Hass und Hetze

Marco Buschmann (FDP), Foto: Roland W. Waniek

Seit der FDP-Politiker Marco Buschmann in einem Interview zum Thema Bürokratieabbau geäußert hat, man könne zum Beispiel das Umweltbundesamt UBA auflösen, sehen die Grünen nicht weniger als das Tor zur Hölle geöffnet. Von unserem Gastautor Ludger Weß.

Die FDP wolle den Umweltschutz abschaffen, habe sich „neoliberal radikalisiert“ und wende sich von den eigenen Wurzeln ab – habe doch der sozialliberale FDP-Mann Genscher das UBA geschaffen. Buschmann, so schrill tönt es aus der Habeck4Kanzler-Blase, lege die Axt an das Überleben des Planeten. Er ist aus grüner Sicht das Fleisch gewordene Totalherbizid, dessen Einsatz die Biodiversität vernichtet und den Planeten im Auftrag der Fossillobby verglühen lässt.

Zunächst zu den Fakten. Buschmann hat lediglich wiederholt, was Christian Lindner schon an anderer Stelle gesagt hatte, nämlich, dass man das Umweltbundesamt wie auch einige andere Behörden abschaffen könne, wenn man deren Aufgaben auf andere verteilen würde („auch ganze Behörden wie das Umweltbundesamt können entfallen, wenn deren Aufgaben auf andere aufgeteilt werden“). Das hört sich schon ganz anders an und es liegt auf einer Linie mit der Forderung von Robert Habeck, man müsse in Sachen Bürokratie die „Kettensäge anwerfen und das ganze Ding wegbolzen“.

Doch es kam nicht nur der Vorwurf der neoliberalen Natur- und Beamtenvernichtungsstrategie. Die FDP zeige damit auch ihr „wissenschaftsfeindliches“ Gesicht und schüre „Hass und Hetze“. Besonders hervor tat sich Jan Philipp Albrecht, ehemaliger grüner Europaabgeordneter, Landesminister und jetzt Vorstand der grünen Parteistiftung: „Was für eine widerliche Hetze“, twitterte er und setzte hinzu: Staatliche Institutionen und deren Beamtinnen und Beamte in solch einer Form verächtlich zu machen – das gehört sich nicht und zersetzt das Fundament unseres Landes zur Freude der Populisten und Extremisten.“ Es gehe ihm nicht um die Abschaffungsforderung, sondern „um die Aussage, das UBA sei keine Behörde, sondern eine staatlich finanzierte Aktivisteneinrichtung. Das ist Hetze. Wenn etwas Hetze ist, dann staatliche Behörden in dieser Form zu verunglimpfen. Das ist völlig verantwortungslos und muss klar benannt werden.“ Starke Worte, hochmoralisch, aber völlig verblendet, was die eigene Partei und deren Aktionen angeht.

Denn Buschmann ist mit seiner Bezeichnung „Aktivisteneinrichtung“ ein Anfänger, was die Verunglimpfung staatlicher Behörden angeht. Die Grünen können ganz anders: Sie unterstellten einer Behörde mal eben nicht nur, „industriegesteuertes Aussortieren kritischer Studien“ und „Konzernlobbyismus“ zu betreiben, sondern sogar bestechlich zu sein. Sie suggerierten der Öffentlichkeit, eine Behörde habe „Geld von Bayer“ genommen, beschuldigte sie, “Tiraden“ zu verfassen, „voreingenommen“ zu sein, „Persilscheine“ an die Industrie zu verteilen und, statt zu informieren,  „Akzeptanzbeschaffungsprojekte“ und „Gentechnikwerbeveranstaltungen“ zu organisieren. Die Behörde, spottete der grüne Agrarminister Meyer, sei „natürlich unabhängig, die BILD-Zeitung hat das aber auch im Titel.“

Die Rede ist vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), eine Einrichtung, die nun ausgerechnet von der grünen Agrarministerin Renate Künast geschaffen wurde. Die Grünen, allen voran Harald Ebner, Christian Meyer, Renate Künast und Martin Häusling, von denen die Zitate im vorigen Abschnitt stammen, haben in den letzten zehn Jahren auf Landes-, Bundes- und Europa-Ebene nichts unversucht gelassen haben, diese Behörde zu diskreditieren. Denn anders als das weisungsgebundene UBA ist das BfR unabhängig und gegen politische Einflussnahme nahezu wasserdicht abgeschottet. Genau diese Unabhängigkeit war damals das Ziel von Künast, die während des Ausbruchs der Rinderseuche BSE gesehen hatte, wie erratisch und unkoordiniert die einzelnen Ressorts arbeiteten und wie sehr sie zum Spielball von allerlei Lobbygruppen wurden.

Zum Bumerang und Ärgernis wurde die Unabhängigkeit des BfR für die Grünen dann allerdings, als es deren Position in Sachen Glyphosat nicht teilen wollte. Es begann 2015 mit der so genannten Muttermilchstudie, die die grüne Fraktion veröffentlicht hatte und die angeblich belegte, dass in Muttermilchproben aus sämtlichen Regionen des Landes Glyphosatrückstände zu finden seien, und zwar in allen (die Original-Pressemitteilung ist im Netz nicht mehr zu finden). Das sei in höchstem Maße skandalös und müsse zu einem Sofortverbot des Mittels führen. Das BfR prüfte nach und stellte fest, dass das von den Grünen beauftragte Prüflabor einer bekennenden Anti-Glyphosat-Aktivistin eine völlig ungeeignete Testmethode angewandt hatte. Zwei vom BfR beauftragte akkreditierte Prüflabore untersuchten eine sehr viel größeren Anzahl von Proben, mit dem Ergebnis, dass nicht eine einzige (!) Probe Glyphosat oder Glyphosatrückstände enthielt (Link zur Studie hier). Die Grünen zogen zähneknirschend ihre Behauptungen und Pressemitteilungen zurück, nicht ohne in den Rückzugsgefechten wahrheitswidrig zu behaupten, das von Ihnen beauftragte Labor hätte eine viel sensitivere Methode angewandt.

Der nächste Ärger kam, als das BfR 2016 Glyphosat anlässlich der Debatte um die Wiederzulassung für unbedenklich befand. Grüne Parlamentarier versuchten, BfR-Präsident Andreas Hensel lächerlich zu machen („.@BfRde-Chef Hensel im @DerSPIEGEL: Möhren besser im Klo waschen als in der Spüle,  #Glyphosat: kein Hinweis auf schädliche Nebenwirkungen“ (Harald Ebner, MdB) – „Laut BfR können Sie kübelweise Glyphosat trinken.“ (Christian Meyer, damals wie heute Landwirtschaftsminister in Niedersachsen ). Fraktionen und Abgeordnete initiierten Petitionen, Demonstrationen und Pressekampagnen (eine schöne Zusammenfassung findet sich hier), um das „Merkelgift“ (Ebner) dennoch zu verbieten und verlangten im Bundestag in einer kleinen Anfrage die Herausgabe der Namen aller an der Glyphosat-Evaluierung beteiligten BfR-Mitarbeiter. Sie wollten ihnen hinterher recherchieren, so wie sie es in ihrer Anfrage bereits mit einem Abteilungsleiter und einem weiteren Beschäftigten taten, um Ihnen nachweisen zu können, dass sie mit der Industrie verbandelt seien („Ist der Bundesregierung von Dr. R. P. eine Zusammenarbeit mit industrienahen Organisationen oder mit den entsprechenden Unternehmen bekannt?“).

 

Doch da wurde ihnen ihre eigene Kampagne gegen das BfR zum Verhängnis. Die war bereits emotional so aufgeheizt, dass mehrere BfR-Mitarbeiter Morddrohungen erhalten hatten. Die Bundesregierung stellte sich daher schützend vor die Behörde und verweigerte die Veröffentlichung der Namen.

 

Der nächste afuera-Versuch kam, als das BfR 2017 Glyphosat kein Krebsrisiko attestierte, wie es der Herzenswunsch der Grünen war: „Der Wirkstoff ist als nicht krebserregend einzustufen. Es gibt keine Untersuchung, die das Gegenteil belegt.“ Diesmal fuhren die Grünen härtere Geschütze auf. Gemeinsam mit der NGO Global 2000 erhoben sie den Vorwurf, das BfR habe seine Beurteilung von der Industrie abgeschrieben. Die Grünen schäumten vor Wut (»Das haben Profis gemacht. Aber nicht die Profis vom @BfRde, sondern die Profis von Monsanto«). Der grüne Europa-Abgeordnete Martin Häusling schrieb von einer „Abschreibe-Übung“: das BfR, so Häusling weiter, „übt sich in Solidarität mit dem Agrokonzern Monsanto“. Er forderte: „Die europäischen Institutionen müssen das BfR – ganz so wie die Monsanto-Lobbyisten [gemeint war BfR-Präsident Dr. Andreas Hensel] –  ebenfalls vor die Tür setzen.“

 

Auch als das BfR die Vorwürfe zurückwies und seine Arbeitsweise erklärte, gaben die Grünen keine Ruhe und setzten ihre Kampagne gegen das verhasste BfR fort. Ihre europäischen Fraktion engagierte gemeinsam mit den Europafraktionen der Linken und der Sozialdemokraten einen Plagiatsgutachter, der die Sachlage und die Arbeitsweise des BfR ignorierte und in seinem Gutachten (gemeinsam mit Global 2000) den Vorwurf bestätigte, die Wissenschaftler des Instituts hätten die Industriedossiers abgeschrieben. „Das Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt schlicht bei Monsanto ab, die Plagiate sind völlig inakzeptabel“ verkündetet Maria Heubuch, MdEP der Grünen 2019. Auch das wurde ein Bumerang, weil derselbe Plagiatsgutachter später ein Buch der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auseinandernahm und ihr an 100 Stellen nicht ausgewiesene Plagiate aus anderen Veröffentlichungen nachwies. Da wurde ihm bei grünen Politikern sehr schnell „Rufmord“ vorgeworfen.

 

Messen mit zweierlei Maß ist bei Politikern und Parteien weit verbreitet. Doch nirgendwo klaffen der Anspruch an andere und das eigene Handeln so weit auseinander wie bei den Grünen, die sich die Orientierung an Wissenschaft sowie an „Respekt, Würde und Anstand“ (Renate Künast in ihrer Abschlussrede) auf die Fahne geschrieben hat. Man kann sicher sein, dass weder Jan Philipp Albrecht noch sonst ein grüner Politiker die Vorwürfe gegen Buschmann zurücknehmen oder sich für ihr eigenes Vorgehen gegen das BfR als Institution, gegen den BfR-Präsidenten oder gegen seine Mitarbeiter entschuldigen werden. Aus grüner Sicht war das alles nur berechtigte, sachliche Kritik, so wie es Renate Künast in ihrer Abschiedsrede formulierte: „Hart in der Sache, sich nicht lustig machen. … Suchen Sie mal etwas, wo ich jemanden persönlich runtergemacht habe. Und das werden sie nicht finden. Und das, finde ich, ist unser Anspruch.“

 

Und genau das ist es, was so viele Menschen an den Grünen abstößt: Der hehre moralische Maßstab, der an andere angelegt wird, wird nicht nur selbst nicht eingehalten, sondern das eigene Fehlverhalten wird noch zur Supermoral überhöht. Hass und Hetze, das verbreiten immer nur die anderen. Was für eine Bigotterie!

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