich glaube, die SPD hat eine gute Chance, die Wahl in NRW zu gewinnen. Ich glaube auch, Kraft ist nicht ganz falsch. Die Menschen sehen die Frau und denken, ach so schlimm ist die gar nicht. Gerade persönlich als Mensch wird sie mit ihrem authentischen Auftreten viele Wähler überzeugen können. Dazu kommt eine immer stärker werdende Partei, die immer besser mobilisiert und immer attraktiver wird. Davor muss man den Hut ziehen.

Ähnlich wie Andrea Ypsilanti wird Kraft deshalb am Ende sehr viele Leute überraschen mit ihrem positiven Abschneiden.

Allerdings wird ihr dabei auch Rüttgers helfen, dem im Wahlkampf noch jede Menge böser Enthüllungen drohen. Allein in den kommenden zwei Wochen stehen dem Mann einige miese Überraschungen bevor, vor denen ich jetzt schon Angst hätte, wenn ich er wäre.

Aber ich sehe auf der anderen Seite die Gefahr, dass Kraft diese Chance der SPD mit einem nicht überzeugenden Programm, wie der Einführung der Gemeinschaftsschule, verschenkt – sei es im Wahlkampf, sei es nach der Wahl in den Koalitionsverhandlungen. Auch im Sieg kann man verlieren.

Und ich glaube leider auch, dass sie keine wirkliche politische Alternative zu Rüttgers ist. Sie ist als Politikerin zu schwach, um eine gute Ministerpräsidentin zu werden. Ich hätte der SPD eine stärkere Kandidatin gegönnt. Auch wenn das jetzt einfach nicht mehr organisatorisch möglich war.

Auf dem Landesparteitag der Genossen haben nur drei Leute gegen Kraft als Spitzenkandidatin gestimmt. Ich vermute, das waren die Leute, die sie am besten kannten.

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Insider
Insider
14 Jahre zuvor

Korrekt.

lebowski
14 Jahre zuvor

„Mit dem Chef des RWE beispielsweise, mit Jürgen Großmann. Ich wette, der Manager atmet einmal ein, dann klebt ihm Kraft quer unter der Nase.“

Naja, solange sie nicht als sein Popel endet.

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[…] Ans Licht gebracht hat das fragwürdige Verhalten der “Spiegel“. Doch verfügen die Blogs Wir-in-NRW und Ruhrbarone über Dokumente, vor allem wohl E-Mails, aus dem Reich Rüttgers. Die Ruhrbarone kündigten an: […]

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