Umgeben von einer zugemalten Welt, suchte Heinz Mack sein Heil in der unberührten Natur, eroberte den Himmel und erhöhte das Licht zur Entgrenzung herkömmlicher Raumvorstellungen. Die Elemente Luft, Feuer und Wasser wurden ihm Medien im Kampf um die Wirklichkeit hinter den Klischees, die unsere Welt einzäunen. Ein Nullpunkt bezeichnete den Anfang: Zero.
Doch es gab für den Künstler ein Davor, einen Weg, der ihn direkt zu diesem unermesslichen Spielfeld führte. Als Kind auf dem Land nahm er mit allen Sinnen Strukturen der Natur auf, die seine Sichtweise prägten und sich im späteren Schaffen als Muster wiederfinden.
Um Macks avantgardistische Anfänge angemessen würdigen zu können, hilft ein Blick in die bundesdeutsche Kunst der Nachkriegszeit, die heiß lief im Bemühen, wieder zur internationalen Moderne aufzuschließen, nachdem seit 1933 nationalsozialistischer Realismus das ästhetische Maß vorgegeben hatte. Ewald Mataré, Macks Lehrer an der Kunstakademie Düsseldorf, verkörperte den Typus des Meisters moderner Bildhauerei, Mack erweiterte nach seinem Abschluss 1953 und einem Philosophiestudium in Köln bis 1958 das künstlerische Betätigungsfeld um die Wirklichkeit des Vorgestellten, Ungreifbaren. Licht und Raum verbanden sich in seinen Landschaftsprojekten, Skulpturen, Refliefs, kinetischen Arbeiten und in seiner Malerei und Malerei sowie kinetische Arbeiten mit geerdeten Strukturen, die er in neuartigen Materialien erprobte.
Aus Anlass seines 90. Geburtstag richtet das Museum Kunstpalast Düsseldorf dem greisen Künstler derzeit eine große Ausstellung mit einer Auswahl von hundert Arbeiten seines frühen Schaffens aus.
Die erhellend gestaltete Schau beeindruckt durch raumgreifende Ensembles ebenso wie durch selten gesehene Fotografien und Zeichnungen des jugendlichen Mack. Da erkennt der Betrachter die Jahresringe eines gefällten Baums in der Oberfläche von Bühnenraum-Elementen wieder, Schilfgras, fließend wie Haar, Ackerfurchen und hohe Fichtenstämme in Reih und Glied, allesamt einst fotografierte Naturformen, werden in dreidimensionale Kunstwerke aus Kunst-Stoffen verwandelt.
Offensichtlich blieb Mack zwischen 1950 und 1970 nicht unbeeindruckt von der in den USA aufkommenden Land-Ar. So in den Jardins artificiels (1958 bis 1975), die aus Sandreliefs, Kuben, Spiegeln, Flügelreliefs, Segeln, Fahnen und monumentalen Lichtstelen bestehen und nichts weniger wollen, als Leben und Kunst wieder zu vereinen. Im Jahr 1968 entstand der viel beachtete und prämierte Film „Tele-Mack“.
„Zero ist schön. Dynamo dynamo dynamo. Die Bäume im Frühling der Schnee. Feuer, Wasser, Meer“, heißt es im Zero-Manifest, das Heinz Mack und Otto Piene formulierten. Drei Jahre später trat als Dritter im Bunde Günther Uecker hinzu.
Mit Ensembles wie Rondo (1963/64), einer Art monumentalem Mobile, knüpft Mack 1963/64 an die schon ein halbes Jahrhundert alte abstrakten Skulptur an, erweitert Körper um den Einklang von Bewegung und Klang und rhythmisiert den Raum mittels Wabenmustern auf glänzenden, spiegelnden Materialien wie Aluminium. „Licht ist für mich ein immaterilles Medium, das materielle Gegenstände in immaterielle Erscheinungen verwandeln kann“, so Mack, dessen Lichtdynamo aus dem Jahr 2009 bezeugt, wie er Grundideen fortwährend weiterentwickelt.
Als Vollblut-Abenteurer brach der Künstler früh auf zu Reisen in Weltgegenden, die das Gegenteil amöner Landschaften sind: Wüsten aus Sand und Eis, die er wie den Himmel und das Meer als Reservate bezeichnet. Aber auch sein zweijähriger Aufenthalt in New York schlug sich in Arbeiten wie den seriellen Licht-Instrumenten nieder, die er aus den lichtbrechenden, spiegelnden Werkstoffen der Flugzeug- und Raketenindustrie entlehnt und ummünzt .
Wie ein Vorgriff auf die aktuellen Digital Walls muten manche seiner Bühnenbilder an: von Scheinwerfern angestrahlte spiegelnde Wellen, Schachtelungen und Kugelstrukturen. Macks Reflektorenwand steht als Huldigung an grandiose Natur auf einer Sanddüne.
In diesen Pandemie-Zeiten trifft seiner Erkenntnis, dass Kinetik nicht das ist, was sich bewegt, sondern die Erlangung des Bewusstseins von der Instabilität des Wirklichen, den Nagel auf den Kopf.
Die Ausstellung läuft bis 30. Mai.
Am morgigen Samstag, 24. April, von 16 bis 17.30 Uhr spricht Gülcan Nitsch, Biologin und Geschäftsführerin der Umweltorganisation Yeşil Çember (Grüner Kreis) via Zoom mit der Kunstvermittlerin Nicole Oversohl über die Verbindung von Kunst und Natur.
Ohne Gebühr. Link zur Registrierung unter www.kunstpalast.de