Wann muss das Jobcenter die Kosten für einen Computer oder ein Tablet tragen?
Ruhrbarone: In ihrer letzten Kolumne haben Sie mit dem Hinweis abgeschlossen, das nach jüngsten Urteilen einiger Sozialgerichte die aussichtsreiche Chance besteht, dass das Jobcenter die Kosten für das Tablet oder den Computer für Schüler übernehmen muss.
Ilias Uyar: Die Jobcenter lehnen die Anträge zwar noch ab, die Kosten für einen Computer oder Tablet für die Schule zu übernehmen. So wurden Sozialgerichte in der letzten Zeit immer mehr mit dieser Streitfrage beschäftigt. Die bisherigen Urteile der Sozialgerichte sind sehr ermutigend für Hartz4-Empfänger mit schulpflichtigen Kindern, die einen Computer, Tablet oder Schulbücher für die Schule benötigen. Daher sind hier Eltern und Multiplikatoren aus der sozialen Beratung aufgerufen die Rechte der Betroffenen hier durchzusetzen.
Ruhrbarone: Wieso soll das Jobcenter die Kosten übernehmen?
Uyar: Die Kreidezeit geht auch in der Schule dem Ende zu. In der Schule werden mehr und mehr Inhalte für Schule und Unterricht online bereitgestellt. Dieser Entwicklung kommt die Gesetzgebung nicht nach. Wer auf der Strecke bleibt, sind die Schülerinnen und Schüler aus Hartz4-Haushalten, die kein Endgerät besitzen und auch kein Geld vorhanden ist. Auf die Gefahr hatte schon das Bundesverfassungsgericht 1990 hingewiesen: „Bei schulpflichtigen Kindern, deren Eltern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch beziehen, besteht die Gefahr, dass ohne hinreichende staatliche Leistungen ihre Möglichkeiten eingeschränkt werden, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten zu können. Dies ist mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nicht vereinbar.“
Ruhrbarone: Wie kann es sein, dass dies nicht berücksichtigt ist.
Uyar: Die Digitalisierung der Schule ist in aller Munde. Zudem wird der medialen Kompetenz von Schülerinnen und Schülern immer mehr Bedeutung beigemessen und den Schulen diese Aufgabe zugewiesen. Die problemlose Teilhabe am derart gestalteten Unterricht ist daran geknüpft, dass Schülerinnen und Schüler ein entsprechendes Endgerät zur Verfügung haben.
Angela Merkel hat erst kürzlich zum Tag der Kinderrechte geäußert: „Kinder sollen optimale Voraussetzungen haben, um sich entwickeln zu können, und zwar unabhängig von dem Einkommen der Eltern.“
Zwar hat der Gesetzgeber eine Pauschale für Schülerinnen und Schüler aus Hartz4-Haushalten in Höhe von 100,00 EUR für Schulmaterialen vorgesehen. Die Anschaffung eines Computers, Tablets oder Schulbücher sind in dieser Pauschale jedoch nicht enthalten. Auch vom Regelsatz kann eine solche Anschaffung nicht getätigt werden. In dem regulären Hartz4-Regelsatz für Jugendlichen ab dem 15. Lebensjahr ist die Position Bildungswesen nämlich nur 0,22 EUR monatlich berücksichtigt. Wie soll man davon einen Computer für die Schule kaufen?
Ruhrbarone: Was können Hartz4-Empfänger machen, wenn es an einem Computer fehlt und das Geld für die Anschaffung nicht vorhanden ist?
Uyar: Auch wenn immer mal wieder behauptet wird, dass Hartz4-Bezug nicht Armut ist, sieht die Realität vollkommen anders aus.
Damit Kinder aus Familien, die im Hartz4-Bezug stehen, nicht benachteiligt werden und sich in der Schulklasse keine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Schülern bildet, ist es notwendig, hier aktiv zu werden. Eltern sind daher aufgefordert, die Kosten für den Bedarf eines Computers für die Schule beim Jobcenter zu beantragen.
Ruhrbarone: Das ist für Sie als Anwalt einfacher gesagt. Wie geht das konkret.
Uyar: In der analogen Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II ist die Übernahme der Kosten für Computer, Tablet oder Schulbücher möglich. Das haben die bisherigen Sozialgerichtlichen Entscheidungen gezeigt.
Damit Schülerinnen und Schüler aus Hartz4-Haushalten nicht „abgehängt“ werden, und um eine Praktische Hilfe zu geben habe ich dazu einen Ratgeber geschrieben: „Wann das Jobcenter Schülerinnen und Schülern die Kosten für Computer, Tablet und Schulbücher zahlen muss.“
Dieser 40-Seitige-Ratgeber gibt Betroffenen und Multiplikatoren aus der sozialen Beratung, insbesondere aus Schule, Familienhilfe, Jugendberatung, Migrationsberatung und Arbeitslosenhilfe-Initiativen, einen Überblick mit konkreten Handlungsempfehlungen, wie Hartz4-Empfänger mit schulpflichtigen Kindern unter Berücksichtigung der neusten Rechtsprechung unterstützt werden können. Neben der Erläuterung der rechtlichen Grundlagen für Nichtjuristen enthält der Ratgeber Musteranträge, Checkliste und Handlungsempfehlungen.
Es ist war mir ein Anliegen, durch diesen Ratgeber Multiplikatoren und Betroffene die erforderlichen Grundlagen an die Hand zu geben und Betroffene damit zu bestärken, ihre Rechte gegenüber dem Jobcenter wahrzunehmen.
Hartz4-Ratgeber
Wann das Jobcenter Schülerinnen und Schülern die Kosten für Computer, Tablet und Schulbücher zahlen muss.
Mit Musterschreiben, Checkliste und Handlungsempfehlungen
Von Rechtsanwalt Ilias Uyar
Broschüre:
– 40 Seiten
– Größe: 14,8 x 21 cm
– Stand: November 2018
– Einzelpreis 4,90 EUR zzgl. Versandkosten
– Rabatt auf Bestellungen ab 25 Exemplaren
Bestellungen unter: http://hartz4control.de/
[…] Unabhängig von BuT-Leistungen sollte Beratungsstellen, Eltern und Schüler hieran denken: Sind Schülerinnen und Schüler aus Hartz-Haushalten auf einen Computer, Laptop, Tablet oder auf Schulbücher für den Schulunterricht angewiesen, ohne dass die Schule diese Schulbücher und Geräte bereitstellt, besteht die erfolgsversprechende Möglichkeit, dass das Jobcenter diese Kosten übernehmen muss. Mehrere Sozialgerichte haben den klagenden Eltern bzw. Schülern Recht gegeben und die jeweiligen Jo… […]