Medien – Vor ein paar Tagen hatte ich getwittert, Medienkritik sei „das Kekswichsen pseudo-frustrierter Journalisten“. Ich will mich an dieser Stelle bei den Kollegen entschuldigen – das ist natürlich nur die halbe Wahrheit und darum falsch.
Richtig muss es heißen: das selbstgerechte Kekswichsen pseudo-frustrierter Journalisten.
Warum ich meine, mir diese Unkerei erlauben zu müssen? Ganz einfach, ich bin selbst Schreiberling. Gut, ich zeichne auch Männchen, mache Bücher und entwickle Konzepte. Aber im Prinzip gestalte ich Gedrucktes, und das Herausgeben und redaktionelle Bestücken eines People-Magazins könnte man ja durchaus als Journalismus bezeichnen.
Und als ein solcher Pressefuzzi empfinde ich die Heulsusereien so mancher Pressefuzzis, wie arg doch das Pressefuzzitum auf den Hund gekommen sei, als mittlerweile unerträglich. Die Konsequenz mancher Kollegen, zumindest die angekündigte: Man werde sich aus dem Journalismus zurückziehen. Ja bitte, geht! Ich vermisse euch nicht. Wenn ihr den Journalismus jetzt verlasst, weil er angeblich so verkommen daherkommt, dann hat er euch ohnehin nie was bedeutet. Zu postulieren „Ich bleibe Journalist, weil mir der Journalismus derzeit nicht gefällt“ – das wäre mal eine respektable Haltung. Mit dem Willen, etwas zu verbessern, und dem Wissen, dass das in kleinen Schritten auch möglich ist.
Es kommt durchschaubar kalkuliert daher, sich mit dem gejammerten „Adieu!“ indirekt als das Gute zu inszenieren, das im böse Gewordenen nicht mehr existieren kann. Ein „Ich verlasse den Journalismus, weil ich ein miserabler Journalist bin“ habe ich leider noch nie gelesen. Davor würde ich sehr wohl den Hut ziehen. Ebenso, wenn jemand mit der Branche abschließt, um einen Puff zu eröffnen, seine Oma zu pflegen, eine Schreinerlehre anzufangen oder weil er schlicht und einfach keine Lust mehr hat. Aber doch nicht – winselwinsel – weil alle jetzt so fies sind und irgendwelche Namen nennen oder verschweigen, oder Fotos zeigen, oder darüber diskutieren, ob man Fotos von denen, die Namen nennen, zeigen darf oder nicht verschweigen müssen sollte. Oder was auch immer.
Jetzt mal ehrlich: Die Medienbranche war schon immer eine Nuttenbranche, in der gehurt, gesoffen und öfter mal ein unsauberes G’schäftle gemacht wird. Vornehmlich mit potenten Werbekunden. Das war so, ist so und wird – Achtung: bedauerliche Binse – auch immer so bleiben. Und ja, das ist ein Topf voll Scheiße sowohl für die Medien als auch die Menschen. Ein solches System kann aber nur von innen heraus verändert und bekämpft werden. Die möglichen Waffen: neue publizistische Ideen, mehr Mut, diese einfach mal umzusetzen und das Vertrauen in skurrile Typen, die heute noch als Spinner, morgen aber vielleicht schon als Visionäre gelten. Außerdem braucht es ein kompromissloses Durchhaltevermögen, für die eigenen Überzeugungen einzutreten – so sie denn vorhanden sind. Woran es bei vielen leider oft schon scheitert.
Es macht sich in den sozialmedialen Netzwerken gerade gut, als Journalist auf den Journalismus zu schimpfen und ihm mit Ansage den Rücken zu kehren. Als Gewinner dieser merkwürdigen Disziplin wähnen sich offenbar die, die das am betroffensten und glaubwürdigsten zelebrieren. Da klackern die Klicks, da jubelt die (meist anonyme) Masse. Wie eingangs polemisiert: Keksgewichse! Und die größten Luschen – das sei an dieser Stelle notiert – sind die, die zwar groß posaunen, das redaktionelle Handtuch zu werfen, aber ihre Koffer noch gar nicht gepackt haben und eigentlich auch nie vorhatten, abzureisen. Wer entlarven will, wie grottig der Journalismus gerade dasteht, tut das am effektivsten, indem er ihn verändert. Alles andere kann getrost als Aufmerksamkeitshascherei 3.0 gewertet werden. Also, liebe Kollegen: Hört endlich auf, aufzuhören!
Übrigens: Typen, die über Journalisten herziehen, die über Journalisten schimpfen, die über den Journalismus meckern, gehen selbstverständlich auch gar nicht. Aber das nur am Rand, äh, Rant.
von Peter „Bulo“ Böhling
Böhling, 43, ist seit neun Jahren Herausgeber des Medienmagazins „Clap“ und Gründer der „Männchen Manufaktur“, mit der er unter anderem Karikaturen, Illustrationen, Animationen und Logos entwickelt. Er hat in München Soziologie und Philosophie studiert und mehrere Bücher veröffentlicht.
Genauso. Inhaltlich lässt sich über Vieles streiten, auch über Moral und Codex oder was auch immer. Presse wühlt nun mal auf, mal provokant, mal zurückhaltend. Wenn sie das nicht tun würde, wäre es arm in unserer Landschaft. Sicher gibt es Dinge, die daneben gehen – über die wird diskutiert und (hoffentlich) auch zum Positionieren genutzt. Schlimmer ist es um die andere Seite gestellt: uns Leser. Folge ich blind und kritiklos und ohne zu hinterfragen all den Dingen, die ich lese, glaube ich auch Karl May, dass er in Kurdistan war. Rüttelt weiter auf, verletzt auch ruhig mal – damit wir Leser wach bleiben. Den einzigen Wunsch, den ich hätte: Bleibt senkrecht und wirklich überparteilich kritisch. Denn die, die „klein-bei-geben“, weil der Bürgermeister oder eine Partei finanziell mit im redaktionsgebäude stecken, die sollten wirklich AUFHÖREN.