„Hier können Familien Kaffee kochen“

Becher mit Olaf Scholz im SPD-Shop Screenshot: Ruhrbarone

Für die SPD ist die Europawahl nicht gut gelaufen. Nirgendwo, auch nicht in Bochum. Die Sozialdemokraten erhielten hier 21,87 Prozent der Stimmen. Es ist 30 Jahre her, dass die Stadt eine SPD-Hochburg war und die Partei mehr als 50 Prozent der Stimmen erhielt. 2019, bei der letzten Europawahl, waren es auch nur 23 Prozent. Gestern verschickte die Partei eine Pressemitteilung zur Wahl. Tobias Cremer aus Bochum stand auf Listenplatz 14 und hat es gerade so ins Europaparlament geschafft. Mit Blick auf das Wahlergebnis sagte Cremer, die Partei müsse sich wieder mehr um „Brot- und Butterthemen“ kümmern: „Jetzt heißt es: Ärmel hochkrempeln und anpacken!“

In der SPD ist diese Phrase beliebt:

2009 bahnte sich für die SPD im Bundestagswahlkampf mit ihrem Spitzenkandidaten, dem heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, eine Niederlage an. Der SPD-Abgeordnete Klaus-Uwe Benneter forderte damals: „Frank muss jetzt deutlich machen, welchen Anteil wir an der Regierung haben. Er muss die Ärmel hochkrempeln, wie es früher Gerhard Schröder tat.“

Als die SPD 2018 in Umfragen bei 14 Prozent stand, gab die damalige Parteivorsitzende Andrea Nahles die Parole aus, die Partei müsse die „Ärmel hochkrempeln und kämpfen“.

Im Januar 2017 stellte sich Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat vor und verkündete: „Wir brauchen neuen Mut und neue Zuversicht. Wir sind die Gewissheit, dass wir die Dinge zum Besseren wenden können, wenn wir die Ärmel hochkrempeln und gemeinsam anpacken.“

„Ärmel hochkrempeln“, das erinnert an die proletarische Vergangenheit der Partei. Der Arbeiter krempelt die Ärmel hoch, wenn er an die Maschine geht, den Hammer in die Hand nimmt oder die schwere Kiste stemmen muss. Er will die Gefahr vermeiden, dass die Maschine ein Stück Stoff erwischt und ihm den Arm zerquetscht oder dass das wertvolle Kleidungsstück beschädigt und verschmutzt wird. Dass es jetzt ernst wird, dass man „heiße Eisen“ anpackt und bereit ist, dahin zu gehen, „wo es laut ist; da, wo es brodelt; da, wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt“, wie es Sigmar Gabriel einmal auf einem SPD-Parteitag 2009 erklärte.

Doch all das tut die SPD schon lange nicht mehr. Sie träumt von einem grünen Wirtschaftswunder, das es nie geben wird. Sie gibt in den Städten den Grünen nach, wenn diese weniger Flächen für Neubauten wollen, sie finanzieren großzüigig diejenigen, die nicht arbeiten und gefährden durch die Energiewende die Jobs derjenigen, die es tun. In Stadtteilen, die sich rapide durch Migration verändern, fällt ihnen nichts anderes als die Forderung nach Integration ein, obwohl diese zum einen häufig scheitert und zum anderen besser laufen könnte, wenn der Zuwanderungsdruck geringer wäre.

Viele SPD-Mitglieder sind heute Akademiker, sie kennen solche Stadtteile  meist nur durch Exkusrionen. Die Ärmel haben sie vielleicht einmal als Studenten in Ferienjobs hochgekrempelt, aber ansonsten ist ihnen die Lebenswelt, auf die dieses Bild anspielt, fremd. Sie sind etwas woke, etwas öko, etwas multikulti, etwas links und gerne auch etwas betroffen. Im Alltag bedeutet das: langweilig, behäbig, umsetzungsschwach und ideenlos. Sie wirken wie eine Light-Ausgabe der Grünen, nur dass diese ihnen intellektuell überlegen sind und wissen, was sie wollen. Die SPD will nichts Bestimmtes: „Für Maß und Mitte“ war einer der Slogans, mit denen sie bei der Europawahl um Stimmen warb. Er erinnerte an einen Satz von Kurt Tucholsky, der fand, es sei ein Unglück, dass die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt und hielt „Hier können Familien Kaffee kochen“ für einen ehrlicheren Namen.

Nein, kein Sozialdemokrat wird in den kommenden Wochen die Ärmel hochkrempeln. Wahrscheinlich wissen die meisten nicht einmal, wie man das macht. Die SPD sollte aufhören, so zu reden. Es glaubt ihr ohnehin niemand mehr. Aber vielleicht reicht es ja noch zum Kaffeekochen.

 

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