Der Humanistische Pressedienst (hpd) veröffentlichte einen Kommentar zum Kreationismus – geschrieben vom Evolutionsbiologen Prof. Dr. Ulrich Kutschera. Dann nahm der hpd ihn wieder off. Wieso? Dazu schreibt Kutschera selbst auf evolutionsbiologen.de :
(…) haben sich Humanisten, die der Genderismus-Ideologie nahestehen beschwert, und diesen Beitrag als nicht der hpd-Linie entsprechend kritisiert. Die Redaktion hat sich daraufhin entschlossen, die Publikation des kontroversen Artikels rückgängig zu machen (…).
Wir Ruhrbarone fürchten die freie Debatte nicht, und veröffentlichen Kutscheras Text in der Originalversion.
STANFORD, CA, USA (hpd). Vor zwei Monaten (Freitag, 13. Februar 2015) fand auf dem AAAS Annual Meeting in San Jose, Kalifornien (USA) ein Symposium zum Thema „Creationism in Europe“ statt. Hierbei wurde neben der deutschen Anti-Darwin-Bewegung auch der damit geistesverwandte Genderismus thematisiert.
Die 1848 gegründete „American Association for the Advancement of Science (AAAS)“ veranstaltet ein jährliches, internationales Wissenschaftlertreffen (Annual Meeting), das jeweils in einer größeren Stadt durchgeführt wird und bis zu 2000 Redner umfasst. Bereits 2007 wurde auf dem AAAS Annual Meeting in San Francisco, CA, das Thema „Is Anti-Evolutionism spreading in Europe?“ diskutiert, wobei mir damals die Aufgabe übertragen worden war, über die deutsche Anti-Evo-Bewegung zu referieren. In einer anschließenden Pressekonferenz wurden die „Invited Speakers“ gebeten, Vorschläge zur Eindämmung der wissenschaftsfeindlichen Kreationisten-Propaganda zu unterbreiten. Meine Anregung, den Begriff „Darwinismus“ durch „Evolutionsbiologie“ zu ersetzen, wurde positiv aufgenommen und in einem 2008-Science-Artikel vertiefend begründet.
Im „Weismann-Jahr 2014“ wurde von den Organisatoren des AAAS Annual Meeting 2015 ein Symposium zum Thema „Creationism in Europe“ durchgeführt, bei dem auch das mit dem deutschen Arbeitskreis (AK) Evolutionsbiologie kooperierende US National Center for Science Education (Oakland, CA) beteiligt war. Die von zahlreichen Journalisten besuchte Vortragsveranstaltung führte zu einer lebhaften Diskussion, wobei die Information, dass die evangelikale Studiengemeinschaft Wort und Wissen (Sg. W+W), über ihr Mitglied Prof. Siegfried Scherer, die universitäre Webpage der TU München benutzt, um die pseudowissenschaftliche „Grundtypen-Biologie“ zu bewerben, mit Erstaunen zur Kenntnis genommen. In einem am 7. April von der US-Journalistin Nala Rogers (Science Communication Program, UC Santa Cruz, CA) publizierten Interview mit dem Titel „Ulrich Kutschera, evolutionary biologist“ sind u. a. Details zur kreationistischen Unterwanderung des deutschen Biologieunterrichts dargelegt.
In der nur informell geführten Diskussion zum „Genderismus in Europa“ wurde klar, dass diese fundamentalistische Anti-Darwin-Ideologie dieselben Wurzeln hat wie der wörtlich verstandene biblische Schöpfungsglaube (Kreationismus). Genderisten glauben, dass das „soziale Geschlecht“ des Menschen, d. h. die Maskulinität und Femininität (Mann- bzw. Frau-Sein) unabhängig vom biologischen Geschlecht (XY- bzw. XX-Chromosomensatz, Testosteron- bzw. Östrogen-Pegel usw.) zum Ausdruck kommt, und als „gesellschaftliches Konstrukt“ interpretiert werden kann. Eine faktenbasierte, naturwissenschaftliche Analyse dieses destruktiven, quasi-religiösen Glaubens steht derzeit noch aus, aber eine Schlussfolgerung kann definitiv gezogen werden: „Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Biologie“.
Die Diskussion in San Jose, CA, führte zum folgenden Konsens: Evolutionsbiologen sollten den Genderismus, eine universitäre Pseudowissenschaft, die den deutschen Steuerzahler jährlich viele Millionen Euro kostet, mit demselben Ernst analysieren und sachlich widerlegen, wie den damit geistesverwandten Kreationismus.
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Über den Autor
Prof. Dr. Ulrich Kutschera lehrt und forscht an der Universität Kassel und in Stanford (CA, USA).
Mich würde eine Stellungnahme des HPD interessieren.
Vielleicht sollte man den 'Generismus' nicht kritisieren, bevor man sich nicht mal für eine Sekunde damit beschäftigt hat, welche Bedeutungen diesem Begriff außerhalb rechtspopulistischer Diskurse zukommen. Ein Blick in das englischsprachige Wikipedia hätte genügt, um zu erfahren: "Genderism, or gender binarism, is the cultural belief […] that there are, or should be, only two genders — man and woman — and that the aspects of one's gender are inherently linked to the sex in which they were assigned at birth" (http://en.wikipedia.org/wiki/Genderism). Im Vergleich zu dieser Definition (die sozusagen einer abgespeckten Version der umfassenden Kritik von queer-Theoretiker*innen an der gesellschaftlichen "Heteronormativität" gleichkommt: http://de.wikipedia.org/wiki/Heteronormativit%C3%A4t), hat der Begriff in der wissenschaftlichen Literatur meist eine etwas weniger umfassende Bedeutung: Da bezieht er sich in aller Regel auf ein "durchgängiges und ideologisiertes System der Relevanz von Geschlecht" (https://books.google.de/books?id=ixpgag–iNgC&pg=PA78&dq=genderismus&hl=de&sa=X&ei=H59CVfjxLcXSUfmRgLAM&ved=0CDgQ6AEwBA#v=snippet&q=genderismus&f=false). Nach beiden Definitionen folgt aus diesem 'Genderismus', bzw. dieser 'Gender-Ideologie', u. a. zu der "Zwang, unbedingt ein Geschlecht sein zu müssen" (http://www.welt.de/vermischtes/article137822863/Der-Zwang-unbedingt-ein-Geschlecht-sein-zu-muessen.html). Welch gravierende Folgen dies z. B. für intersexuell geborene Menschen hat (Umoperation und Stigmatisierung), ist demselben Artikel zu entnehmen.
Schade, dass die "Ruhrbarone" in diesem Bereich auf den Zug von "PI-News", "Achse des Guten" und Co. aufspringen und sozialwissenschaftliche Begriffe in pseudowissenschaftlichen Artikeln (ja, der Vorwurf fällt leider auf euch zurück…) in ihr Gegenteil verkehren, nur um diffuse Ressentiments gegenüber einer linken Kritik anzubringen, mit der man* und frau* sich scheinbar nicht einmal ansatzweise beschäftigt hat. Das mag zwar einer gewissen Selbstvergewisserung von Mittelstands-Bürger*innen dienen, die daran glauben, schon irgendwie richtig zu liegen, wenn sie sich nur weit genug von links und rechts abgrenzen (Stichwort 'Extremismustheorie': http://www.publikative.org/2014/12/17/pegida-und-die-extremismustheorie/), doch darüber hinaus ist damit leider niemandem geholfen und mit Humanismus – oder gar Liberalismus – hat das nun wirklich jar nüscht zu tun. Schade! Ich glaube, ihr könntet das besser!
…vielleicht noch als Ergänzung: Selbstverständlich gibt es Unterschiede zwischen Männern* und Frauen* – sowohl biologische als auch soziale. Zu glauben, dass Letztere durch Erstere determiniert seien ist doch aber wirklich reaktionärer Bullshit! Oder glauben Sie etwa, dass Frauen* biologisch dazu bestimmt seien, weniger zu verdienen, sich mehr um den Haushalt zu kümmern etc.? Es muss also genau umgekehrt heißen: Wer die soziale Konstruiertheit dieser Unterschiede leugnet, ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht ernst zu nehmen (mir sind keine "Hausfrauen-Gen" o. ä. bekannt).
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Schade, dass auch Ihr jedem Stöckchen, das man wegwirft, hinterher hetzt.
Die Redaktion des hpd hat sich zur Löschung des Artikels entschlossen – nicht, weil irgendwelche ominösen Über-Humanisten sich beschwerten, sondern weil die einseitige biologische Sicht auf das Geschlecht falsch ist.
Das haben wir Prof. Kutschera mitgeteilt und ihm angeboten, seine These genauer zu fassen und innerhalb einer Debatte im hpd zu veröffentlichen.
Frank Nicolai (hpd)
Das Problem an dem Text – und möglicherweise der verständliche Grund für die Entfernung von der hpd-Seite – ist, dass völlig unklar ist, worum es sich dabei handelt. Zwei Drittel sind eine Aufzählung von Veranstaltungen und im letzten Drittel kommt dann dieses Gendertheorie-Bashing um die Ecke gebogen, das frei ist von einer klaren Argumentation. Wenn Kutschera der Gendertheorie hier vorwirft "quasi-religiös" zu sein, dann sollte er nicht selbst mit einem quasi-religiösen Sprachduktus daherkommen. Die Nähe zwischen Genderismus und Kreationismus wird einfach in Propagandamanier behauptet. Und wenn das einzige Ergebnis der Diskussion in San Jose war, dass man sich mal mit dem Genderismus befassen muss, dann ist die Frage, wie die letzten vierzig Jahre Diskussion um das Thema verschlafen werden konnten. Wissenschaftliche Argumentation geht anders.
????
Gehört es nicht zur Biologie, sich mit Lebewesen und ihren Interaktionen untereinander und der Umwelt zu befassen?
Ist der Evolutionsprozess nicht durch diese Interaktionen entstanden?
Die Welt ist grau und ein sehr komplexes System. Mir sind die Ausprägungen der Fachbereiche zu einseitig, aber wahrscheinlich ist dies erforderlich, um Schlagzeilen/Fachbereiche zu produzieren.
Es geht ja -wie im unteren Teil des Artikels vermerkt wird- um viel Geld. In einer Fernseh-Diskussion konnten auch keine wegweisenden Ergebnisse aus den Gender-Bereichen der Unis genannt werden. OK, mit einigen Forschungsthemen kann man sicherlich so manche Kneipe erheitern, aber dafür wird zu viel Geld in diese Bereiche gelenkt, das woanders fehlt.
Wer Geld verdienen will, muss sich unabhängig von seinem Geschlecht einen Job suchen, der gut bezahlt wird, und es gibt Männer die gerne kochen und zumindest in Bezug auf das Auto ein "Putzgen" haben.
Wenn ich meine letzten Infos aus diesem Themenkomplex denke, ist für mich das Geschlecht/die Geschlechterrolle überwiegend biologisch bestimmt.
Lieber Frank Nicolai,
zu deiner Aussage habe ich zwei Nachfragen:
1) Bedeutet dies, dass Kutscheras Aussage "haben sich Humanisten, die der Genderismus-Ideologie nahestehen beschwert, und diesen Beitrag als nicht der hpd-Linie entsprechend kritisiert. Die Redaktion hat sich daraufhin entschlossen, die Publikation des kontroversen Artikels rückgängig zu machen" nicht der Wahrheit entspricht?
2) Wieso wurde der Text denn dann überhaupt veröffentlicht, wenn er doch nicht den Standards der Redaktion entsprach?
Egal, was man vom Inhalt des Artikels hält. Ihn erst on zu nehmen, und dann kommentarlos zu löschen, führt zwangsläufig zu Gerede.
Egal was man von der Genderforschung hält, der Mann sieht zumindest den Glaubenswahn ziemlich klar:
http://hpd.de/node/12775
@"keineEigenverantwortung". Zu einigen Ihrer Aussagen möchte ich hier mal Stellung beziehen.
1. "In einer Fernseh-Diskussion konnten auch keine wegweisenden Ergebnisse aus den Gender-Bereichen der Unis genannt werden".
→ Vielleicht liegt das daran, dass in keinen dieser Shows auch nur ein*e Expert*in aus dem Bereich der gender studies geladen war!?
"Wer Geld verdienen will, muss sich unabhängig von seinem Geschlecht einen Job suchen, der gut bezahlt wird"
→ Schön, wenn das so einfach wäre! Schade nur, dass Frauen* schlechter an gut bezahlte Jobs kommen, weil sie sich oftmals alleine um die Bälger kümmern müssen und/oder für die gleiche Arbeit, die Männer* verrichten, einfach schlechter bezahlt werden, nur weil sie Frauen* sind.
"…und es gibt Männer die gerne kochen und zumindest in Bezug auf das Auto ein 'Putzgen' haben"
→ "Putzgene" gibt es nicht (die Studie würde ich gerne sehen!) und dass Männer* oftmals auch gerne Putzen und Kochen, zeigt doch, dass die überwiegende Zuweisung dieser Arbeiten zu Frauen* sozial konstruiert ist.
"Wenn ich meine letzten Infos aus diesem Themenkomplex denke, ist für mich das Geschlecht/die Geschlechterrolle überwiegend biologisch bestimmt"
→ Wenn die Geschlechterrolle biologisch durch das Geschlecht bestimmt wäre, so wären etwa Frauen*, die unter der Sharia leben, biologisch (!) zu der Rolle verdammt, die sie in der jeweiligen Gesellschaft einnehmen. Ihnen ist hoffentlich klar, wie abstrus (und in so einem Fall auch rassistisch) das ist? Wenn nicht, dann würde ich Ihnen raten, Ihre Positionen noch einmal gründlich zu überdenken.
Da wird ein Artikel von den humanistischen Greifhunden verbellt und hast du nicht gesehen, verschwindet der verbellte Stein des Anstoßes. Woran erinnert mich das bloß?
@ Thomas Weigle #11
na, woran erinnert Sie das?
ich würde mal sagen: an eine "Farce"
da machen die Ruhrbarone bei einer Farce mit: wo es keine Meldung gibt, da machen wir uns einfach eine …
Lieber Arnold Voss, dass Kreationismus nicht nur pseudo-religiös, sonder schlicht religiös motiviert ist, ist trivial. Bei den Genderstudies wäre das aber erst noch nachzuweisen.
Ulrich Kutschera schreibt: "Eine faktenbasierte, naturwissenschaftliche Analyse dieses destruktiven, quasi-religiösen Glaubens steht derzeit noch aus,"
Ob das noch aussteht, darüber habe ich als Laie keinen genauen Überblick, obwohl ich schon einige Vergleiche zwischen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen im Zusammenhang mit der sogenannten Gendertheorie gelesen habe, die letztere tatsächlich in die Nähe religiösen Glaubens rücken. Zumindest gibt keine Naturwissenschaft den Genderisten Recht. Der Genderismus steht deshalb eindeutig außerhalb der Naturwissenschaften.
Darum kann ich Kutschera sehr gut folgen, wo er schreibt:
" aber eine Schlussfolgerung kann definitiv gezogen werden:
Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Biologie“.
Wobei ich statt "Biologie" den weitergehenden Begriff Naturwissenschaften einsetzen würde.
Darum sehe ich in der "offlinenahme" seines Artikels auch einen Angriff gegen die naturwissenschaftliche Sicht der Welt zugunsten einer nichtnaturwissenschaftlichen Sichtweise.
Und eine nichtnaturwissenschaftliche Sichtweise hat nach meiner Ansicht prinzipiell schon einen religiösen Aspekt. Bisher dachte ich, daß Humanisten genau solche quasireligiösen Weltsichten
bekämpfen würden. da habe ich mich wohl geirrt. Die Zeiten ändern sich.
Meine vier Punkte:
1. Ca. 95 Prozent der Bevölkerung können biologisch eindeutig als Mann oder Frau klassifiziert werden. (Auch wenn das für die übrigen 5 Prozent unbequem ist.)
2. Der durchschnittliche Testosteronwert ist bei Männern höher (und die Streuung größer, d.h. der Extremwert extrem höher). Deshalb bezeichnen wir körperliche/"seelische" Eigenschaften und Verhaltensweisen, die von höheren Testosteronwerten abhängen, ganz logisch als "eher männlich" – im umgekehrten Fall als "eher weiblich" Das ist logischer Sprachgebrauch und nicht sinnvoll zu ändern. (Auch wenn das für die femininen Männer und maskulinen Frauen unbequem ist.)
3. Es gibt selbstverständlich einen Bereich von kulturellen Zuschreibungen, der von Umständen abhängt. Bis zur Erfindung des Spinnrads waren Spinnen (mit der Spindel) und Stricken Beschäftigungen für unterwegs (beim Viehhüten usw.) und damals war Spinnen weiblich und Stricken männlich. Nachdem das Spinnrad erfunden wurde, fingen die Frauen an, unterwegs zu stricken; infolgedessen wurde Stricken (allmählich) eine typisch weibliche Beschäftigung – zweifellos auch deshalb, weil die Männer sich von den Frauen unterscheiden wollten!. Das sind also kulturrelative Entwicklungen.
4. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen kulturrelativen Entwicklungen und bloßen Zuschreibungen. Stricken ist nicht einfach dadurch weiblich geworden, dass die Regierung beschlossen hat, es sei eben weiblich und das müsste über die Schulen propagiert werden (obwohl die Schulen zweifellos einen Einfluss gehabt haben). Umgekehrt hat sich nämlich das "Stricken für Jungen" gar nicht durchgesetzt, obwohl es z.B. in NRW in den 70ern schuloffiziell war! Also die Fehlkonzeption, dass man einfach eine Kultur durch Sprachregelungen "von oben" ändern kann ("Orwellianism"), das ist vielleicht das entscheidende Problem heute.
Ich habe nicht die Absicht, den religiösen Kreationismus zu verteidigen. Aber die "intelligent design"-Theorie ist eine sinnvolle Alternativkonzeption, und der klassische Evolutionismus sollte immer im Vergleich zur intelligent-design"-Konzeption diskutiert werden.
Den Geisteswissenschaftlern und Geisteswissenschaften – vielleicht sogar der Theologie!?! – vorzuwerfen, darin wäre ohne Biologie keinerlei Sinn, halte ich für tollkühn, wenn nicht gar tollwütig, weil die Reflexion auf den S i n n aussteht und gähnend vor Sinn – Leere klafft oder naiv und ebenso unkritisch einfach so als bekannt vorausgesetzt ist, auch die Biologie kann nicht umhin, vor aller Bio"logie", a priori einmal festzulegen, was eine "Logie" denn überhaupt und schlechterdings sei !!!
"Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Biologie“.
Für Herrn Prof. Dr. Kutschera scheint in einem sokratischen Dialog sowohl "Nichts" als auch sogar "Sinn" ein biologisches Phänomen bzw. Epiphänomen zu sein ??? Vielleicht ist das die jüngste "Metaphysik" aus Kassel und Stanfort. "Umso schlimmer für die Wirklichkeit" (G.F.W. Hegel) Ich weiß es nicht und weiß doch um das Nichts und den Sinn von Nichts, im Angesicht thermonuklearer Suicidgefahr der Menschheit und der Evolution!!!
#17 Sinn des Lebens, des Universums? Tja, vom Einzeller bis zum Schwarzen Loch: Fressen und Gefressen werden. Besonders tiefsinnig scheint mir dies nicht zu sein.
"Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Biologie“ ist natürlich ein bemerkenswert dummer Satz. Selbst in der Umformulierung als "Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Naturwissenschaften“ ist er nicht besonders schlüssig. Die Umkehrung ist für heutige Wissenschaft vermutlich sinnvoller: "Nichts in den Naturwissenschaften ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Geisteswissenschaften."
@10 LF:
Ich hoffe, dass Sie ein paar Fakten beisteuern können.
– Welche Erkenntnisse gab es konkret von den Gender-Lehrstühlen?
– Warum haben Frauen schlechtere Chancen? Das entspricht nicht meiner wahrgenommenen Realität. Seit den 80er Jahren werden doch insbesondere Frauen in allen Bereichen gefördert. Wir haben eine Kanzlerin, eine Ministerpräsidentin, …. Es gibt natürlich ungleiche Bezahlung, und im Einzelhandel verdient man weniger als am Fließband in der Autofabrik, wenn diese traditionelle Verträge hat. Löhne sind nie gerecht. Wenn man Geld verdienen möchte, muss man den Job nach dem Gehalt aussuchen und sich auf diese Jobs bewerben.
– Putzgen war bewusst in Anführungszeichen gesetzt 🙂
….
Da Genderforschung heute in nahezu jeder Wissenschaft selbstverständlicher Teilbereich ist, glauben Sie, lieber keineEigenverantwortung, doch nicht ernsthaft, dass ihre Frage nach den konkreten Erkenntnissen der Genderforschung hier auch nur annähernd hinreichend beantwortet werden kann.
#23:
Ein paar Einzelheiten würden mir schon helfen.
@23 Rambow, wer behauptet, daß es etwas gibt, hat dem gegenüber eine Bringschuld, der meint, daß es das nicht geben kann. Meist geht unter Privatleuten der Streit aber so, daß man von demjenigen, der etwas nicht glaubt, den Nachweis verlangt, das es das wirklich nicht gibt. In den Natur- und Ingenieurwissenschaften aber ist immer derjenige zum Nachweis verpflichtet, der eine Behauptung aufstellt. Dementsprechend müßten sie jetzt @keineEigenverantwortung einen beweis liefern.
Und die Gendertheoretiker müßten ihrerseits ihre Theorie beweisen.
@ keineVerantwortung: Wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der gender studies nehmen eine ganz klar politische (!) Perspektive ein. Diese Perspektive können Sie innerhalb einer Demokratie befürworten oder auch ablehnen – das ist klar! Um auszumachen, welchen Blickwinkel Studien in diesem Bereich einnehmen, hilft Ihnen vielleicht folgendes Zitat weiter:
"Gender studies is a discipline created originally by activists, and those who study it today see it as their mission to identify, analyze, and correct social inequities both locally and globally" (http://en.wikipedia.org/wiki/Gender_studies#Importance_of_gender_studies).
Wenn Sie behauptete Erkenntnisse der gender studies – wie die Konstruiertheit von Geschlecht – mithilfe biologischer und psychologischer Untersuchungen falsifizieren wollen, sei Ihnen das gegönnt! Schließlich ist das normaler wissenschaftlicher Usus. In gleicher Weise können sich aber auch Sozialwissenschaftler*innen, die sich dem Projekt der gender studies annehmen, der Falsifizierung biologistischer Behauptungen widmen. Genau das habe ich (aus meiner Sicht) z. B. oben getan, indem ich Ihre Behauptung der biologischen Determiniertheit von Geschlechterrollen vor dem Hintergrund der Kulturabhängigkeit von Geschlechterrollen widerlegt habe. Das Einzige, was Sie meiner Argumentation (wenn Sie denn darauf eingingen) noch entgegensetzen könnten, wäre zu behaupten, dass die anderen Geschlechterrollen von Frauen* in islamistisch dominierten Gesellschaften (etwa dem Iran) nicht auf soziale Konstruktionsprozesse, sondern auf andere Gene 'anderer Rassen' (bewusst in Anführungszeichen gesetzt!) zurückzuführen wären. Spätestens da würden Sie dann aber eine politische Perspektive einnehmen, für die Sie momentan wahrscheinlich keine Forschungsgelder zur Verfügung gestellt bekämen. Ich bin froh darüber, dass die politischen Verhältnisse in unserem Land zurzeit so gestellt sind, dass stattdessen gender studies finanzielle Unterstützung erhalten.
Wer dies nicht so sieht, kann wie gesagt gerne dagegen an forschen. Einfach nur ein paar Begriffe wie "Gender-Ideologie", "Genderismus" und "Genderkritik" in den Raum zu schmeißen, ohne deren Bedeutung in wissenschaftlichen Diskursen auch nur ansatzweise erfasst zu haben (schließlich haben die Begriffe eigentlich eine genau umgekehrte Schlagrichtung!), wird dabei aus meiner Sicht aber kaum reichen, da solch eine Kritik notwendigerweise auf den Kritiker* oder die Kritikerin* zurückfällt. In diesem Sinne: try harder!
@25:
Dass Menschen durch die Gesetze einer restriktiven Gesellschaft in ein "unnatürliches" Verhalten gedrängt werden können, ist offensichtlich. Hier geht es auch um Deutschland, das ich freies Land einstufe, in dem sich die meisten Menschen, wenn sie wollen, frei entwickeln können.
Beispiele aus sehr restriktiven Gesellschaften sind deshalb wenig überzeugend.
Mir fehlt immer noch ein Beispiel dafür, welche nutzbaren Ergebnisse die hohen Summen im Bereich der hiesigen Gender-Lehrstühle etc. produzieren.
P.S:
Ich mag keine Texte, in denen versucht wird, in jedem Satz versch. Geschlechter zu integrieren. Wollen sich die Autoren hier bewusst distanzieren? Geht es darum, eine Zielgruppe anzusprechen?
@ Rambow # 13
"Lieber Arnold Voss, dass Kreationismus nicht nur pseudo-religiös, sonder schlicht religiös motiviert ist, ist trivial." Für uns beide mag das stimmen, für streng religiöse Menschen gilt das wahrscheinlich nicht.
Die Beschwerdeführer gegen Herrn Kutschera könnten <i>beispielweise</i> einen Titel wie <a href="http://www.amazon.de/Von-Natur-aus-anders-Geschlechtsunterschiede/dp/3170216252/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1430496829&sr=1-2">Doris Bischof-Köhlers "Von Natur aus anders"</a> zur Kenntnis nehmen, der wohl eines der wissenschaftlichen Standardwerke zum Thema darstellen dürfte. Dann wäre nämlich klar, dass es sehr wohl über die rein anatomischen Geschechtsunterschiede hinausgehende <i>verhaltensrelevante</i> psychologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, die sich gleichwohl nicht als deterministische, sondern als statistische Gesetzmäßigkeiten auswirken und im Mittel zu unterschiedlichen <i>Präferenzen</i> von Männern und Frauen führen.
Hier von einem "Hausfrauen-Gen" zu sprechen (und damit deterministische Behauptungen als Strohmann aufzubauen), wie das die zusammengehörenden Kommentare #2 und #3 tun, ist insofern ein völlig irreführender Hinweis von der Art, welcher in netzfeministischen Kreisen gerne als Entgleisungstaktik, als "Derailing", bezeichnet wird. Wozu auch der Versuch passt, das biologische Argument in die politische Ecke von PI-News und Pegida abzuschieben.
Dabei finde ich Kutscheras Text gar nicht unproblematisch. Ein Satz wie "Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Biologie" vertritt in meinen Augen klar überzogene und unhaltbare Ansprüche an die Erklärungskraft der Biologie.
Aber wenn man Kutscheras Text schon veröffentlicht hat, dann sollte man die dadurch angestoßene Kontroverse vertiefen und nicht abwürgen, indem man den Artikel kommentarlos zurückzieht. Insofern ist die Aufmerksamkeit der "Ruhrbarone" zu begrüßen und nicht als Apportierverhalten zu denunzieren, wie Kommentar #5 von Herrn Nicolai ("Schade, dass auch Ihr jedem Stöckchen, das man wegwirft, hinterher hetzt.") das versucht.
@25:
Wie sieht es mit kreativen Außerirdischen aus, die vor vielen Jahren Gene vermicht haben könnten?
Das ist auch eine Theorie, die schwer zu widerlegen ist.
Liebe @LF, Sie sagen selbst, "Wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der gender studies nehmen eine ganz klar politische (!) Perspektive ein." und sie haben nichts dagegen wenn jemand "behauptete Erkenntnisse der gender studies – wie die Konstruiertheit von Geschlecht – mithilfe biologischer und psychologischer Untersuchungen falsifizieren" will, "das sei ihm gegönnt".
Ja genau das sehe ich auch so. Gendertheorie ist politisch definiert, und hat mit biologischen und sogar psychologischen Untersuchungen nichts zu tun.
Das ist es doch. Sie sagen es selbst. Warum regen Sie sich dann so auf? Genau das machen die Genderkritiker hier, mich eingeschlossen.
Wer mal sehen möchte, wie quasi-religiös die Gender-"Forscher" tatsächlich sind, dem sei die preisgekrönte Dokumentation von Harald Eia ans Herz gelegt. Insbesondere Teil 1 und 7 sollte man sich anschauen:
1. In Norwegen hat eine Dokumentationsreihe des Soziologen und Kabarettisten Harald Eia, in der er sich in einer Vielzahl von Interviews auf die Fährte von Forschungsergebnissen der Gender Studies begibt, in einer breiten Debatte zur Verbannung selbiger Gender Studies aus den Universitäten und zur Einstellung staatlicher Förderung geführt. Das ist – zunächst ohne Wertung – ein bemerkenswerter Vorgang, mit dem sich Anhänger der Gender Studies eigentlich ausführlich auseinandersetzen müssten. Dass eine schlichte Dokureihe eine derartige argumentative Strahlwirkung entfaltet, dass ein ganzer angeblich wissenschaftlicher Forschungszweig desavouriert wird, ist ein bis heute einmaliger Vorgang. <a href
gt;Hier</a> die Doku mit englischen Untertiteln, <a href=http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/harald-eia-gegen-den-gender-mainstream-das-wurde-haesslicher-als-ich-gedacht-habe-11899907.html>hier</a> ein Interview (der Faz) mit Harald Eia.
Merkwürdigerweise gab es von Seiten der Deutschen Gender Studies Gemeinde nicht <i>eine</i> seriöse Einlassung zu diesem unerhörten Vorgang. Dabei müsste es größtes Anliegen einer klar wissenschaftlich orientierten Forschung sein, sich aktiv und mit klaren Argumenten gegen eine solche Entwicklung zu stellen. Auf bananenrepublikanische Zustände kann man in Norwegen jedenfalls nicht verweisen. Stattdessen seit Jahren geradezu dröhnendes Schweigen. Was soll man davon halten?
2. Dass man bei Begriffen klar unterscheiden muss, darauf hat der Kommentator LF bereits hingewiesen, nur leider ziehen Sie, lieber LF, daraus dann selbst ungenaue Schlüsse. Was der Begriff "Gender" meint, oder wie er entstanden ist, beantwortet nicht die Frage nach dem Inhalt der Gender <i>Studies</i>, da besteht höchstens eine Indizwirkung, die Sie dann ja auch mit einigem Geraune in den Raum stellen.
Tatsächlich ist das Axiom der Gender Studies die Vorstellung, dass die Kategorie Geschlecht abseits der offensichtlichen körperlichen Unterschiede (Geschlechtsmerkmale) vollständig sozial erlernt (konstruiert) wird. Ob weitere recht offensichtliche Unterschiede wie Körperkraft nicht bereits sozial erlernt werden (Jungen werden eher zu Sport ermutigt) ist bereits streitig. Durch Erziehung wäre es demnach jedenfalls in einer idealisierten experimentellen Umgebung möglich, jeden Jungen so zu erziehen, dass er ausschließlich heute als "weiblich" verstandenes Verhalten zeigt. Auf diesem Axiom bauen alle Modelle und Überlegungen, die sich Gender Studies über Gesellschaften machen, auf.
Das ist selbstverständlich wissenschaftlicher Kritik zugänglich, auch abseits der eher polemischen Einlassungen Kutscheras. Denn entgegen mathematischer Axiome ist die Grundannahme der Gender Studies dem Beweis und der Widerlegung zugänglich. Und hier verhält es sich eben so, und das ist der fachliche Aspekt, der im Essay von Herrn Kutschera zumindest anklingt: es gibt bereits heute unzählige Ergebnisse vieler verschiedener Forschungszweige, die die Grundannahme der Gender Studies mindestens deutlich einschränken. Eine seriöse Wissenschaft hätte dieses Axiom ob der vielfältigen einschränkenden Forschungsergebnisse <i>längst</> aufgeben müssen.
Stattdessen, und das sieht man exemplarisch wunderschön an Ihnen, lieber LF, ziehen sich Anhänger der Gender Studies auf einen ethisch-moralischen Standpunkt zurück und kämpfen für ihre liebgewonnene Deutung: wir sind die Guten, wir wollen doch die bessere Gesellschaft, Frauen werden doch derart massiv benachteiligt allein deshalb haben wir recht, wo kämen wir auch hin, wenn man biologische Grundlagen wieder mehr mit ins Bild nehmen müsste? Klingt das nicht alles viel zu sehr nach Rassenlehre? Und genau hier ist die durchaus sichtbare Parallele zum Kreationismus: wissenschaftlich irrelevante Aspekte werden angeführt, um das eigene Ergebnis zu rechtfertigen. Das aber ist Glaube.
3. Was Sie, lieber LF, und viele Anhänger der Gender Studies zu verkennen scheinen, ist, dass die Annahme größerer biologischer Einflüsse auf menschliches Verhalten per se überhaupt nichts über ein richtig oder falsch aussagt. Wenn eines Tages zweifelsfrei bewiesen werden sollte, dass Frauen aufgrund spezifisch weiblicher hormoneller Einflüsse im Schnitt lieber Kinder erziehen, als im Vorstand eines Konzerns zu brillieren, dass also eine dahin gehende Erziehung nur der Erfahrung mit natürlichen Präferenzen folgt, dann heißt das gerade nicht, dass <i>alle</i> Frauen zurück an den Herd müssten. Denn eine Betrachtung über den Schnitt sagt gerade nichts über jede einzelne Frau.
Gerade das Verständnis biologischer Zusammenhänge kann stattdessen für mehr Akzeptanz sorgen: behauptet man mit den Gender Studies, geschlechtliche Identität sei erlernt, gibt es keinen Grund, warum man Homosexuelle nicht umerziehen sollte, wenn es die Mehrheit so will. Dagegen haben sie nur noch das Argument, dass das böse sei und die Welt viel schöner wäre, wenn jeder so sein dürfte, wie er will. Stellt man dagegen fest, dass Homosexualität angeboren ist, und klärt man in der Schule darüber auf, so leuchtet fast allen Menschen unmittelbar ein: keiner kann etwas dafür, wie er geboren wurde.
@LF
"Selbstverständlich gibt es Unterschiede zwischen Männern* und Frauen* – sowohl biologische als auch soziale. Zu glauben, dass Letztere durch Erstere determiniert seien ist doch aber wirklich reaktionärer Bullshit!"
Da haben Sie recht, nur bauen Sie damit den Standard-Strohmann auf, der von Genderisten immer gerne aufgebaut wird, dabei behauptet das heute so gut wie niemand mehr. Zwischen der ausschließlichen biologischen Begründung von unterschiedlichem Verhalten (Biologismus) und ausschließlichen sozialer Begründung (Gender Theorie) gibt es ein weites Feld. Genderisten tun immer so, als gäbe es nur das eine oder andere. Während man diesen Strohmann aufbaut, verdammt man gleichzeitig jeden, der einwendet, dass es <em>auch</em> biologische Ursachen gibt, als Biologisten, als ob man schon behauptet hätte, <em>alles</em> wäre biologisch determiniert. Wenn man natürlich davon ausgeht, dass <em>jedes</em> Verhalten sozial begründet ist, ist natürlich jeder mit abweichender Meinung ein Biologist.
Wie man auf die Idee kommen kann, dass ein komplett unterschiedlicher Hormonhaushalt und ein anders aufgebautes Gehirn nicht den geringsten Einfluss aufs Verhalten haben, bzw. diesen leugnet oder als irrelevant abtut, während es angeblich von entscheidend prägender Bedeutung ist, ob man im hellblauen oder rosa Strampelanzug im Kindbett liegt, erscheint mir doch ziemlich abstrus.
Und wie erklärt man sich spezifisch männliches und weibliches Verhalten im Tierreich? Haben sich da auch die männlichen Hirsche irgendwann verschworen, um durch ein Hirschpatriarchat die Hirschkühe zu unterdrücken, indem man ihnen gegenüber dominantes Verhalten zeigt? Das ist ja der zentrale Kritikpunkt von Kutschera: So zu tun, als würden Menschen komplett andere Hintergründe für ihr Verhalten haben als alle anderen Tierarten, widerspricht extrem der Evolutionstheorie.
Ich bin davon überzeugt, dass es starke biologische Einflüsse gibt, während es natürlich auch soziale Einflüsse gibt, die biologische Prädispositionen verstärken oder abschwächen können. Die Prädispositionen determinieren aber noch nicht unbedingt etwas. Und sie sagen noch nichts über den einzelnen Menschen aus, über die Gesamtheit im Durchschnitt jedoch schon. Jeder Mensch ist individuell und daher finden sich im einen starke Prädispositionen zum eigenen biologischen Geschlecht hin, im anderen schwache oder sogar in wenigen Ausnahmefällen zum anderen Geschlecht hin. Es gibt da ein weites Feld von Ausnahmen, gerne mit den Kürzeln LSBTTI bezeichnet. Aber sie bleiben Ausnahmen. Was nichts, aber auch gar nichts aussagt über gleiche Rechte und gleiche Würde, die ihnen selbstverständlich genauso zugestanden werden müssen. Aber die Existenz von Abweichungen und Zwischenformen macht noch lange nicht die Hauptkategorien Mann und Frau unbrauchbar. Oder wie es Harald Martenstein ausgedrückt hat, aus der Existenz von Spezi kann man nicht schließen, dass die Kategorien Cola und Orangensaft keinen Sinn mehr haben.
Dass Biologen und Verhaltensforscher haufenweise empirische Daten sammeln und Genderisten nichts als Theorie vorzuweisen haben, hat <a href="https://www.youtube.com/watch?v=3OfoZR8aZt4" title="Harald Eia: Gehirnwäsche: Das Gleichstellungs – Paradox ">Harald Eia</a> in seiner Dokumentation fürs norwegische Fernsehen wunderbar dargestellt. Was dazu geführt hat, dass Mittel für Gender-Lehrstühle in Norwegen deutlich zusammengestrichen wurden.
Zum Thema selbst: Es ist schon ein interessanter Vorgang, wenn der hpd gegenüber einen der wichtigsten eigenen Mitstreiter zu einer solchen Zensurmaßnahme greift. Kutschera ist immerhin im Beirat der Giordano Bruno Stiftung, die derzeit wohl wichtigste und aktivste säkulare Organisation. Es liegt wohl daran, dass man sich in der humanistischen Szene weitgehend als links(-liberal) begreift und sich vor allem von Vorstellungen eines "christlichen Menschenbildes" abgrenzen will, weshalb Gender Theorie und Genderfeminismus dann eher unkritisch als "emanzipatorisch" einfach akzeptiert werden, weil diese eben dieses Menschenbild dekonstruieren wollen. Man treibt also quasi den Teufel mit dem Beelzebub aus.
@ Humanist + Luc
Danke für den Link auf die norwegische Dokumentation. Nach meinem wissenschaftlichen Verständnis sind die dort gezeigten Gender-Forscher keine Forscher sondern Ideologen. Ihre Reaktionen auf die biologischen Untersuchungen sind von geradezu peinlicher Arroganz. Dabei lehnen die dort gezeigten Biologen die kulturellen Einflüsse nichteinmal ab, sondern relativieren sie aus der Sicht ihres Faches. Würde gerne mal die Reaktion deutscher Genderforscher auf die dort gezeigten biologischen Untersuchungen sehen/hören.
@ Luc: Sie zeigen mit Ihren Einträgen, wie eine fundierte Kritik aussehen kann! Von solch differenzierten Betrachtungen sind Leute wie der Autor des Artikels doch aber meilenweit entfernt. Ich habe überhaupt nichts gegen eine fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Mich nervt nur, wenn es in einigen Milieus schon reicht, die umgedeuteten (Kampf-)Begriffe "Genderismus" und "Gender-Ideologie" in den Raum zu werfen, um sich als eigenständige Denkerin* oder eigenständiger Denker* zu profilieren. Ich selbst habe mich übrigens noch überhaupt nicht groß mit gender studies befasst und will mich weder zu einem Experten noch zu einem starken Verteidiger dieser Forschungsrichtung aufschwingen. Allerdings habe ich mich ein bisschen mit Judith Butlers queer theory beschäftigt und muss sagen, dass (so sehr ich die politische Person Butler verachte) die darin enthaltenen Blickwinkel für soziologische Untersuchungen äußerst hilfreich ist. Selbstverständlich handelt es sich bei Arbeiten wie denen von Butler um eine Art theoretische Vorarbeit, die noch keine harten Fakten liefert. Allerdings ist es im Vorfeld sozialwissenschaftlicher Studien doch elementar zu wissen, wo man* und frau* überhaupt ansetzen soll!
@ Helmut Junge (Zitat: "Gendertheorie ist politisch definiert, und hat mit biologischen und sogar psychologischen Untersuchungen nichts zu tun. Das ist es doch. Sie sagen es selbst. Warum regen Sie sich dann so auf? "): Also erst einmal kann ich Sie beruhigen, dass ich mich gar nicht aufrege, sondern ganz gemütlich tippend vor meinem Laptop sitze :-). Was Ihre Kritik an der politischen Motiviertheit der gender studies angeht, möchte ich Ihnen aber entgegnen, dass Wissenschaft (bewusst oder unbewusst) immer politisch ist, solange sie nicht fernab jeglicher gesellschaftlicher Sachverhalte und Probleme agiert! Wenn das nicht so wäre, fände ich Wissenschaft auch viel zu trocken und langweilig. Dass Ihnen die politische Schlagrichtung der gender studies nicht passt, ist ja okay! Mir passen z. B. die neoliberalen ökonomische Ansätze aus der Östereichischen und Chicagoer Schule nicht. Für eine fundierte Kritik daran (die ich hier nicht anbringen will) reicht es aber auch nicht, einfach nur Begriffe wie "Neoliberalismus" oder "Marktradikalismus" in den Raum zu werfen. Alles andere wäre wieder pure Selbstvergewisserung. Insofern taugt ein Artikel wie der oben veröffentlichte höchstens als rechtspolulistische und oder (neo)konservative Selbstverortung, aber nicht als ernst zu nehmender Beitrag zu einer tiefgreifenden Debatte über die gender studies.
Sehr geehrter Herr Nicolai,
Sie schreiben:
"Die Redaktion des hpd hat sich zur Löschung des Artikels entschlossen – (…) weil die einseitige biologische Sicht auf das Geschlecht falsch ist."
Hierzu folgende Fragen:
1. Welche Studien oder andere wissenschaftlichen Untersuchungen liegen dem humanistischen Pressedienst vor, die Ihre Aussage stützen?
2. Auf welche wissenschaftlichen Veröffentlichungen kann der humanistische Pressedienst verweisen, die die Wissenschaftlichkeit der Genderstudies in irgendeiner Weise untermauern? Kennen Sie irgendeine wissenschaftliche Veröffentlichung der Genderstudies zu Geschlecht, oder gibt es neben feministischen Sprachführern dort noch irgend etwas substantielles?
Vielleicht sollte man hier noch anmerken, daß die Kritik von Herrn Kutschera insofern polemisch und unsachlich ist, als Gender-Ideologen ja nicht die Evolution an sich leugnen. Nur eben wenn es um die Geschlechtsunterschiede von Mann und Frau geht, mutieren Gender-Ideologen zu sozialen Kreationisten.
Man muß die Kritik also differenzieren. Recht hat Herr Kutschera sicherlich mit der Feststellung, daß Gender Studies eine quasireligiöse Pseudowissenschaft sind. Das transzendente Himmelreich ist für Gender-Ideologen die diesseitige angebliche Gleichberechtigung der Frau. Wobei der Gleichberechtigungsbegriff insofern pervertiert und ausgehöhlt wird, als er nicht juristisch verstanden wird. Vielmehr meinen Gender-Ideologen zu wissen, was bei einer tatsächlichen Gleichberechtigung für Verteilungen von Männern und Frauen entstehen müßten. Ist ja auch logisch, wenn unsere Geschlechtlichkeit angeblich ein Konstrukt ist.
Der Vergleich zu den Kreationisten ist insofern treffend, als diese ja wahnhaft und paranoid alle Empirie in Richtung intelligent design interpretieren. Genauso arbeiten auch Gender-Theoretiker: Es kann eigentlich nur ein Endergebnis geben. Biologische Fakten und Erkenntnisse werden einfach geleugnet oder eben irgendwie dekonstruiert.
Eines muß noch gesagt werden: Es ist traurig, daß (militante) Atheisten wie der hpd sich dem Feminismus und der Gender-Ideologie andienen. Nichts gegen unschuldigen, harmlosen Atheismus. Man muß sich aber klarmachen, daß dieser Atheismus schon aggressiver und missionarischer daherkommt und sich in strikter Opposition vor allem zur katholischen Kirche befindet. Er versteht sich deshalb als fortschrittlich und eher links. Daher kommt dessen dezidierte Nähe zu Feminismus und Gender-Ideologie. Man wähnt sich nämlich damit auf einer kirchenkritischen Seite, weil man einen Gegenpol zum katholischen Konservatismus darstellen will.
Berechtigte Kirchenkritik sollte seriös bleiben und sich nicht gemein machen mit pseudoprogressiven Heilslehren wie der Gender-Ideologie.
Hier noch ein Surftip: http://gender-ideologie.de
Um mit meinen Kommentaren selbst nicht nur an der Oberfläche zu kratzen, muss ich jetzt auch mal auf inhaltlicher Ebene auf die Kritik einsteigen, die hier von unterschiedlicher Seite geäußert wurde (tut mir Leid, dass ich dafür ein bisschen ausholen muss!).
Ich möchte mal ausgehen von einem Zitat von Aranxo… Er sagte: "So zu tun, als würden Menschen komplett andere Hintergründe für ihr Verhalten haben als alle anderen Tierarten, widerspricht extrem der Evolutionstheorie".
Ich persönlich betrachte Menschen nicht als eine "Tierart" unter anderen, aber sei's Ihnen gegönnt, Aranxo, menschliches Verhalten durch Versuche mit Laborratten o. ä. erklären zu wollen. Ich selbst bin – wie Sie vermutlich gemerkt haben – eher sozialwissenschaftlich orientiert und halte deshalb mehr davon, soziales Verhalten von Menschen mit Theorien zu erfassen, deren Erklärungsgehalt dann an Ausschnitten aus der (menschlichen!) Wirklichkeit überprüft werden kann. Zu solchen sozialwissenschaftlichen Theorien sind auch die Ansätze der gender studies zu zählen (die mir wie gesagt nicht im Einzelnen bekannt sind).
Wenn sämtliche Theoriegebäude der gender studies am Abgleich mit der sozialen Wirklichkeit scheitern würden, müssten diese selbstverständlich verworfen werden. Das Pochen der gender studies auf die soziale Konstruiertheit von Geschlechterrollen (die wiederum auf soziales Verhalten einwirken) kommt mir aber lediglich wie eine klare Positionierung in der nicht enden wollenden nature-nurture-Debatte vor und solange diese Debatte nicht in aller Gänze geklärt ist (was vermutlich nie der Fall sein wird), sind solche offen einseitigen Positionierungen doch vollkommen legitim! Von keinem wissenschaftlichen Bereich kann und sollte verlangt werden, dass er sämtliche Blickwinkel und Forschungserkenntnisse aus anderen Bereichen in die eigenen Analysen einbezieht. Wenn Biolog*innen also entdecken sollten, dass die unterschiedlichen biologischen Veranlagungen von Männern* und Frauen* hie und da ein bestimmtes Verhalten begünstigen können, dann müssen Vertreter*innen der gender studies ihre Theorien noch lange nicht allesamt in die Tonne kloppen (solange Biolog*innen nicht herausfinden sollten, dass sich sämtliches menschliches Verhalten durch das biologische Geschlecht der Menschen erklären lässt… Viel Spaß bei solch einer Beweisführung!).
Es mag durchausd sein, dass manche Vertreter*innen der gender studies über die Stränge schlagen und mit dem Hinweis auf die Konstruiertheit der Geschlechter eine Art Absolutheitsanspruch erheben (mir persönlich ist noch keine solche Behauptung untergekommen, aber ausschließen kann ich das nicht). Aus meiner Sicht behaupten Vertreter*innen der gender studies lediglich, dass Geschlechterrollen – im Sinne sozialer Rollen – kulturell konstruiert sind. Und das ist doch nun wirklich eine Binsenweisheit! Schließlich folgt das schon alleine aus dem Begriff der sozialen Rolle, der in der Soziologie etwa so definiert ist: „die soziale Rolle [stellt] die Gesamtheit der einem gegebenen Status (z. B. Mutter, Vorgesetzter, Priester etc.) zugeschriebenen ‚kulturellen Modelle‘ dar“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Rolle).
Wenn Theoretiker*innen wie Butler noch weiter gehen, indem sie sagen, dass nicht nur das soziale Geschlecht/die Geschlechterrolle (‚gender‘), sondern auch schon das biologische Geschlecht (‚sex‘) in der uns bekannten Form konstruiert ist, dann beziehen sie sich dabei meines Wissens nur auf den angeblich natürlichen Dualismus der Geschlechter, laut dem alle Menschen eindeutig als ‚Mann‘ oder als ‚Frau‘ zur Welt kommen (was mit dem Verweis auf Intersexuelle ja unbedingt zu bestreiten ist).
Ein problematischer Punkt ist für mich die Vermengung von sozialer Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität: Beide Aspekte werden oftmals unter den Begriff ‚gender‘ gefasst, obwohl sie aus meiner Sicht nicht deckungsgleich sind. Während die Geschlechterrolle per definitionem zu 100 Prozent sozial konstruiert ist, wage ich zu bezweifeln, dass dies auch für die eher psychologische Kategorie der Geschlechtsidentität gilt. Wer da von einer 100-prozentigen Konstruiertheit spricht, hält aus meiner Sicht z. B. Transsexuellen pauschal vor, sich nicht entsprechend einer individuell empfundenen Geschlechtsidentität einer Geschlechtsumwandlung unterzogen zu haben, sondern dabei zum Opfer äußerlicher, gesellschaftlicher Geschlechternormen geworden zu sein. Gleiches wäre der Fall (und da hat Luc vollkommen Recht), wenn behauptet würde, dass auch die geschlechtsbezogene sexuelle Orientierung der Menschen vollständig konstruiert sei. Wer das behauptet, würde allen nicht Pan-/Omni-Sexuellen vorwerfen, sich gesellschaftlichen Konstruktionen unterzuordnen.
Ein biologisches Geschöpf hat immer seine genetische Basis und interagiert dann mit der Umwelt. Je nach Voraussetzungen ist es natürlich in der Lage sich anzupassen.
Damit hat natürlich auch die Umgebung etc. einen Einfluss auf Menschen und wie sie agieren.
Ich frage mich, in welcher Welt Menschen leben, was für Beobachtungen sie machen, wenn sie wirklich davon ausgehen,, dass nur die eine oder andere Richtung da ist.
Der kritische Punkt ist wahrscheinlich, dass mit diesen Forschungen zu oft eine Benachteiligungs-Debatte mit dem Ziel, weitere gesetzliche Bevormundung zu schaffen, erzeugt wird. Ich mag diese Denkwelt nicht, weil sie aus meiner Sicht verhindern, dass sich Menschen aktiv um sich kümmern. Statt dessen gibt es eine "Die Gesellschaft benachteiligt mich, ich kann ja nicht"-Einstellung, die eigene Entwicklung behindert. Es kommt zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Ebenso kritisch sehe ich, dass unter dem Thema Gender…. zurzeit massiv Geld ausgegeben wird. Hier gibt es wichtigere Aufgaben.
@LF:
Das Problem der Gender Studies ist doch aber, dass die soziale Konstruktion von Geschlecht nicht irgendeine, sondern Grundannahme ist. Wenn diese Grundannahme falsch ist, können Sie _niemals_ systematisch richtige Forschungsergebnisse produzieren, sondern nur zufällig richtig liegen. Das ist dann zwar noch ganz nett, hat aber mit Wissenschaft nichts zu tun.
Ich wundere mich ehrlich gesagt auch etwas darüber, dass sie mit der klar politischen Ausrichtung der Gender Studies kein Problem zu haben scheinen. Ich habe nichts dagegen, wenn Aktivisten die Welt nach ihren Vorstellungen zu verändern suchen. Aber die Gender Studies wollen doch Wissenschaft sein. Stellen Sie sich eine Biologie vor, die sagt: wir haben eine klare politische Agenda und wollen die biologische Überlegenheit der arischen Rasse feststellen. Es besteht doch völlige Einigkeit darüber, dass diese NS-Biologie keine Wissenschaft mehr war, obwohl sie durchaus noch zufällig Verwertbares produziert hat. Wenn aber heute die Gender Studies sagen: wir wollen mittels der Annahme, Geschlecht sei sozial konstruiert, vor allem eine wissenschaftlich aussehende Handhabe zur Verfügung stellen, um die Gesellschaft nach unseren Vorstellungen zu verändern, dann haben Sie damit aus wissenschaftlicher Sicht kein Problem? Das kann ich mir kaum vorstellen.
Noch einmal in aller Deutlichkeit. Die Gender Studies nehmen ihr gewünschtes Ergebnis als Grundannahme und "forschen" dann darüber, was die soziale Konstruktion von Geschlecht heutzutage für schlimme Auswirkungen hat und was man dagegen tun müsste. Die Forschung ist dabei natürlich interdisziplinär, muss in _alle_ sonstige Forschung hineinwirken, denn tatsächlich kann ja niemand seinem Geschlecht entkommen und einfach Mathematiker sein. Das ist ja praktisch!
@LF
Ich will auch gerne noch direkt inhaltlich auf Sie eingehen. Sie bezeichnen die Aussage, Geschlechterrollen seien sozial konstruiert, als Binse. Eine tatsächliche Binse ist aber nur ein Teil dieser Aussage: Rollen wie "Feuerwehrmann" oder "Krankenschwester" sind natürlich Ergebnis des sozialen Entwicklungsprozesses. Das bestreitet aber auch in der Biologie niemand. Die obige Aussage geht aber weit darüber hinaus. Überlegen Sie: wenn das vollumfänglich richtig wäre, könnten Geschlechterrollen _beliebig_ dekonstruiert und neu verteilt werden. Es wäre durch bloße Erziehung möglich, Mädchen zu selbstverständlichen Soldaten zu machen, die in den Krieg ziehen, während ihre Männer weinend mit Taschentüchern am Bahnhof stehen. Durch Erziehung könnte man Frauen _in der Breite_ dazu bringen, Vollzeit zu arbeiten und ihren Mann mitzuversorgen, der daheim die Kinder erzieht. Warum man so erziehen wollte außen vor, es geht nur um die Reichweite obiger Aussage.
An dieser Stelle schränken (u.a.) Soziobiologen ein und sagen: Geschlechterrollen werden sozial _ausgeformt_, gehen aber nicht über biologisch vorgegebene grundlegende Präferenzmuster hinaus. Beispiel: wenn Frauen eine biologisch vorgegebene Partnerwahlpräferenz haben, einen möglichst wertvollen Mann zu ergattern, dann werden sich sozial nur solche männlichen Geschlechterrollen ausformen, die diesen natürlichen Präferenzen entsprechen. Alles, was Frauen _im Schnitt_ nicht gefällt, wird sozial als unmännlich angesehen werden (in welcher Ausformung auch immer, ob geringe Körperkraft oder der heutige "Schmerzensmann"). Umgekehrt werden gerade solche Rollenmodelle sozial als männlich ausgeformt werden, die den natürlichen Präferenzen von Frauen im Schnitt entsprechen und deshalb größere Erfolgschancen bei der Partnersuche besitzen.
Anderes Beispiel: Wenn Frauen aufgrund biologischer Grundlagen im Schnitt das stärkere Bedürfnis als Männer haben, Kinder zu versorgen, werden sich für Frauen eher Rollenmodelle entwickeln, die diese Präferenz widerspiegeln, und alle sozialen Ausformungen bewegen sich im Rahmen dieser Präferenz.
@LF:
"Das Pochen der gender studies auf die soziale Konstruiertheit von Geschlechterrollen (die wiederum auf soziales Verhalten einwirken) kommt mir aber lediglich wie eine klare Positionierung in der nicht enden wollenden nature-nurture-Debatte vor und solange diese Debatte nicht in aller Gänze geklärt ist (was vermutlich nie der Fall sein wird), sind solche offen einseitigen Positionierungen doch vollkommen legitim!"
Das klingt für mich jetzt aber stark nach einer Ausrede. Sicher, die "nature-nurture-Debatte" gibt es schon ein Weilchen, aber das bedeutet ja nicht, dass dort keinerlei Fortschritte gemacht würden. Und dass eine "offen einseitige" Position so lange (wissenschaftlich) legitim sein soll, bis ein bestimmtes Problem "in aller Gänze geklärt ist", scheint mir ein reichlich überreiztes Kriterium zu sein, zumal wenn Sie andeuten, dass dies "vermutlich nie der Fall sein wird".
Ich habe eher den Eindruck, dass es sich bei solchen Aussagen um Schutzbehauptungen handelt, mit denen Vertreter der Gender Studies rechtfertigen möchten, dass sie empirisch-wissenschaftliche Befunde, die ihren Prämissen widersprechen, gezielt aktiv ignorieren. Denn wissenschaftlich redlich ist ein solcher Standpunkt in meinen Augen nicht!
Und ich habe leider den Eindruck, dass dies auch für eine philosphisch hochqualifizierte Person wie Judith Butler gilt, in deren Texten (in guter neostrukturalistischer Tradition) zwar viel davon die Rede ist, wie Realität durch "Diskurse" und "diskursive Macht" erzeugt wird, zugleich aber der Diskurs der biologischen Wissenschaften sorgfältig ausgespart wird, ganz so, als sei "Realität" nicht auch etwas, das sich (natur-)wissenschaftlich-<i>empirisch<i> erfassen lässt.
@LF, wäre es so, daß es bei den Gender Studies nicht darum ginge, daß diese die Soziale Konstruktion von Geschlecht nicht als Grundannahme, wie schon @Luc anmerkte, behauptet, sondern sagen würde, daß es möglich wäre, bisher als geschlechtspezifische Eigenheiten angesehene Unterschiede der Geschlechter, durch geeignete Erziehung anzugleichen, würde ich hier gar nicht so beharrlich diskutieren, denn das sehe ich auch so. Das wäre trivial und ist immer schon bekannt gewesen.
Ferner bin ich auch kaum an Diskussionen über sexuelle Vorlieben, die modern unter "queer" abgehandelt werden interessiert. Solche unterschiedlichen sexuellen Vorlieben gibt es bei vielen Lebensformen, auch solchen, die niemals irgendwohin erzogen werden, müssen also biologisch begründet werden.
Ob mir die "politische Schlagrichtung der Gender Studies nicht paßt", wie Sie vermuten, weiß ich nicht mal selbst. Dazu müßte ich mehr darüber wissen, wie diese Schlagrichtung aussieht. Keine Angst, ich bin jetzt dabei, mich darin einzulesen, und noch am Ende dieses Kommentares kriegen Sie das erste Ergebnis dieses Einlesens mitgeteilt.
Ihre Abneigung gegen "die neoliberalen ökonomische Ansätze aus der Östereichischen und Chicagoer Schule" teile ich übrigens. Da haben wir etwas gemeinsam.
Aber die Gender Studies diskutiere ich ausschließlich über ihren Anspruch als "Wissenschaft" zu gelten. Und dabei lasse ich mich auch nicht polemisch in eine angedeutete Ecke des Bösen schieben, wie das gerne geschieht, falls man die Religion skeptisch angreift.
Jetzt zu den oben versprochenen Resultaten meines einlesens.
Ein wichtiges Gegenargument gegen die Idee vom sozialen Konstrukt des Geschlechts liefert die Gender-Medicine, übrigens trotz des Namens, die eindeutige Hinweise auf unterschiedliche Medikamentenverträglichkeit zwischen Männern und Frauen gefunden hat, sowie unterschiedliche Krankheitsverläufe zwischen den Geschlechtern. Bei der Medikamentenverträglichkeit liegt der Grund darin, daß bisher die klinischen Tests an Menschen überwiegend an männlichen Freiwilligen durchgeführt wurden. Deshalb wirken die daraus entstandenen Medikamente auch an Männern, während sie manchmal bei Frauen keine Wirkung zeigen, oder gar schädlich sind. Polemisch könnte ich jetzt sagen, daß die Gender Studies die Ursachen dieser unterschiedlichen Wirkung auf die rosafarbige Babykleidung zurückführen müßte. Das tut sie in Wirklichkeit natürlich nicht, weil das ja doch ziemlich entlarvend wäre.
Aber da ich ja auch glaube, daß die Erziehung einen große Rolle beim Menschen spielt, wenn auch nicht die Überwiegende, habe ich mich auch mit der Frage beschäftigt, was eigentlich 40 Jahre Gender Studies in den Ländern bewirkt haben können, in denen sie dominant, (was für ein Wort,) wirken durfte. Ich habe zwar keine Statistik gefunden, aber ich bin überzeugt, daß in Norwegen, Deutschland und USA mehr junge Männer gerne stricken, als anderswo, dafür aber gibt es Statistiken die belegen, daß genau in diesen Ländern anteilmäßig deutlich weniger Frauen Ingenieurwissenschaften studieren, als in einigen Ländern, wie Polen, oder Italien, in denen Gender Studies keine Rolle gespielt haben. Daß in dieser Hinsicht Gender Studies eher kontrapruduktiv gewirkt haben, als fördernd.
Soviel also mal fürs Erste.
@Luc 2. Mai 2015 um 08:32
"… mit der klar politischen Ausrichtung der Gender Studies"
Richtig. Das Schizophrene an der Situation ist, daß Feminismus-Befürworter immer wieder die wissenschaftlichen Fundierung ihrer Ideologie betonen, andererseits selbst auf offiziellen Webseiten über Gender Studies betont wird, man sei <a href= "http://maninthmiddle.blogspot.de/p/gender-studies.html#intro" >keine Wissenschaft im üblichen Sinne</a>, sondern ein <a href="http://www.fu-berlin.de/sites/gpo/">Querschnittsthema, das Teilgebiete der involvierten Fächer – und das sind viele – "berührt"</a>. "berührt" kann man so interpretieren, daß man mit ideologisch gefärbter Brille die Fachgebiete filtert und nur die Dinge wahrnimmt, die zu eigenen politischen Agenda passen.
In dem oft zitierten Artikel von <a href= "http://www.forschung-und-lehre.de/wordpress/?p=17324" >Stefan Hirschauer: Wozu Gender Studies</a> wird die Unwissenschaftlichkeit der Gender Studies von einem Insider zwar diplomatisch, inhaltlich aber schärfstens angeprangert.
"Aber die Gender Studies wollen doch Wissenschaft sein."
Nein. Nach eigenen Aussagen will man eine Mischung aus praktischer Politik und notwendigen wissenschaftlichen Argumenten sein. Konkreter sollte man Interessenpolitik von und für Frauen sprechen, daher auch die häufige Selbstbezeichnung als "Frauen- und Geschlechterforschung" oder "Women's Studies".
@Ingbert Jüdt 2. Mai 2015 um 09:46, #42:
"Ich habe eher den Eindruck, dass es sich bei solchen Aussagen um Schutzbehauptungen handelt, mit denen Vertreter der Gender Studies rechtfertigen möchten, dass sie empirisch-wissenschaftliche Befunde, die ihren Prämissen widersprechen, gezielt aktiv ignorieren."
Ihr Eindruck ist richtig. Dieses aktive Ignorieren hat auch einen Namen: <a href= "http://maninthmiddle.blogspot.de/p/gender-studies.html#fem_gs_standpunkttheorie" >Feministische Standpunkttheorie</a>. Diese ist ganz offiziell Wissenschaftstheorie in den Gender Studies.
@Helmut Junge 2. Mai 2015 um 10:19, #43
Anmerkungen zum Thema "Gender"-Medicine:
1. eigentlich müßte es Sex-Medicine heißen, denn die unterschiedliche Therapierung von Männern und Frauen hängt von deren biologischem Geschlecht (Sex) ab, nicht von der sozialen Rolle (Gender). Diese Falschbenutzung elementarster Begriffe der eigenen Ideologie ist auf den ersten Blick äußerst überraschend, beim zweiten Blick ein klassischer Fall von <a href= "http://maninthmiddle.blogspot.de/p/antifeminismus.html#doublespeak" >feministischem Doublespeak</a>, also bewußte Begriffskonfusion.
2. Geschlechtsspezifische Medizin ist entgegen anderen Behauptungen faktisch kein Teil der Gender Studies. Die Gender Studies reden ÜBER die Biologie, Medizin und andere Gebiete und kritisieren sie, leisten aber keine eigenen Beiträge und haben dort keine Forschungskompetenz. Und zwar ganz einfach deshalb, weil die Genderforscherinnen fast ausnahmslos einen Abschluß in Erziehungswissenschaft, Soziologie, Literaturwissenschaften, Geschichte, Politikw. und ähnlichen Fächern haben, s. ZEFG-Datenbank "Disziplinäre Verortung aller Professuren mit einer Teil- oder Voll-Denomination für Frauen- und Geschlechterforschung…" http://www.zefg.fu-berlin.de/Datenbanken/Professuren-mit-Teil-oder-Voll-Denomination-fuer-Frauen–und-Geschlechterforschung/tabellarische_zusammenfassungen/tabelle_5_disziplinaere_verortung.html
Genau 1 (in Worten: eine) der 139 Uni-Professuren gehört zur Humanmedizin, 4 zur "Gesundheitswissenschaft" (was immer das ist). Ferner: 2* Mathematik, 1* Physik, 0* Biologie (!!!).
@mitm, daß die Genderforscherinnen "fast ausnahmslos einen Abschluß in Erziehungswissenschaft, Soziologie, Literaturwissenschaften, Geschichte, Politikw. und ähnlichen Fächern haben", wußte ich nicht, hatte es aber geahnt. Diese Studiengänge werden von Frauen ohnehin bevorzugt und gelten weithin als "typisch weibliche Studienfächer" . Das paßt im Zusammenhang mit unserem Streitthema, bei dem es doch genau darum geht, daß das Geschlecht ein soziales Konstrukt sein soll, und das nicht zufällig, wie die berühmte Faust auf`s Auge.
Aber daß der Begriff Gendermedizin falsch gewählt wurde, ist wissenschaftshistorisch nicht so einfach zu behaupten, weil sowohl Gender Studies, als auch Gendermedicine sehr alt sind, und lange Zeit außerhalb eines kleines Kreises kaum bekannt waren. Dabei könnte evtl. sogar der Name Gendermedicine die schon in den achtziger Jahren von der WHO erforscht wurde, die ältere Bezeichnung sein. Aber das ist mir nicht wichtig. Er kommt aus der Medizin und nicht aus der Gender Studies, wo er auch gar nicht herkommen könnte, wegen der mangelnden Fachkompetenz der Vertreterinnen. Das haben Sie schön herausgearbeitet.
Überhaupt beginnt dieser Diskurs mir allmählich immer deutlicher zu zeigen, auf welch schwachen Füßen die Gender studies stehen. Und da @LF als einzige verbliebene Verteidigerin der Gender Studies sagt, daß sie eigentlich gar nichts damit zu tun hat, aber niemand der von Ihnen gezählten 139 Uniprofessorinnen und Mitarbeiter sich an der Diskussion beteiligt, denke ich, daß die den Kelch schon mal an sich vorüber gehen lassen möchten, oder sich auf ihre Anhänger verlassen. Das Geschäft läuft ja trotzdem weiter. Wahrscheinlich ist das die beste Methode um Kritik verpuffen zu lassen.
@45:
Spannender ist doch, wieso diese Bereiche öffentlich finanziert werden.
Hier muss der Steuerzahler eine Kosten-/Nutzenrechnung einfordern.
@Rainer Möller #15:
Ich bin neugierig-Sie sagen, dass ca. 95 % der Bevölkerung eindeutig als Mann od. Frau klassifiziert werden könne. Meinen Sie in Deutschland? Global? Welche Studie liegt dem zugrunde?
Sie schreiben ferner, dass dies für die übrigen 5 % unbequem sei. Wie kommen Sie darauf? Ich kenne recht viele von den "5 %", da ist man gelassen und sucht allenfalls Toleranz für sich selbst ohne die Norm als "unbequem" zu erfahren. Ganz im Gegenteil.
@Helmut Junge #43:
Die Diskussion über sexuelle Vorlieben, wie Sie schreiben, wollen Sie nicht führen. Das sei angeboren und somit vom Tisch, so verstehe ich sie. So einfach ist es nicht und auch nicht "privat", wie Viele meinen. Wenn ich Rosa Luxemburg zitieren darf: "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden."
"Queer" ist oftmals nur als Sammelbecken gedacht für im Grunde alles, was im Bereich der Sexualität nicht der Norm entspricht. Ich muss nicht SMler sein oder schwul oder transgender, doch ich darf mir im Klaren darüber sein, dass meine Freiheit mit der Freiheit dieser Leute vergesellschaftet ist. Grob gesagt: Geht es ihnen an den Kragen_sei es durch Nazis, durch homophobe Angsthasen, gar durch Gesetze_dann geht es auch bald mir an den Kragen. Dies kann man auch eins zu eins auf Kunst oder auf Medien übertragen. Die "Abweichler" sind die kleinen Kanarienvögel, die ungefragt in die Gruben geschickt werden. Wenn sie das überleben, haben wir alle Glück gehabt.
@KM
<blockquote>Sie schreiben ferner, dass dies für die übrigen 5 % unbequem sei. Wie kommen Sie darauf?</blockquote>
Ganz einfach. Gender- und Queer-Ideologen postulieren, daß der Geschlechtsbegriff und unsere Auffassung von Zweigeschlechtlichkeit diesen Leuten an den Kragen gehe. Das ist ja das Schlimme. Ich glaube Ihnen gerne, daß Sie und manch andere Zwitter, neudeutsch Intersexuelle, diesbezüglich gelassen sind.
Gender-Ideologen glauben nicht ans Weltjudentum, sondern an die große Weltverschwörung der Zweigeschlechtlichkeit, die auch dem Kapitalismus und seinen Verwertungslogiken entgegenkomme. Die meisten vernünftigen Intersexuellen werden bejahen, daß es nicht nur zwei Geschlechter gibt, sondern daß es sie regelrecht geben muß – Stichwort Fortpflanzung und Evolution.
Ganz anders sieht die Sache bei Gender-Ideologen aus, prominentestes Beispiel: Heinz-Jürgen Voß. Ich weiß nicht, wie lange dieser Typ noch an Universitäten lehren darf, aber der ist ein Anhänger obiger Verschwörungstheorien und instrumentalisiert Intersexuelle für seinen absurden Geschlechtsrelativismus.
Man hüte sich also vor Gender-Ideologen und ihrem kruden Irrsinn. Sie propagieren die Figur der fremdbestimmenden Zweigeschlechtlichkeit. Intersexuelle sollten sich von diesem Müll distanzieren. Nicht die Zweigeschlechtlichkeit ist ein Problem, sondern das Nichtanerkennen und -respektieren von Zwischenformen wie der Intersexualität.
#LF:
Sie schreiben:
#3:” Oder glauben Sie etwa, dass Frauen* biologisch dazu bestimmt seien, weniger zu verdienen, sich mehr um den Haushalt zu kümmern etc.? “
und:
#10:“Schade nur, dass Frauen* schlechter an gut bezahlte Jobs kommen, weil sie sich oftmals alleine um die Bälger kümmern müssen und/oder für die gleiche Arbeit, die Männer* verrichten, einfach schlechter bezahlt werden, nur weil sie Frauen* sind.”
Meine Fragen:
1) Warum stellen Arbeitgeber überhaupt noch Männer ein,
wenn Frauen die gleiche Arbeit billiger machen?
“Wenn Frauen im Vergleich zu Männern für die gleiche Arbeit grundsätzlich schlechter bezahlt werden, müssten die Arbeitgeber dann nicht (gerade in der heutigen Zeit, in der Kostenersparnis solch eine große Rolle spielt) nur noch Frauen einstellen? Warum sollten sie die teueren Männer einstellen, wenn sie doch die gleiche Leistung von billigeren Frauen haben könnten? Ein Unternehmer der dies erkannt hätte, könnte seine Waren/Dienstleistungen billiger anbieten, hätte mehr Gewinn und der Vorsprung vor der Konkurrenz wäre enorm.Die Unternehmer sind auf dem Gebiet der Gewinnmaximierung entweder plötzlich vollkommen blind, oder die Situation der Lohndiskriminierung besteht nicht.”
2)
Wie kommt dann das Bundesstatistikamt dann zu einer solchen Aussage?:
"Aus dem geschlechterspezifischen Verdienstabstand kann nicht geschlossen werden, dass Frauen im gleichen Unternehmen für die gleiche Tätigkeit anders bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern lassen sich vielmehr durch Unterschiede in der männlichen und weiblichen Arbeitnehmerstruktur erklären. Diese sind beispielsweise gekennzeichnet durch Unterschiede im Anforderungsniveau, der Verteilung auf besser und schlechter bezahlte Wirtschaftszweige, der Größe der Unternehmen, der Zahl der Berufsjahre, der Dauer der Betriebszugehörigkeit und des Ausbildungsniveaus."
Quelle: Destatis Pressemitteilung Nr. 285 vom 13. Juli 2006
3)
Warum müssen sich Frauen “oftmals alleine um die Bälger kümmern “?
Wieso kommen zu über 90% nach einer Trennung die Kinder zur Mutter?
4)
Wenn Kindergärtenerinnen angeblich so schlecht bezahlt werden, warum haben dann Eltern es so schwer einen Platz nach 15 Uhr zu bekommen?
5)
Vom Einkommen eines Mannes leben durchschnittlich wieviele Personen,
vom Einkommen einer Frau leben durchschnittlich wieviele Personen?
6)
Nennen Sie mir bitte ein heute gültiges Gesetz, welches weibliche Personen gegenüber männlichen schlechter stellt.
7)
Wie hoch ist der Frauenanteil, die berufsbedingt ein DIXI-Klo benutzen?
8)
Wie hoch ist der Frauenanteil bei tötlichen Arbeitsunfällen, sowie in der Führungsetage?
9)
Warum haben Männer eine ca.6jährige geringere Lebenserwartung?
10)
Erklären sie mir bitte den Unterschied zwischen dem §109 der Weimarer Verfassung und dem Artikel 3 des Grundgesetz.
11)
Warum wird von Polizei-und Bundeswehr-Anwärterinnen bei dem körperlichen Einstellungstest eine geringere Leistung gefordert, als von Männern?
Auf eine Antwort freut sich:
KaRa
Also, ich versuche mal in einem Rundumschlag zu antworten ;-).
Zunächst mal eine Bemerkung auf 'Meta-Ebene' im Voraus: Die Kritik, die ich in meiner ersten Wortmeldung angebracht habe, würde ich auf die meisten Diskutant*innen hier gar nicht beziehen. Scheinbar geben sich hier nämlich nur Wenige mit einem reflexhaften, inhaltsleeren Bashing der gender studies (wie Kutschera es betreibt) zufrieden. Die Debatte, die sich hier entsponnen hat, finde ich durchaus interessant und fruchtbar – vor allem in Bezug auf die Aushandlung unterschiedlicher Wissenschaftsverständnisse. Auf genau diesen Punkt will ich jetzt auch kurz eingehen.
Aus meiner Sicht ist Wissenschaft schon allein dadurch politisch, dass sie Geldgeber*innen braucht. Egal ob Geld vom Staat, von Stiftungen, von Unternehmen oder von anderen Institutionen bereitgestellt wird – letztendlich steht immer ein politisches Interesse dahinter. Zudem müssen wissenschaftliche Vorhaben in einer Demokratie meistens durch den Hinweis legitimiert werden, dass sie (angeblich) zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen. So wird sich die Raumfahrtforschung vielleicht darauf berufen, neue Lebensräume für die Menschheit im All zu erkunden; die Pharmazie wird behaupten, sich mit der Heilung von körperlich und seelisch kranken Menschen zu befassen; … und die cultural studies (in denen die gender studies meistens angesiedelt sind) werden in etwa behaupten, theoretische Blickwinkel und Instrumente bereitzustellen, um gesellschaftliche Machtverhältnissen, die soziale Ungleichheiten (re)produzieren, zu analysieren und zu dekonstruieren.
Solch einen Anspruch kann man* und frau* doof finden, aber bei einer fundierten Kritik der gender studies muss es doch zuallererst darum gehen, zu deren eigenen Anspruch überhaupt (!) eine Position zu entwickeln. Wer diesen Anspruch aus politischen Gründen ablehnt, kann das wie gesagt gerne tun und kann auf dieser Grundlage dann eine Abschaffung von von sämtlichen Lehrstühlen der gender studies fordern. Das wäre mit der Begründung dann aber eine offen reaktionäre Positionierung (wie sie etwa von der AfD eingenommen wird). Wer gegen einen linken, emanzipatorischen Anspruch, wie er hinter den gender studies steckt, jedoch zunächst einmal nichts einzuwenden hat, der* und die* muss doch dann als nächstes fragen, ob die gender studies ihrem eigenen Anspruch gerecht werden.
Das ist eine Frage, die unbedingt zu diskutieren ist! Ich sehe jedoch keinen Sinn dahinter, den Wert der gender studies am Forschungsanspruch von Biolog*innen oder anderen Protagonist*innen, die außerhalb der Sozialwissenschaften agieren, messen zu wollen (selbstverständlich forschen Sozialwissenschaftler*innen nicht zu Fragen der biologischen Determiniertheit von irgendwas!). Dass hier so oft eine 'falsche' Messlatte angelegt wird, haben sich gender- und cultural-studies-Vertreter*innen zugegebener Maßen selbst eingebrockt, indem sie ihre Blickwinkel unbedingt auch in andere Fachbereiche hineintragen wollten und eine Art inter-/trans-/postdisziplinäres Projekt im Sinne ihrer Anliegen ausgerufen haben. Das ist in der Tat Unfug! Aus meiner Sicht haben die Ansätze der gender studies und der cultural studies außerhalb der Sozialwissenschaften nichts zu suchen. Sonst kommt so ein Murks dabei heraus, wie der Glaube, dass auch sexuelles Verlangen etc. zu 100 Prozent sozial konstruiert sei. So lange gender studies ihre Theoriegebäude um soziologische Begriffe wie 'soziale Rollen', 'Macht', 'Herrschaft', 'soziale Normen' etc. bauen, können sie jedoch wenig falsch machen, da ihre Grundannahme der Konstruiertheit von Geschlecht in all diesen Kategotien per definitionem zutrifft. Genau aus dem Grund habe ich das ja auch als eine „Binsenweisheit“ bezeichnet.