Helmut Roewer jetzt in der Querfront

220px-Bundesamt_für_Verfassungsschutz_Logo.svgMan könnte den Herren mittlerweile vielleicht ganz einfach ignorieren, wenn er nicht immer wieder derartige Aktionen bringen und dadurch ehemalige Spekulationen wiederbeleben müsste: Der vor 15 Jahren suspendierte Präsident des Verfassungsschutzes Thüringen, Helmut Roewer schreibt am Dienstag für das rechts-esoterische Querfront-Magazin compact über die katastrophalen deutschen Zustände dank „Flüchtlingsdesaster” und erzählt außerdem zwei mutige politische Witze, weil sie für ihn das „Ventil des Zorns” seien.

Asylforderer immer dreister: Staatsbedienstete sind wütend” titelt das dubiose Medium unter Jürgen Elsässer, welcher bekannt dafür ist, hobbymäßig in Kreisen zu verkehren, die in Verfassungsschutzberichten Erwähnung finden und die Souveränität des deutschen Staates anzuzweifeln. Einleitend für den rassistischen und journalistisch nebenbei höchst zweifelhaften Gastbeitrag wird sein neueres Sektenmitglied dennoch mit sehr viel Stolz vorgestellt, als „langjähriger Chef des Verfassungsschutzes in Thüringen” – und dieser hätte „Stimmen aus Polizei, Sicherheitsdiensten und Hilfsdiensten gesammelt, die ein ungeschminktes Bild von der Wirklichkeit zeichnen.”  

In seinem Texte wirft Roewer Angela Merkel persönlich vor, dass sie nicht dazu kam, einen offenen (Pegida-nahen) Brief des Autors Gerd Schultze-Rhonhof zu beantworten. Schultze-Rhonhof, der u.A. die deutsche Kriegsschuld anzweifelt, habe Roewer „als ernsten und ernsthaften Gesprächspartner kennengelernt“. Empört darüber, dass dies der Kanzlerin nicht Anlass genug ist, um auch diesem minderhirnigen Deutschland-Liebhaber die deutsche Verfassung zu erklären, beschloss Roewer, den Brief an seine Freunde weiterzuleiten und sich „mit jedem sachlichen Argument ernsthaft auseinanderzusetzen”.

Dieses „ungeschminkte Bild”, von welchem oben Rede ist, ist daher auch keineswegs ein Neues: Angeblich würden – unbemerkt, aber direkt vor unseren Augen – zahlreiche Lehrerinnen, Supermarktkassierer und Polizisten bestochen, um Flüchtlingen auf Kosten gebürtiger Deutscher zu einem Leben voller Luxus und Champagner zu verhelfen. Wenn sie im Supermarkt klauen, würde man wegsehen und wenn sie nicht genug Kohlenhydrate kriegen, würden sie ausrasten. Es wundert ihn außerdem die Arbeitsteilung deutscher Behörden, so etwa, dass Polizisten es nichts angeht, wie viel Bargeld ein Mensch mit sich führt.

Während der Autor noch vor rund drei Jahren ein Buch veröffentlichte, das den Zweck verfolgte, deutlich zu machen, wie in Wahrheit die Polizei sein persönliches Versagen als Verfassungsschützer zu verantworten hätte und wie das Nazi-Problem im Osten eben unwiederbringlich außer Kontrolle geriet, lässt er hier einen weiteren Bereitschaftspolizisten zu Wort kommen, der – zumindest die Stadt Erfurt, Thüringens Landeshauptstadt betreffend – das exakte Gegenteil beschwört. Die Angaben zu Demonstranten und Gegendemonstranten seien stets grob verfälscht und die „von den Medien als Nazi-Sympathisanten beschimpften Demonstranten” selbstverständlich „friedliche Leute, von denen keinerlei Störung der öffentlichen Sicherheit ausgeht”. Und dann zitiert Helmut Roewer – der angeblich zuvor „nicht ahnte”, was er mit seiner Initiative „los trat” – noch einen Richter aus dem Ruhrgebiet: „Ein Syrer, ein Libanese und ein Sudanese sitzen nachts in einem Auto. Wer fährt? Antwort: Die Polizei.” Findet er allem Anschein nach amüsant.

Gar nicht amüsant ist, dass die Fortschritte im NSU-Untersuchungsausschlusses, dessen Beginn einst seinetwegen scheiterte, gleichbleibend rar sind. Ebenso unlustig darf man finden, dass man zur Zeit dieses terroristischen Schaffens einen Mann mit derartigen Ansichten und Verschwörungsideologien mit der Aufgabe betraute, die Berücksichtigung der deutschen Verfassung in politischen Randgruppen zu überwachen. Gerade mal „grotesk” nannte man seine Alkohol-Ausreden damals. Und niemandes Humor wäre schwarz genug, um ein witziges Bonmont darüber zu formulieren, dass dieser Mensch sich heute vollkommen frei und ohne jedes Schuldbewusstsein mit Leuten anfreundet, die eine Verfassung nicht anerkennen, wenn sie Grundgesetz heißt und daraus auch noch folgern, dass ein EU-Mitgliedsstaat in Wahrheit eine GmbH darstelle.

Update: Ein Leser weist darauf hin, dass es in der Printausgabe des Magazins nun schon mehrere Veröffentlichungen von Helmut Roewer gegeben hat.

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danebod
9 Jahre zuvor

War das nicht der, der seine Ernennung zum Verfaschungsschutz-Boss nicht mitbekam, weil er zu besoffen war?

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Kann man wirklich Roewer oder Elsässer so grobschlächtig wegen Dingen denunzieren, ohne auch nur mal zu fragen, auf wen sie noch zutreffen?

Zum Beispiel die BRD hat sich seinerzeit (als bewusstes Provisorium) absichtlich für ein "Grundgesetz" und gegen eine "Verfassung" entschieden. Dasselbe gilt bekanntlich für ein zweites Land, dessen Staatsrechtstradition stark deutsch geprägt ist. Und diesen Unterschied zwischen Grundgesetz und Verfassung darf man heute nicht mehr kenntlich machen?

Zum Beispiel: Elsässer stellt die Souveränität der BRD in Zweifel? Und was bitte tut Wolfgang Schäuble
(„Und wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen“ 18.11.2011)? Will Frau Nabert eine Tatsachenfrage klären; oder will sie das Prinzip durchsetzen, dass die "richtige Seite" was sagen darf, was der "falschen Seite" zu sagen verboten ist – quod licet Iovi, non licet bovi? Und steht dieses Prinzip wirklich in der allgemein verbreiteten Ausgabe des Grundgesetzes oder bloß in einer Nabertschen Spezialausgabe?

Stefan Laurin
Admin
9 Jahre zuvor
Reply to  Rainer Möller

@Rainer Möller: Natürlich muss auch mit einer faschistischen Opposition diskutiert werden – die Alliierten haben das eindrucksvoll getan. Ihre Argumente – Sherman Tanks, B32 Bomber und die gute, alte Spitfire find ich bis heute zielführend in der Debatte.

Hanns-Jörg Rohwedder
9 Jahre zuvor

Für die musikalische Untermalung einer Diskussion mit Faschisten hat sich die Stalinorgel bewährt.

Grundgesetz und Verfassung sind Synonyme. Das Gericht, das die Auslegung vorgibt, heißt ja auch Verfassungsgericht. Es hat das Grundgesetz denn auch als "unsere bundesstaatliche Verfassung", "deutsche Verfassung" und "geltende Verfassung der Deutschen" bezeichnet.

Das "Provisorium" hat mit der Vereinigung von BRD und DDR aufgehört. Überraschung: Das Grundgesetz heißt immer noch Grundgesetz…

Und ist Dänemark ein Provisorium, weil die Verfassung dort übersetzt Grundgesetz heißt (Danmarks Riges Grundlov [ http://www.grundloven.dk ]) und nicht Verfassung (forfatning)?

Alex Porten
Alex Porten
9 Jahre zuvor

Danke lieber Stefan Laurin und Applaus für die wirklich treffende Antwort auf die wirren Gedanken
die Rainer Möller in seinem Kommentar formuliert.

abraxasrgb
abraxasrgb
9 Jahre zuvor

Ich habe mir zur Entspannung den Film "iron sky" angesehen 😉
Der "iron-ysche" Umgang mit den Nazis darin, ist für ein B-Movie gar nicht schlecht.
Wer für anarchischen Trash etwas übrig hat … wird danach bestimmt etwas entspannter kommentieren 😉

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Trotzdem: Könntet Ihr nicht wenigstens stillschweigend das schreckliche "esotherisch" korrigieren? ich erwarte ja keine öffentliche Belobigung.

Stefan Laurin
Admin
9 Jahre zuvor
Reply to  Rainer Möller

@Rainer Möller: Vielen Dank für den Hinweis – ist geändert 🙂

Alreech
Alreech
9 Jahre zuvor

Ja, das Grundgesetz ist keine Verfassung weil beim Ausfüllen der Verfassungsformulares 0815 ein Formfehler bei der Überschrift passiert ist.
Klingt nachvollziehbar.
Und wissen wir den nicht spätestens seit der Paulskirche das eine Verfassung nur dann gültig ist, wenn die Fürsten des deutschen Reiches gnädigerweise ihre Zustimmung dazu erteilen ? Die hat damals ja bekanntlich keiner gefragt…

Und mit keine vollständige Souveränität mein Schäuble sicherlich das die Regierung & Parlament ihn Wahrheit nur Marionetten sind.
Oder ?
"Und wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen. Das wusste übrigens das Grundgesetz, das steht schon in der Präambel 1949 – das Ziel, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.

Der Grundgedanke ist, das war gar nicht so europaselig oder romantisch, die klare Einsicht jedenfalls in Europa – das mag in anderen Kontinenten anders sein – dass in Europa alle Nationalstaaten, die kleinen wie Luxemburg, aber auch die relativ großen wie Deutschland, nicht in der Lage sind, all die Probleme in souveränen Entscheidungen zu lösen, die in der globalen Welt – und das gilt im 21. Jahrhundert viel mehr, als in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts – anstehen. "
Quelle:
http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Reden/2011/2011-11-18-european-banking-congress.html?view=renderPrint

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