In jeder fünften Stadt und Gemeinde in Deutschland sind Mitarbeiter oder Amtsträger Opfer körperlicher Gewalt im Amt geworden. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Magazins Kommunal im Auftrag des ARD Politmagazins Report aus München. Demnach hat sich die Zahl der Gewaltattacken innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Im Jahr 2019 gaben bei einer gleichen Erhebung des Magazins neun Prozent aller Kommunen an, dass Bürgermeister, Mitarbeiter oder Gemeinderäte angegriffen wurden, jetzt sind es 20 Prozent. Ähnlich wie damals sind Bürgermeisterinnen und Bürgermeister besonders häufig betroffen. „9 Prozent der gut 11.000 Stadtoberhäupter in Deutschland hat Gewalt bereits am eigenen Leib erfahren müssen“, erläutert Kommunal-Chefredakteur Christian Erhardt die Ergebnisse. Immer wieder werden auch Stadt- und Gemeinderäte sowie Verwaltungsmitarbeiter von Bürgern körperlich angegriffen. „Selbst in kleinen Gemeinden liegt dieser Wert bei 8 %, in Großstädten sogar bei 32 %“, erläutert der Chefredakteur. Jeder zweite betroffene Bürgermeister wurde demnach bereits mehrfach angegriffen.
„Sieben von zehn Kommunen haben zudem mit persönlichen Beleidigungen und verbalen Drohungen zu kämpfen“, so Erhardt. Hinzu kämen Hassmails, Beschimpfungen in sozialen Medien und Briefe mit konkreten Drohungen. „Auch im persönlichen Gespräch rasten immer mehr Bürger aus. In Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern haben fast 80 Prozent der Mitarbeiter solche Situationen schon erleben müssen“, so Erhardt. Aber selbst in kleinen Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern liege dieser Wert bei 58 Prozent. Kommunal hatte mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa in der Zeit vom 19. Februar bis zum 2. März insgesamt 2494 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Deutschland befragt. Es ist damit die umfangreichste und ausführlichste Analyse zum Thema Hass und Gewalt gegen Kommunalpolitiker, die es je in Deutschland gab.
„Wegen der Anfeindungen wollen immer mehr Bürgermeister ihr Amt nicht weiterführen“ erläutert Erhardt die Auswirkungen der Hasswelle gegen Kommunen. 29 Prozent der befragten Bürgermeister hätten erklärt, bei der nächsten Wahl nicht erneut antreten zu wollen. „Viele treten natürlich auch aus Altersgründen oder aus gesundheitlichen Erwägungen ab. Immerhin fünf Prozent der Bürgermeister nennen aber konkrete Anfeindungen oder Bedrohungen als Grund für ihre Entscheidung, nicht erneut für das Amt kandidieren zu wollen“, fasst Erhardt die Ergebnisse zusammen. Der grundsätzliche Umgang miteinander beziehungsweise die verrohte Diskussionskultur im Alltag ist für weitere 9 % der Bürgermeister ein wichtiger Grund, nicht erneut zu kandidieren. „Es gilt: Je kleiner die Gemeinde, desto größer der Anteil der Bürgermeister, die ans Aufhören denken. Es droht uns flächendeckend ein Kollaps im politischen Ehrenamt, denn genauso wie Bürgermeister sind immer häufiger auch Gemeinderäte betroffen“, fasst Erhardt die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage zusammen.
Quelle: www.kommunal.de
Eine wirklich traurige Entwicklung. Aber immer wenn ein Fass von über Jahrzehnten anwachsenden und verdrängten Missständen plötzlich überläuft, sind die Folgen unkontrollierbar und selten hilfreich.
Hier müssen Menschen die opportunistischen Fehler der Bundes- und Länderpolitik ausbaden, die gar nichts dafür können und nun die Wut auf der Suche nach Schuldigen zu spüren bekommen, einfach weil sie greifbar sind.
Diese Fehler werden sich nicht schnell beseitigen lassen, schon gar nicht, wenn die Einsicht dafür gar nicht vorhanden ist.
Da bleibt nur rigorose Strafverfolgung auf kurze Sicht und falls nicht doch noch Einsicht kommt, auf lange Sicht die Gewöhnung an eine höheres persönliches Risiko für Politiker, wie wir es z.B. von den USA kennen.
"auf lange Sicht die Gewöhnung an eine höheres persönliches Risiko für Politiker, wie wir es z.B. von den USA kennen."
Gibt es das denn dort? Mir kommen die USA eher entspannter vor, da der Bürger dort viel mehr Mitwirkungsmöglichkeiten hat. Alle möglichen Positionen sind Wahlämter und Volksabstimmungen gibt es seit Jahr und Tag auf Ebene der Bundesstaaten, das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre neu gewählt und Listenplätze gibt es nicht.
Und trotzdem kommt es immer mal wieder in den USA zu Fällen von bewaffneten Widerstand gegen Behörden und manchmal sogar stehen sich verschiedenen Behörden sogar mit gezogenen Waffen gegenüber. Das ist, auch wenn es nicht alltäglich ist, eine andere Qualität als bei uns.
Ach so, ja die Gewaltkriminalität ist dort allgemein höher als hier aber wenn sich dort verschiedene Behörden sogar mit gezogenen Waffen gegenüber stehen würde das grade in Deutschland riesige Schlagzeilen machen. Oder übersehe ich da was?