Am Samstag war ich mir ziemlich sicher, dass die SPD die Kommunalwahl verliert.
Ich bin mit einem Freund auf der Suche nach dem mächtigen Schneeleoparden über die Bochumer Fußgängerzone geschlendert. Irgendwann kamen wir am SPD-Stand vorbei. Gottlieb Wendehals dröhnte aus allen Lautsprechern: "Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse und dann geht sie los unsre Polonäse…"
Ich war mir sicher: Wer mit Billig-Schlager aus den 70ern versucht, Wahlen zu gewinnen, wird scheitern. Auf jeden Fall in Bochum. Die Stadt hat eine Universität, vier Fachhochschulen, ein Schauspielhaus, will ein Konzerthaus bauen…
Es war egal. Nach 15 Jahren, in denen die Politik im Ruhrgebiet ein wenig Offenheit versprach, in denen Politikwechsel möglich und alte Filzstrukturen aufzubrechen schienen, sind wir wieder am Ausgangspunkt angekomen: Im Ruhrgebiet wird jeder Besenstil gewählt, wenn er nur rot ist. Das Ruhrgebiet hat sich gestern für die Vergangenheit entschieden. Und nun alle zusammen: "… und Dieter packte der Heidi von hinten an die …"
Nicht anders sieht es im ostwestfälischen Kreis Minden-Lübbecke aus. Das Volk will es scheinbar nicht anders. Wer nicht hören will, muss fühlen.
„Im Ruhrgebiet wird jeder Besenstil gewählt, wenn er nur rot ist.“ Warum beleidigst Du so dermassen die Menschen, die im Ruhrgebiet zur Wahl gehen? Viele sind nicht mal hingegangen, und die, die gewählt haben, sind für Dich alle Idioten?
Sorry, auch wenn ich bissige Kommentare zu schätzen weiss, aber hier schiesst Du weit über das hinaus, was kritischer Journalismus ist. Vielleicht solltest Du mal ernsthaft hinterfragen, warum in den großen Städten so viele Menschen rot-grün gewählt haben. Und vielleicht gibt es darauf auch Antworten, die durchaus einen Sinn ergeben.
Brilliante Analyse, kicher.
Nebenbei ist Dein Text aus dem Lied auch noch falsch (Erwin, nicht Dieter – oder ist das eine versteckte Anspielung auf Düsseldorf?) . Und wenn Du den Schneeleoparden auf der Fußgängerzone suchst, statt ihn Dir bei Gravis nebenan zu besorgen ist das ungefähr genau so eine gute Idee, wie den Erfolg der SPD in Bochum auf das ganze Ruhrgebiet zu übertragen.
Wobei mich die Geschichte mit dem Besenstiel und der Oberbürgermeisterin dann doch wieder interessieren würde…
Grüße, Elmar
Leider fehlte in Bochum die wählbare Alternative! So haben die Grünen und die Linken keine eigenen Kandidaten für die Bürgermeisterwahl aufgestellt und somit der angeschlagenen Ottilie kampflos das Feld überlassen 🙁
@elmar: Bei Gravis war er ausverkauft. Zudem bitte ich meine Textunsicherheit zu entschuldigen.
@angelika: Die Wahl der Grünen als urbane Lifestylemarke kann ich nachvollziehen. Die Wahl der SPD nicht. Ausnahmen gibt es bei einigen OBs – aber das ist ja auch eine Personenwahl.
@Christian: Der Text bezog sich nicht nur auf Bochum – Dort war das OB-Angebot der CDU peinlich. Das erklärt aber nicht die Stimmenzuwächse der SPD in vielen Räten.
Und „Alte Besen kehren gut“ möchte man antworten – lässt es aber dann doch lieber.
Wenn Wählerbeschimpfung das einzige ist, was Kritikern der (u.a. Bochumer) Politik zum Ergebnis der Kommunahlwahl einfällt, ja, dann bin ich über das Ergebnis der Wahlen sehr, sehr froh.
@Stefan
Da hast Du aber einen ziemlich unreflektierten Bauch-Kommentar abgegeben, ohne Dir die Fakten anzusehen.
Im Jahr 1975 gab es bei der Kommunalwahl in Bochum eine Wahlbeteiligung von 87,7 %. Die SPD erreichte 57,4 % der Stimmen. Jetzt sackte die Wahlbeteiligung unter 50 % (49,48) und die SPD holte ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt und fiel unter 40 % (38,92).
Die SPD hat in den letzten 30 Jahren mehr als 60 Prozent ihrer WählerInnen verloren.
Die SPD hat also ihren verdienten Abwärtstrend konsequent fortgesetzt.
Das Problem ist nur, dass die übrigen Parteien keine interessante Alternative für die mittlerweile Mehrheit der Wahlberechtigten darstellen, die nicht mehr zur Wahl gehen.
Wählerschelte. Das ist peinlich. Haben die dummen Wähler tatsächlich nicht so gewählt, wie es die Ruhrbarone wollten. Gemein.
@Stefan:
Also der Kommentar klingt ja fast so als wäre er aus dem Shop geschrieben worden, sorry, wenn ich das mal so sage. Es gibt gute Gründe die SPD in Bochum zu wählen und das solltest auch Du wissen.
@Jens: Es gibt aber auch ein paar gute Gründe die SPD in Bochum nicht zu wählen. Aber mir ging es bei dem Text nicht um Bochum – der Schlager war nur ein Symbol. Mir ging es darum dass das Ruhrgebiet in eine politische Starre zurückzufallen droht. Ich mag es wenn Mehrheiten sich ändern, es Wechsel gibt und keine Erbhöfe. Das tut – egal wer regiert – nie gut. Und wenn Du einen roten Besenstiel sehen willst schau mal nach Marl: Leute wie Arndt wurden gestern nicht selten gewählt und erscheinen mir wie Wiedergänger aus den 80ern.
@Stefan (10):
Ich kenne die Situation in Marl nicht genau, aber gerade Marl ist doch ein absolutes Zeichen für Veränderung. Oder wer hat da von welcher Partei (am Anfang bzw. am Ende) den Job im Rathaus gemacht?
Es geht übrigens nicht um Erbhöfe, sondern um vernünftige Politik. Und wenn die Wählerinnen und Wähler im Ruhrgebiet das primär der SPD zutrauen dann ist das doch kein Grund die Wähler zu beschimpfen.
@Jens: Aber man wird sich schon noch über ein Wahlergebnis Gedanken machen können und schreiben, dass man das Ergebnis nicht teilt. Vor allem Ruhrgebietsweit ist die SPD Dominanz verheerend. Meine Sorge ist: Wer ist der nächste Klink den sie im RVR entsorgen? Stüdemann fänd ich gut, aber sie haben auch noch jede Menge Versorgungsfälle und in den vergangenen fünf Jahren im RVR gezeigt, dass sie blockieren wo sie können. Wie gesagt, mich interessieren einzelne Städte nur bedingt, ich habe bei fast jedem Thema eine regionale Sicht. Ich will auch kein schwarzes Ruhrgebiet – ich will ein Ruhrgebiet in dem ein harter politischer Wettbewerb um Ideen und Konzepte herrscht.
Natürlich kann man sich über ein Ergebnis ärgern. Aber wenn es in Wählerbeschimpfung ausartet, dann ist eine Grenze überschritten.
Und was soll überhaupt heißen, man „teilt ein Ergebnis nicht“? Nächstes Mal fragen die Wähler am besten vor ihrer Stimmabgabe Stefan Laurin, ob sie alles richtig gemacht haben.
Christian S: Also hat man jedes Wahlergebnis kommentarlos akzeptieren? Werde ich nicht tun – kannst Du ja gerne machen.
Ich glaube, dass die SPD zumindest in Teilen ihre Lektion gelernt hat. Es könnte sogar sein, dass die jetztigen Wahlergebnisse eine Belohnung dafür waren. Leute wie Baranowski und Sierau werden hoffentlich denn Ball aufnehmen und weiter nach vorne spielen.
@Arnold: Sierau und Baranowski sind gut auch Paetzel aus Herten und andere auch. Aber ich habe die Sorge dass die „Belohnung“ in dieser Höhe etwas arg früh kommt. Im Gegensatz zu Grünen, FDP und CDU hatte es die SPD noch nicht einmal nötig ein Ruhrgebietsprogramm zu erarbeiten. Und das die CDU mit Leuten wie Gräfingholt und anderen ein zum Teil unsägliches Personalangebot gemacht hat ist sicher auch ein Grund für das gestrige Ergebnis.
„Also hat man jedes Wahlergebnis kommentarlos akzeptieren?“
Tipp: nicht von einem Extrem ins andere verfallen. Es gibt sowas wie den Mittelweg.
…und das gute alte Mittelmaß. Nö, das macht mir keinen Spaß.
Schon recht.
Wenn ich das hier so lese… tststs… Jeder hat das Recht, verarscht zu werden, auch der Wähler, von daher geht der Artikel als Kommentar völlig durch. Ob da dann gleich die Löcher aus dem Käse fliegen? Na ja. Innovativ, intelligent, hip oder was auch immer waren die Waffeln vom Konkurrenzstand der CDU jedenfalls auch nicht. Vor allem waren sie nicht cool, sondern „heiß aus dem Eisen“, mir schien das alles ja eher mit der heißen Nadel gestrickt. Egal.
Und wenn wir hier schon dabei sind, uns gegenseitig zu veräppeln; ich persönlich finde es ja viel alberner, daß man nur um Schneehäschen zu kaufen nur die Bochumer Innenstadt tingeln muss. Bei mir kommt das update für mein OS ja immer schön auf Knopfdruck… auch wenn der Name mit „karmic koala“ auch nicht weniger peinlich ist 😉
Was wie eine politisch Normalisierung des Ruhrgebiets – im Sinne der Wiederherstellung früherer Verhältnisse – aussieht, ist aber alles andere.
Ich komme auf das Argument von Martin Budich zurück: die Wahlbeteiligung ist abgesackt. Ein ernstes Problem. Damit ist aber auch die Dominanz der SPD nur eine relative.
Alles ist anders, denn die Bürgermeister und OBs haben meist keine absoluten Mehrheiten mehr hinter sich stehen (mit untypischen Ausnahmen, siehe Herten). Was eine Minimalvoraussetzung für demokratische Verhältnisse ist.
Man wird also damit leben (und Politik machen) können.
@Stefan:
„Ich will auch kein schwarzes Ruhrgebiet – ich will ein Ruhrgebiet in dem ein harter politischer Wettbewerb um Ideen und Konzepte herrscht.“
Das will ich auch und kriege das auch – alle 5 Jahre und in unserer Demokratie nennt man es Wahlkampf. Daher glaube ich, dass die Wähler in Essen, GE usw. genau hingeguckt haben. Vielleicht sogar in Bochum. Und wenn irgendwo dann eine irgendeine Flitzpiepe gewählt wird, die Du nicht willst – weil man sie Deiner Meinung nach vielleicht nicht wollen kann wenn man in Bochum lebt – dann hätte man hier vielleicht eine Wahlempfehlung für die einzelnen Kommunen abgeben können: Schön mit einem längeren Text dazu. Chance verpasst.
Wen Du dann allerdings in Bochum empfohlen hättest, hätte ich schon gerne gewusst, denn so supersahne waren die anderen Besenstiele wohl auch nicht, oder?
Grüße, Elmar
Eins hab ich vergessen: das mit den roten Besen bleibt eine richtige Beobachtung. Gilt aber auch für schwarze, grüne, gelbe, blaue …
Eine Beobachtung, die nicht als Wählerbeleidigung zu diffamieren ist, vielmehr Mängel im politischen System (Wahlrecht) offenbart und den Fundamentalfehler des Systems privatwirtschaftlicher, gewinnorientierter Medien.
„Ich will auch kein schwarzes Ruhrgebiet – ich will ein Ruhrgebiet in dem ein harter politischer Wettbewerb um Ideen und Konzepte herrscht.“
@Stefan Laurin: Na, klingt hier Deine neoliberale Überzeugung durch? Wer soll denn die Gewinne des harten Wettbewerbs einstecken?
BTW: Die „Polonäse von Blankenese“ ist ein 80er-Jahre-Hit (1981). Wenn Wählerbeschimpfung, dann doch bitte sauber recherchiert! Das sollte gerade ein guter Demokrat beherzigen.
Gruß in den Pott
@WB“Na, klingt hier Deine neoliberale Überzeugung durch?“ Tut sie – Wettbewerb ist gut!
@Stefan Laurin: Und trotzdem hast Du meine Frage nicht beantwortet.