In Köln sollte auf dem Helios-Gelände ein Einkaufszentrum entstehen. Dagegen regte sich Bürgerprotest. Wie es aussieht mit Erfolg. Im Ruhrgebiet undenkbar.
Werkstätten, das Underground, ein paar Geschäfte, Proberäume für klassische Musiker und viel Nichts. Das Helios-Gelände in Kölner Stadtteile Ehrenfeld bietet eine Menge Chancen. Hier hat der Stadtteil Platz, sich zu entwickeln. Das dachten sich auch das Immobilienunternehmen Bauwens und die Essener MFI, ein Betreiber von Einkaufszentren. Sie wollten auf dem 4o.000 Quadtratmeter großen ehemaligen Fabrikgelände einen Citykiller bauen – ein Einkaufszentrum, dass das Zeug gehabt hätte, den gewachsenen Einzelhandel in dem Quartier und weit darüber hinaus zu zerstören.
Dagegen regte sich Protest. Was nicht ungewöhnlich ist. Die Stadt und die Investoren suchten das Gespräch mit den Bürgern. Was auch nicht ungewöhnlich ist. Das ungewöhnliche kommt jetzt: Nach einer ersten Arbeitswerkstatt, bei der alle Beteiligten zusammenkamen, scheint es so, als ob der Dialog nicht nur eine Showveranstaltung war, sondern die Stadt und auch der Investor auf die Bürger zugehen. Die wollen kein Einkaufszentrum auf dem Gelände, sondern eine bunte Mischung aus Wohnen, Kultur und Bildung, Grün – ein paar Geschäfte stören da nicht, sollen aber nicht im Fordergrund der Planung stehen.
Solche Veranstaltungen gibt es auch im Ruhrgebiet: Die Bürger kommen zusammen, werden informiert, es wird ein wenig diskutiert und das war es dann. Ein offener Dialog mit den Anwohnern über die Planung ihres Stadtteils? Im Ruhrgebiet undenkbar. Niemand hat in Stoppenberg und Katernberg die Menschen gefragt, was denn aus dem Zollverein-Gelände werden soll. Oder aus der ehemalige Thier-Brauerei in der Dortmunder Innenstadt, auf dem jetzt ein Einkaufszentrum steht. Und niemand kommt in Bochum ernsthaft auf die Idee, die Bürger zu fragen was, mit dem Landgerichts-Areal werden soll. Das ein Einkaufszentrum, von ECE betrieben, dort hinkommen wird, ist so gut wie sicher. Es wird noch eine kleine Show abgezogen, aber der Einkaufszentrumsbetreiber ECE wird dort bauen – und die Bochumer Innenstadt wahrscheinlich vernichten.
Nun wundere ich mich, dass es dagegen kaum Widerstand gibt. Gerade die Bochumer Stadtplanung war in den vergangenen Jahrzehnten verheerend: Nach dem Krieg wurde ein Großteil der noch erhaltenen Altbauten ohne Not abgerissen und die Stadt benannte nach dem Verantwortlichen, Clemens Massenberg, sogar noch eine breite Straße in der Innenstadt, die sie „Boulevard“ nennt.
Das Stadtbad wurde abgerissen und durch ein floppendes, kleines Einkaufszentrum, die Stadtbadgalerie, ersetzt, der U-Bahn Bau verschlang viele Millionen und dünnte das einstmals dichte Straßenbahnnetz aus und schon in den sechziger begann die Stadt gegen die Innenstadt Krieg zu führen – mit dem Bau des Ruhrparks, einem gigantischen Einkaufszentrum, das Kaufkraft aus der City absaugr. Nein, die Bochumer Stadtplaner der letzten Jahrzehnte haben sich nicht gerade als allzu gewitzt erwiesen. Und auch daran hat sich nichts geändert: Sollte das Einkaufszentrum kommen, werden die Folgen verheerend sein.
Dabei stehen die Chancen, über die Landgerichtsfläche zu diskutieren nicht schlecht: Der Großteil des Areals gehört dem Land. Politischer Druck könnte da für mehr Offenheit für neue Ideen sorgen. Und Bochum, eine Stadt die in den kommenden Jahrzehnten weiterhin massiv Einwohner verlieren wird, braucht keinen Ausbau seiner Einzelhandelsflächen, sondern müsste sich überlegen, wie es seine Innenstadt lebenswert macht – auch in Abgrenzung zu den großen Nachbarn Essen und Dortmund. Doch anstatt in so eine Richtung zu denken. kopiert man lieber deren Fehler.
Warum regt sich in Bochum, anders als in Köln, kein Widerstand gegen die aberwitzigen Einkaufszentrumspläne? Dafür gibt es wohlmöglich zwei Gründe: Den meisten hier wird gar nicht in den Sinn kommen, dass es zu den Plänen der Stadt Alternative geben könnte. Auch wenn die Stadt seit Jahren ein Planungsdesaster nach dem anderen fabriziert hat. Der andere Grund ist übler: Den meisten ist egal, wie sich ihre Stadt entwickelt. Sie haben sie längst aufgegeben. Das ist für die Politiker und Planer im Moment bequem – auf lange Sicht ist es das deutlichste Zeichen für den Untergang einer Stadt, das man sich vorstellen kann. Das ist vielleicht der wichtigste Unterschied zwischen einer erfolgreichen Stadt wie Köln und einer Verlierer-Stadt wie Bochum.
In Köln diskutieren sie mit den Bürgern was auf dem Helios-Gelände passieren soll und es könnte durchaus sein, das dort kein Citykiller gebaut wird. In Bochum wird ein wenig Theater gemacht und dann darf ECE die Innenstadt ruinieren. Und klar, in ein paar Jahren wird Bochum um Geld zur Stadterneuerung betteln und so tun, als ob sich alles ganz überraschend negativ entwickelt hat. Ich hoffe, die Stadt bekommt dann keinen Cent…
In Essen hat man bei einem stark umstrittenen Konzept, der Bebauung der „Grünen Harfe“, zu einem Moderationsverfahren gegriffen und es hat zu einem Ergebnis geführt. Jetzt will man es öfters machen. Auch die Entwicklung des neuen Universitätsviertels geht auf ein solches Verfahren zurück und jetzt soll auch ein benachbartes Stadtquartier als Experimentierquartier entwickelt werden – also ganz freigegeben werden. Behutsam lernt es also die Planungsverwaltung und der Rat. Das kann dauern. Wird sich aber mehr und mehr verbreiten.
Bochum ist also nicht das Ruhrgebiet – und Köln war bis vor kurzen eher für Geldmafiabauwensoppenheimeschblbskandal bekannt. Aber anscheinend kennen Sie sich nur im östlichen Ruhrgebiet aus, wenn man hier Ihre Artikel verfolgt 😛
@Erdgeruch: Für das Univsreitätsquartier in Essen gibt es seit Jahrzehnten viele Pläne – und es gab eine Bürgeridee, mitgetragen von der Barbara Mettler-Meiboom. Aber das ist alles sehr lange her. An der Frage „Berliner-Platz“, das man im Zusammenhang mit dem Universitäts-Viertel sehen muss, waren die Bürger nicht beteiligt. Und das war der planerische Sündenfall der Stadt.
Ich bin jedenfalls sehr froh, dass mein neues Zuhause das auf die Reihe zu kriegen scheint. Zumindest zeigen sie sich lernfähig. Vor allem, da Freunde direkt aufm Helios-Gelände ihr Atelier haben bin ich sehr interessiert an der ganzen Sache.
Stefan, ich habe vor Jahren in vielen Städten in Deutschland -von Pinneberg bis Sonthofen-an Bürgerforen teilgenommen, z.B.dann, wenn es in der Stadt darum ging, gemeinsam -Bürgerschaft,Politik,Verwaltung (kommunale Verantwortungsgemeinschaft) nachzudenken über Entwicklungsziele bis 2030. Dabei ist mir aufgefallen, daß das Mitmachenkönnen die Menschen hier im Ruhrgebiet relativ wenig zu interessieren schien. Ich habe dabei im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland zudem oft die notwendige Offenheit und Unbefangenheit in der Diskussion seitens der Bürger vermißt. Die jeweils anwesenden Kommunalpolitiker und Kommunalbeamte fielen mir vor allem dadurch auf, daß sie stets weniger an den Gedanken, den Vorschlägen der Bürger interessiert schienen -und das für die Bürger spürbar gezeigt haben-, sondern ehe daran, kraft Mandates/kraft Amtes die Gespräche zu dominieren.Das waren seinerzeit sehr subjektive Wahrnehmungen , an die ich mich durch Deinen Beitrag erinnert fühle; sh.:“Den meisten hier wird wohl gar nicht in den Sinn kommen…..“ und „den meisten ist es egal……..“ und „….für Politiker und Planer bequem…..“. Ich denke, daß es zu den Aufgaben von Politik und Verwaltung in den Kommunen hier bei uns gehört, im politischen Alltagsleben permanent zu versuchen, das Interesse der Bürger für die Belange der Kommune, z.B. für das „Mitmachen“ bei der Erschließung industrieller Altstandorten, zu wecken und ihr Engagement zu fördern und zu fordern. Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten und Mittel. Wenn OB Ottilie Scholz in Bochum nun erstmalig in Sachen Finanzen ein Bürgerforum durchgeführt hat, zeigt das doch, daß wir auch im Ruhrgebiet zumindest versuchen können, die Bürger mehr als bisher am kommunalen Willensbildungsprozeß zu beteiligen. Selbst wenn die ersten Schritte in die richtige Richtung hier und da noch etwas wackelig wirken sollten, besteht doch berechtigter Anlaß anzunehmen, daß sie von Ereignis zu Ereignis „fester werden“. Politik und Verwaltung müssen allerdings dieses bürgerschaftliche Mitmachen aus Überzeugung wollen und das tatkräftig und glaubwürdig beweisen.Ob die Bürgerschaft im Ruhrgebiet dann mehr als bisher ihre Chance zum Mitmachen wahrnehmen wird? Warum eigentlich nicht.
Auch die Bochumer Piraten möchten kein „autistisches“ Center – davon gibt es schon genug! Mehr Wohnen in die Stadt – denn gerade wir sind ja von Einkaufsstädten umzingelt. Ausserdem, wieso ein Shoppingcenter bauen, wenn man Eventeinkaufen, wie die seltenen Sonntagsöffnungen boykottiert…
https://piratenbochum.de/2011/12/16/unsere-positionen-zur-entwicklung-des-quartiers-viktoriastrase-city/