
Mein Büro ist auf der Siepenstraße in Herne. Schon lange, und ebenso lange gibt es hier ein großes Problem: die Parkplatzsituation. Es gibt im Herner Süden einfach viel zu wenige Parkplätze, und bisher wurden keine Anstrengungen unternommen, dies zu ändern. Nun mag man sagen, dass dann halt alle Fahrrad fahren oder sich Privatflugzeuge zulegen sollten. Beide Optionen erscheinen mit Blick auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Wohnorte aber nicht realistisch.
Aber in den nächsten Wochen wird die Stadt Herne hier ein kleines Wunder vollbringen: Zwei Wochen lang werden die Autos auf der Straße einfach verschwinden. Bestimmt.
Worum geht es? Bekanntlich hat Deutschland seit Jahrzehnten gepennt, was seine Infrastruktur angeht. Und sein Geld in die Infrastruktur Moskauer Vororte versenkt. Und auch in den letzten Monaten verbrachte man lieber die Zeit mit Phantomdebatten über irgendwelche Ausländer und mutmaßliche Kriminalität, die insbesondere von diesen ausgehen soll. Und Grenzschließungen. Sowas halt. Dabei ist es die Infrastruktur, die wirklich Thema hätte sein sollen. Vielleicht noch die künstliche Intelligenz und der Klimawandel.
In Herne tut sich da nun etwas: Glasfaser wird verlegt. Viel zu spät, aber immerhin. Der Deutsche ist stolz auf seinen Fortschritt, auch wenn er ein Jahrzehnt zu spät kommt. Insofern finde ich es wirklich gut, dass nun endlich auch in Herne die Straßen aufgerissen und Glasfaser verlegt wird. Und ich halte es auch für normal, dass Anwohner darunter insofern leiden, als dass dann eben die Straße abgesperrt ist und man sich einen anderen Ort zum Parken suchen muss. Auf der anderen Seite gibt es hier schlicht keine Parkplätze. Halb legal werden Parkmöglichkeiten auf einem Supermarktparkplatz genutzt, denn selbst wenn man die umliegenden Straßen in Betracht zieht, finden sich schlicht keine Parkmöglichkeiten.
Nun darf man davon ausgehen, dass der Zeitplan zum Verlegen von Glasfaser nicht einfach von heute auf morgen entsteht und aus dem Elan der Digitalisierung heraus verabschiedet wird. Wünschenswert wäre dies, aber man mag sich immer daran erinnern, dass wir immer noch in Deutschland sind. Insofern ist davon auszugehen, dass der Plan zum Verlegen von Glasfaser schon lange bekannt ist – auch der Stadt.
Und die Stadtverwaltung dient den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt – in doppelter Hinsicht. Es ist ihre Aufgabe, ihr gesamtes Streben darauf zu setzen, dass es den Menschen hier bestmöglich geht. Diesem staatstheoretischen Versprechen folgend, zahlen wir alle unsere Steuern und Abgaben (deswegen – und weil der Staat ansonsten repressive Zwangsmaßnahmen anwenden kann, gegen die jede Form von Clankriminalität wie ein Erstklässlerstreich aussieht).
Was aber hätte die Stadt denn hier tun sollen? Hätte sie überhaupt etwas tun können? Ja. Ein knapp zweiminütiges Brainstorming einer einzelnen Person erbrachte zahlreiche Ideen, wie man die Situation hier vorübergehend hätte lösen können:
Es gibt eine Straße weiter städtische, ungenutzte Flächen, dort, wo eine ehemalige Schule abgerissen wurde. Diese Fläche ist derzeit gesperrt. Das Einfachste wäre gewesen, diese Fläche schlicht zu öffnen und zeitweise Parken zu ermöglichen. Das allein hätte das Problem hier vermutlich schon gelöst.
Man hätte auch mit dem Supermarktbetreiber sprechen können, ob man nicht eine Lösung anstreben kann, für die er vielleicht sogar eine Vergütung erhält.
Man hätte auch eine weitere Straße weiter beim großen Mitarbeiterparkplatz eines Krankenhauses anfragen können und hier Möglichkeiten schaffen.
Hat man aber natürlich alles nicht.
Und dann die stets auftretende Frage: Wie lange dauert das?
Am Freitag letzter Woche, also drei Tage vor Start der ganzen Aktion und exakt in dem Moment, als die Schilder aufgestellt wurden, hatte jedes hier parkende Auto einen schicken Zettel unter der Windschutzscheibe liegen (vgl. Foto oben). Darin wurde ein Zeitraum von knapp zwei Wochen angegeben, in denen man sein Auto verschwinden lassen sollte. Die Frage ist: Bleibt es bei den zwei Wochen?
20 Meter weiter blieb eine Absperrung über drei Monate stehen – obwohl die Baustelle bereits beendet war. Und da war die Baustelle immerhin fristgerecht beendet.
Ab heute Morgen um 7:00 Uhr galt das Parkverbot auf der einen Seite der Siepenstraße. Um 8:21 Uhr war immer noch kein Bauarbeiter zu sehen.
Das alles wirft Fragen auf. Fragen, um die sich die Stadt wahrscheinlich vor Monaten, spätestens aber vor Wochen hätte kümmern können. Sie hat es augenscheinlich nicht getan – oder vielleicht doch?
Genau das haben wir die Stadt gefragt. Eine Antwort darauf haben wir trotz unserer Anfrage nicht bekommen.