„Deutschlands oberste Homöopathie-Ärztin“ hat auf eigenen Wunsch der Zeit ein Interview gegeben (Ausgabe Nr. 29 vom 22.6.2017). Die Zeitung schreibt, Leser würden bemängeln, dass zu wenig Befürworter der Homöopathie zu Wort kämen. Also sagten sie ihr zu, gaben Cornelia Bajic die Chance und geizten nicht mit erfrischend kritischen Fragen.
Ihr Anliegen sei es, so die Erste Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (bei Psiram hier Näheres zu ihr), sich vom „Dunstkreis unseriöser Anbieter“ zu distanzieren. Sie stehe, so Bajic implizit, für eine seriöse Homöopathie.
Das allerdings ist ein Oxymoron. Und Frau Bajic stellt dies wieder einmal unter Beweis. Sie hat keine vernünftigen Argumente und gerät dementsprechend schnell in die Defensive. So sagt Bajic großzügig, dass sie kein Heilsversprechen abgeben könne und wird sofort mit einem Zitat von ihrer eigenen Homepage konfrontiert, wo sie genau das tut. „Sie haben recht, wahrscheinlich muss ich den Text ändern […]“
Die Interviewer haken nach und man hört förmlich, wie die Befragte in einen immer schnippischeren Tonfall verfällt. Sie erwähnt Studien, doch sie weiß offensichtlich, dass sie hier nicht punkten kann, denn auf die Gegenfragen der Interviewer reagiert sie nicht mit empirischen Argumenten, sondern wird defensiv. Sie ahnt offenbar, dass Josephina Maier und Jan Schweitzer gut vorbereitet sind.
Also greift sie auf Scheinargumente und persönliche Einzelfallbeobachtungen zurück. „Ich habe die Patientin homöopathisch behandelt, und die Colitis ist verschwunden – im Zusammenhang mit der Behandlung.“ Wie sie mit so einer Vorstellung von wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn ihr Staatsexamen machen konnte, bleibt rätselhaft. Und es ist ärgerlich, dass diese Art von Menschen ihre Kritiker immer wieder als verbohrt und geistig unflexibel darstellen. Als Leute, die neue Wahrheiten einfach nicht annehmen könnten. Frau Bajic durfte das auch völlig unhinterfragt in einem selbst verfassten Artikel für die FAZ tun. Dabei ist es ja umgekehrt: Intellektuell redliche und wissenschaftlich denkende Menschen trauen eben nicht einfach ihrem Gefühl oder einer zufälligen eigenen Beobachtung, sondern wissen, wie leicht man sich selbst betrügt. Daher fordern sie objektive Methoden und sie sind immer offen, ihre Vorstellungen über den Haufen zu werfen, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben.
Noch weniger überzeugend als ihr Einzelfallbericht ist dann Bajics anderes Argument: Wenn die Homöopathie nicht wirken würde, wäre sie doch nicht so beliebt. Denn: „Die Menschen wollen sie!“ Und gleich in der nächsten Antwort noch einmal: „Die Menschen wünschen sich aber die Erstattung durch die Krankenkasse, und die Allgemeinheit will doch die Homöopathie!“ Mensch Menno! Die Antwort der Interviewer ist schlagfertig: „Die Allgemeinheit will auch Freibier.“
Ich halte es im Übrigen nicht für völlig illegitim, jemandem, der an einer eigentlich nicht behandlungsbedürftigen Befindlichkeitsstörung leidet und auf eine Medizin drängt, ein Placebo zu verschreiben. Placebo ist ja nichts Schlechtes, es hilft ja den Leuten. Das heißt aber nicht, dass man es bewerben muss und erst recht nicht, dass es die Allgemeinheit bezahlen muss. Und Ärzte können ferner durchaus im Sinne eines individuellen Heilversuchs medizinische Maßnahmen verordnen, die für eine bestimmte Diagnose nicht zugelassen sind oder deren Wirksamkeit wissenschaftlich noch nicht erwiesen ist. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Hersteller für eine seltene Diagnose keine Zulassung beantragt haben, weil sich dies nicht rentiert, dabei aus medizinischer Sicht aber klar ist, dass das Medikament auch dort wirken müsste. Oder bei Methoden, die noch so neu sind, dass deren Wirksamkeit noch nicht endgültig festgestellt werden konnte, die aber die einzige Aussicht auf Heilung für den Betroffenen darstellen würden. Dass die Homöopathie noch so neu wäre, dass ihre Wirksamkeit noch nicht ausreichend belegt werden konnte, soll bitte niemand behaupten.
Wo sieht Frau Bajic eigentlich den Unterschied zwischen sich und den „unseriösen“ Homöopathen? Offenbar darin, dass sie auch richtige Medizin anwendet und dass sie Patienten bei lebensbedrohlichen Zuständen doch lieber ans Krankenhaus weiterleitet. Allerdings, wie Maier und Schweitzer einwenden: „Der Mann, der den Jungen in Italien falsch behandelt hat, war Arzt. Man kann also nicht sagen, dass es Ärzte immer besser machen als etwa Heilpraktiker.“
Sehr kleinlaut wird Frau Bajic am Ende, als es um die Frage des Wirkprinzips geht. Sie deutet an, dass es Erklärungsansätze gäbe, will auf diese aber nicht näher eingehen, man solle sich da lieber zurückhalten.
Weil sie dann zugeben müsste, dass sie an Magie glaubt? Oder dass sie kein naturwissenschaftliches Verständnis hat? Oder – da sie doch das Physikum bestanden haben muss – weil sie dann zugeben müsste, dass es offenkundig Unfug ist und dass sie aus reinem Kalkül diese Haltung vertritt?