Knapp 5 Jahre ist es inzwischen her, dass das OVG in Münster den Bebauungsplan für das neue E.On-Kraftwerk in Datteln kassierte. Nachdem sich anfänglich die Kraftwerkskritiker auf der Siegerstraße wähnten, den Abriss des Meilers im Kreis Recklinghausen nahen sahen, scheint sich das Blatt in den letzten Monaten zu Gunsten des Energiekonzerns zu drehen.
Inzwischen hat die Stadt Datteln einen neuen Bebauungsplan erstellt und verabschiedet, die Rot-Grüne Landesregierung in Düsseldorf hat einem sogenannten Zielabweichungsverfahren vor wenigen Wochen ‚grünes‘ Licht gewährt. Und auch wenn in Zukunft noch weitere juristische Auseinandersetzungen um das Kohlekraftwerk ‚Datteln 4‘ zu erwarten sind, u.a. durch die benachbarte Stadt Waltrop, die im Frühjahr einen Ratsbeschluss herbeiführte, gegen das Zielabweichungsverfahren der Landesregierung zu klagen, mehrten sie unter den Beobachtern zuletzt die Stimmen derjenigen, die am Ende doch noch mit einer Inbetriebnahme des umstrittenen Kraftwerks rechnen.
Kurz vor dem Jahrestag des OVG-Urteils am 03. September hatte ich jetzt für die Ruhrbarone die Gelegenheit mich mit E.On-Sprecherin Franziska Krasnici, die u.a. auch das Projekt in Datteln betreut, über ihre aktuellen Einschätzungen auszutauschen.
Ruhrbarone: Fast fünf Jahre sind nun schon seit dem ersten Urteil im September 2009 in Sachen ‚Datteln 4‘ vergangen. Hätten Sie damals gedacht, dass sich die Angelegenheit insgesamt so lange hinziehen würde?
Krasnici: Nein, sicher nicht.
Ruhrbarone: Wie sehen Sie die aktuelle Lage des Kraftwerks ‚Datteln 4‘?
Krasnici: Mit der Zustimmung des Dattelner Stadtrats zum Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan und die Änderung des Flächennutzungsplans für das Kraftwerk Datteln 4 sind die planungsrechtlichen Grundlagen für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 gelegt, nachdem der RVR bereits sein Planverfahren abgeschlossen hat. Das Inkrafttreten des Bebauungsplans schafft die Grundlage, um in einem nächsten Schritt das immissionsschutzrechtliche Verfahren zur Wiedererlangung der kompletten Baugenehmigung und der Betriebsgenehmigung wiederaufzunehmen.
Ruhrbarone: Sind Sie einer Inbetriebnahme durch die Entwicklungen der letzten Zeit also aus Ihrer Sicht schon entscheidend näher gekommen?
Krasnici: Ja, schon. Wir haben immer an die Realisierung des Kraftwerksprojektes geglaubt und freuen uns somit, dass die notwendigen planungsrechtlichen Entscheidungen in den letzten Monaten getroffen wurden (Regionalplanänderung; Bebauungsplan), sodass wir auf dieser Grundlage nun die noch ausstehende Genehmigung bei der Bezirksregierung Münster beantragen können.
Ruhrbarone: Rechnen Sie generell noch mit Überraschungen im weiteren Ablauf der juristischen Auseinandersetzung?
Krasnici: Das bleibt abzuwarten. Ich persönlich würde mich über positive juristische Überraschungen für E.ON freuen.
Ruhrbarone: Bei uns im Blog gab es in der Vergangenheit immer wieder Fragen zur Rolle der Kinderklinik in Datteln. Wundert es Sie nicht, dass von Seiten der Klinik bisher anscheinend noch niemand öffentlich Kritik an ‚Datteln 4‘ geäußert hat? Schließlich liegt die Kinderklinik doch quasi direkt im Umfeld des Kühlturms und hätte vermeintlich guten Grund sich öffentlich gegen das Kraftwerk zu wehren…
Krasnici: Ich kenne die Sichtweise der Kinderklinik nicht. Es sollte vielleicht aber auch akzeptiert werden, wenn sie sich nicht äußern und vielmehr die Kinder in den Vordergrund stellen möchte, sich also ihrer Arbeit widmet.
Ruhrbarone: Stehen oder standen Sie mit Vertretern der Dattelner Kinderklinik schon in direktem Kontakt?
Krasnici: Ja natürlich stand ich schon im Kontakt mit der Kinderklinik. Ich habe mich zu Beginn meiner Tätigkeit dort vorgestellt, da mich interessiert hat, was dort gemacht wird. Ich lebe selbst in Datteln und habe unheimlichen Respekt vor der Arbeit. Persönlich habe ich mich auch schon für das André-Streitenberger-Haus eingesetzt, indem ich bei einem Fußball-Benefiz-Turnier mitgespielt habe. Ich bin jederzeit für soziale Dinge zu haben, egal ob Kinderklinik, benachteiligte Kinder, Bildung, Demenzkranke…
Ruhrbarone: Seitens der Kraftwerkskritiker scheint es ja aktuell sehr ruhig zu sein, verglichen mit früheren Zeiten. Hatten Sie in letzter Zeit noch Kontakt mit bekennenden Kraftwerkskritikern? Stehen Sie aktuell vielleicht auch mit einigen im Dialog?
Krasnici: Man sieht sich immer wieder in der Stadt und spricht miteinander. Z.B. an unseren Informationsständen in der Dattelner Innenstadt. Der nächste ist übrigens am 6. September. Regelmäßig treffe ich einige Kraftwerkskritiker auch im Kraftwerksforum Datteln. Ich bin sehr glücklich, dass wir uns als Menschen begegnen, die Meinung des Anderen akzeptieren und uns auch über andere Dinge unterhalten können, wo wir dann auch mal einer Meinung sind.
Ruhrbarone: Die Grünen in NRW hatten sich bis zur Landtagswahl 2010 klar gegen die Inbetriebnahme von Datteln 4 positioniert. Es gibt sogar das ‚berühmte‘ Video von Rainer Priggen, wie er sich in einem Wahlkampfspott vom Frühjahr 2010 gegen das Kraftwerk engagiert. Hat es Sie überrascht, dass die Landesregierung, unter Beteiligung der Grünen, nun offenbar keine Bedenken gegen die Durchführung des Zielabweichungsverfahrens mehr zu haben scheint?
Krasnici: Nein, bei der Entscheidung zur Zielabweichung nicht.
Ruhrbarone: Wenn Sie sich für den weiteren Fortgang der Angelegenheit etwas von den Kritikern von ‚Datteln 4‘ ‚wünschen‘ dürften, was wäre das?
Krasnici: Das wir im Dialog bleiben und wir auch mal zu Veranstaltungen der Kraftwerkkritiker eingeladen werden. Wir laden sie ja auch immer herzlich ins Kraftwerksforum ein.
Ruhrbarone: Die Stadt Waltrop hat ja angekündigt gegen das Zielabweichungsverfahren der Landesregierung juristisch vorgehen zu wollen. Hat Sie der dort sehr deutlich verabschiedete Beschluss im Stadtrat von Waltrop überrascht?
Krasnici: Nein, da er medial ja bereits frühzeitig angekündigt wurde.
Ruhrbarone: Welche Chancen räumen Sie diesem Vorhaben grundsätzlich ein?
Krasnici: Ich kann dazu nichts sagen, da ich noch nicht einmal die Klagebegründung kenne. Grundsätzlich kann ich zu laufenden Verfahren sowieso nichts sagen. Ich bin aber überzeugt davon, dass die neuen Planungen rund um Datteln 4 in den letzten Jahren von allen Seiten sehr, sehr sorgfältig durchgeführt wurden und werden – alles im Sinne einer höchstmöglichen Rechtssicherheit.
Ruhrbarone: Die neue CDU-Bürgermeisterin der Stadt Waltrop, Frau Moenikes, hat im Ruhrbarone-Interview in der Vorwoche ja eingeräumt, dass sie die Klage der Stadt Waltrop gegen das Zielabweichungsverfahren zwar inhaltlich unterstützt, letztendlich aber doch mit einer Inbetriebnahme des Kraftwerks rechnet. Was sagen sie denn dazu?
Krasnici: Ich freue mich, wenn die Waltroper Bürgermeisterin mit ihrer Aussage Recht behält.
Ruhrbarone: Sie waren ja, wie ich auch, bei der Gründungsveranstaltung des ‚Aktionsbündnisses gegen Datteln 4‘ Anfang 2014 in Castrop-Rauxel zugegen. Damals war die Stimmung dort noch sehr emotional. Man hat Sie sogar aus dem Saal verweisen wollen. Sie sind dann freiwillig etwas vorzeitig gegangen. Nun kommt von diesem Aktionsbündnis doch sehr wenig an konkreten Aktionen und Widerstand. Überrascht Sie das?
Krasnici: Ich schätze es sehr, wenn Menschen sich für oder gegen eine Sache bzw. ein Vorhaben einsetzen. Ich habe mir erhofft, einen Dialogpartner hinzuzugewinnen. Es geht nicht darum, den gleichen Standpunkt zu vertreten, es ist wichtig sich auszutauschen und die Bedürfnisse des Partners zu kennen und wo dann möglich gegenseitig zu berücksichtigen. Warum sich das Aktionsbündnis nicht wirklich findet, kann ich nicht beurteilen.
Ruhrbarone: Gehen wir mal davon aus, dass die Klage der Stadt Waltrop gegen die Pläne der Landesregierung in Bezug auf das Zielabweichungsverfahren am Ende tatsächlich nicht zum Erfolg führen wird, sondern die Inbetriebnahme nur verzögert. Rechnen Sie zusätzlich auch noch mit weiteren juristischen Auseinandersetzungen rund um das Kraftwerk, z.B. mit der Meistersiedlung, dem BUND und/oder der Familie Greiwing, welche ja auch die Gerichtsauseinandersetzung vor ein paar Jahren initiiert hat? Wie würden sie ggf. diese Klagen aus Ihrer Sicht einschätzen?
Krasnici: Ich gehe davon aus, dass auch weiterhin juristische Mitteln seitens der Kraftwerksgegner in Betracht gezogen werden. Dies wurde ja auch bereits öffentlich so angekündigt. Wir sehen es ja auch gegenwärtig im Verfahren Trianel. Es ist heutzutage bei Großprojekten dieser Art der Regelfall geworden. Einschätzungen kann ich ohne Kenntnis der in Zukunft eingesetzten juristischen Mittel verständlicher Weise keine geben. Wovon ich überzeugt bin, ist, dass ‚Datteln 4‘ in Betrieb gehen wird. Ich bin auch sicher, dass Schalke Deutscher Meister wird, ich weiß nur nicht wann…
Ruhrbarone: Wir werden den Fortgang der Angelegenheit interessiert im Auge behalten. Danke für Ihre Einschätzungen!
Passend zum Thema:
@Robin, ein schönes Interview mit einer sehr guten Pressesprecherin, die für ein sehr gutes Kohlekraftwerk spricht.
Weil ich vorgestern zufällig bei einem Gespräch entdeckt habe, daß ein Ingenieur aus meinem langjährigen Bekanntenkreis mit seiner Firma ausgerechnet den Kessel von Datteln 4 gebaut hat, wollte ich mich heute nach dem momentanen Stand in der Sache Datteln 4 erkundigen.
Durch Dein Interview ging das schnell. Danke Robin.
@Helmut: Freut mich, wenn Dir der Beitrag gefällt. 🙂 Ist ja doch ein etwas ‚sperriges‘ und auch langwieriges Thema…
@Helmut: Vielen Dank für das Kompliment. Wenn es noch Fragen gibt einfach melden (Franziska.Krasnici@eon.com).
Fragen in weiteren Kommentarverlauf kann ich ggf erst ab Montag beantworten – bin gerade auf dem Weg zu einem Rockfestival nach Leipzig … mit der Stromversorgung im Zelt siehts eher schlecht aus :(.
@Helmut (#1)
Fast könnte ich Deine Begeisterung teilen.
Zum einen glaube ich Dir, dass es sich bei Datteln IV um ein sehr gutes Kohlekraftwerk handelt, vermutlich das modernste und sauberste seiner Art. Zum anderen wohne ich in Gelsenkirchen-Scholven in unmittelbarer Nachbarschachaft zu einem anderen E.on Kraftwerk, das zu den größten Dreckschleudern in Deutschland zählt (Platz neun der „Dirty Thirty“) und das bei seinem Bau 1968/72 ebenfalls ein gutes Kraftwerk gewesen sein muss, weil es damals nämlich das modernste und sauberste seiner Art war…
So gesehen bin ich natürlich froh, wenn neue Kraftwerke mit modernster Technik gebaut und alte dafür still gelegt werden.
Es wäre allerdings schade, wenn wir vor lauter Technikbegeisterung nicht auch die gesellschaftspolitischen Umstände betrachten, die mit diesem Kraftwerksbau in Datteln einher gegangen sind, denn die Art und Weise, wie e.on seinen Bau geplant und durchgedrückt hat, ist unter aller Sau und ein Schlag ins Gesicht eines jeden Bürgers. Mit Bürger meine ich jetzt nicht nur die Dattelner und Waltroper, denen das Projekt ein Dorn im Auge ist, sondern auch die vielen Stromkunden und Verbraucher, über die e.on sich die unzähligen Millionen wieder reinholen wird, die das Unternehmen in Datteln bislang verbrannt hat.
Machen wir uns nichts vor: E.on ist eine der größten deutschen Energiekonzerne, ein börsennotierter Globalplayer mit weltweit über 60.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 120 Milliarden Euro. Das Unternehmen dürfte über eine nicht gerade kleine Rechtsabteilung verfügen, in der man die rechtlichen Grundlagen und Umstände, die mit dem Bau in Datteln zusammen hängen, im Vorfeld geprüft haben wird. Die Juristen bei e.on hinterlassen in anbetracht des Dattelner Schwarzbaus einen nicht gerade professionellen Eindruck. Für mich gibt es zwei Möglichkeiten, den Schwarzbau in Datteln zu erklären: Entweder war man bei e.on zu dumm, die rechtlichen Bedenken früh genug zu erkennen. Oder aber man hat sie erkannt und trotzdem gebaut, was an Dreistigkeit kaum zu überbieten wäre. Beide Fälle müssten eigentlich Grund genug sein, zu hinterfragen, ob diejenigen, die den Bau zu verantworten haben, in diesem Unternehmen in der richtigen Position sitzen.
Bislang sind in Datteln unzählige Millionen in den Sand gesetzt worden, weil das Werk nicht ans Netz gehen konnte und es ist ja nicht deshalb noch nicht am Netz, weil Bürger dagegen aufbegehren. Das ist ihr gutes Recht und die Gerichte haben das ja auch bestätigt. Das Kraftwerk ist deshalb noch nicht am Netz, weil e.on die Einstellung vertritt, sich nicht an dieses Recht halten zu müssen.
Meine Fragen lauten daher:
@Franziska Krasnici
– Wer trägt bei E.on die Verantwortung für den Schwarzbau in Datteln?
– Welche personellen Konsequenzen sind bislang innerhalb des E.on Konzerns gezogen worden, nachdem bekannt wurde, dass der Bau illegal war?
– Was gedenkt E.on in Zukunft zu tun, damit nicht wieder irgendwo in Deutschland ein Kraftwerk hochgezogen wird, dessen Bau anschließend von den Gerichten gestoppt wird und in dem dann über Jahre erst einmal unzählige Millionen Euro statt Kohle verbrannt wird?
Diese Fragen würde ich Ihnen gerne stellen, Frau Krasnici. Ich würde sie übrigens auch gerne den Politikern stellen wollen, die den bisherigen Schlamassel getragen und damit mit verantwortet haben, denn für mich ist Datteln eine Paradebeispiel über den Filz von Politik und Industrie im Ruhrgebiet.
Schöne Grüße aus dem Drecksloch Gelsenkirchen Scholven,
Johannes Fischer
(hier noch ein paar aktuelle Infos zu meinem oben erwähnten Nachbarn e.on in GE-Scholven:
http://www.derwesten.de/staedte/gelsenkirchen-buer/kraftwerk-scholven-landet-top-platz-bei-den-dirty-thirty-id9623177.html )
dda, weil @ Franziska erst am Montag vom Rockfestival aus Leipzig zurück ist, gehe ich mal auf den Teil deiner Fragen ein, die mich in erster Linie interessieren. Dund das ist auf den technisch-naturwissenschaftlichen Bereich begrenzt.
Daß das alte Scholvenkraftwerk, das noch in diesem Jahr abgeschaltet werden soll, in einem auf Deutschland und Europa bezogenem Ranking, das nur die CO2-Emissionen berücksichtigt, nicht gut wegkommt, nehme ich dir, dem Der Westen und sogar den Machern der Studie ab.
Ich habe bisher nur den WAZ-Artikel den du verlinkt hast, gelesen.
Man kann in einer Studie untersuchen, was man will. Es gibt viele wichtige Kriterien, nach denen ich selber ein Kohlekraftwerk beurteilen würde. Aber der CO2-Ausstoß ist bei praktisch jedem Verbrennungsvorgang in der Natur und in der Technik vom Energieumsatz her vorgegeben. Auch beim Atmungsvorgang der Menschen. Der CO2-Ausstoß hängt dementsprechend bei Kraftwerken von der Größe des Kraftwerk, bzw. seiner Leistung ab. Ein Kraftwerk mit großer Leistung hat naturgemäß auch einen größeren Stoffumsatz als ein kleines Kraftwerk. Da hat der Eon-Sprecher absolut Recht, wenn er eine solche Studie Für „wenig zielführend“ hält. Ich würde das noch viel krasser formulieren. Ehrlich dda, so was macht man nicht!
Das kann man nur mit Leuten machen, die Kohlendioxid für eine giftige Substanz halten. Wir atmen Kohlendioxid aus, und ich habe mal über den Daumen gerechnet, daß die dadurch bedingte „Gesamtbelastung“ bei 80 Millionen Menschen etwa so groß ist, wie beim Kraftwerk Scholven, wobei da wohl noch keiner drauf gekommen ist, der mit der Angst vor dem Unbekannten, sprich der Technik operiert, das mal zu vergleichen.
Kohlendioxid ist nicht giftig, gilt aber als Klimakiller. Das beruht auf der Tatsache, daß dieses Gas die langwelligen Wärmestrahlung, die entstehen, wenn Sonnenlicht die Erde erwärmt, filtert und nicht zurück in den Weltraum läßt. Deshalb bleibt uns diese Wärme teilweise erhalten, und die Atmosphäre wärmt sich langsam auf. das ist der Grund, warum CO2-Emissionen verringert werden müssen. Die Angabe von errechneten 129 Toten pro Jahr, die wie der Artikel in „Der Westen“ es vermuten läßt, auf die Co2-Emission zurückzuführen wären, grenzt allerdings an die Grenzen zur Scharlatanerie. Vermutlich sind andere Emissionen in die verküzt wiedergegebene Studie eingeflossen, die von der WAZ-Schreiberin nicht genannt werden. So bleibt bei mir aber ein fader Geschmack anhaltend übrig.
Ich habe vor einem halben Jahr einen Artikel zum Thema geschrieben, in dem ich auch auf die Abgasreinigungsverfahren beim Kraftwerk Datteln 4 eingegangen bin.
https://www.ruhrbarone.de/wie-koennen-wir-uns-in-zukunft-noch-in-ueberheizten-sitzungssaelen-ueber-umweltfragen-ereifern-und-uns-zweimal-taeglich-warm-duschen/74138
Den Artikel konnte ich damals überhaupt nur schreiben, weil ich sowohl vom Werksleiter Dr. Willeke, als auch vom Leiter der Entschweflungsanlage Herrn Telöken die angefragten Fließbilder und Abgaswerte zugeschickt bekam.
In diesem Artikel komme ich zu dem Schluß, daß die diesbezügliche Technologien in den letzten 40 Jahren enorme Fortschritte gemacht haben. Theoretisch gibt es auch (mehrere) Verfahren, um CO2 zuletzt aus den Reingasen zu entfernen. Die sind zur Zeit aber noch zu teuer. Und man darf nicht vergessen, daß es außerhalb Europas jede Menge Kohlekraftwerke gibt, denen sogar die Entstaubungsanlagen fehlen. Wenn du aus China Berichte über die Smogbelastung siehst, kommt diese Hauptsächlich daher, daß dort Abgase vollkommen ungereinigt in die Luft geblasen wird. Nicht mal der Flugstaub wird dort herausgefiltert. Aber solche Kraftwerke gibt es sehr viele. Was hätten wir denn davon, wenn wir bei uns die guten Kraftwerke dicht machen, um dann unseren Strom von denen zu kaufen, die ihn billiger herstellen können, weil dort überhaupt kein Umweltschutz betrieben wird?
Eine andere Frage, ist der Einsatz von alternativen Energien. Darüber habe ich mich in meinem oben verlinkten Artikel kurz geäußert, komme aber beizeiten noch einmal gründlicher darauf zurück.
Aber damit du nicht den kompletten artikel durchlesen mußt, habe ich die die entscheidendende Passage daraus kopiert, und zitiere mich einmal selber:
Die modernen Steinkohlenkraftwerke am Beispiel von Datteln 4.
Es ist kein Zufall, dass ich das Kraftwerk Datteln 4 als Beispiel für ein modernes Kraftwerk wähle, denn mein persönlicher Einstieg in diese Thematik war meine kürzliche Teilnahme an der schon länger laufenden Diskussion über dieses Kraftwerk bei den Ruhrbaronen. Ich hatte also schon etwas Zeit in die Problematik Datteln 4 investiert und deshalb liegt es nahe, dieses Kraftwerk als Beispiel auszuwählen. Mich interessieren bei meiner knappen Analyse in erster Linie welchem Prozedere das Abgas unterliegt und was mit den Abgasen zusammen letztlich in die Atmosphäre emittiert wird.
Da ich Datteln 4 als technisches Beispiel für ein modernes Kraftwerk untersuche, spielt für mich der Teil der öffentlichen Diskussion, der mit der Nähe der Anlage zur Wohnbebauung in Datteln zusammenhängt, nur eine untergeordnete Rolle.
Beim Kraftwerk Datteln 4 wird Steinkohle verbrannt und mit einem beachtlichen Wirkungsgrad von über 45% in elektrische Energie umgewandelt. Bei der Verbrennung von Steinkohle entsteht leider nicht nur Strom, sondern es entsteht ein Rauchgas das aus Flugasche, dem nicht verbrannten Luftstickstoff, Kohlendioxyd, Stickoxiden, Schwefeldioxid, und den in der Kohle enthaltenen Elementen, wie zum Beispiel dem giftigen Quecksilber besteht. Bis in die Mitte der siebziger Jahre war den Kraftwerkskesseln in Steinkohlekraftwerken lediglich lediglich ein Elektrofilter nachgeschaltet. In den Elektrofiltern wurde die Flugasche abgeschieden. Der Rest des Rauchgases wurde damals über den Kamin in die Atmosphäre geblasen. Man baute die Kamine früher sehr hoch, damit die ausgeblasenen Schadstoffe erst möglichst weit vom Kraftwerk entfernt mit dem Boden in Kontakt kamen.
Immerhin wurden damals an den Kraftwerken schon Experimente mit Versuchsanlagen zur Rauchgasentschwefelung durchgeführt und das erste Kraftwerk das meines Wissens mit einer Rauchgasentschwefelungsanlage die die Abgase eines ganzen Kraftwerkskessels entschwefeln sollte, ausgerüstet wurde, war das Kraftwerk der NWK in Wilhelmshaven, dass heute witzigerweise auch zum Eonkonzern gehört. Das Verfahren dieser Rauchgasentschwefelung beruhte, wenn ich mir mal den nostalgischen Rückblick erlauben darf, auf einer wässrigen Suspension von Kalziumhydroxid, welches über Düsen in das Rauchgas eingespritzt wurde. An der Entwicklung dieses Verfahrens war ich persönlich beteiligt. Ich hatte damals mein Geld damit verdient, in einem Kraftwerk in Lünen eine Versuchsanlage zur Rauchgasentschwefelung nach dem obigen Verfahren zu betreiben, für das meine damalige Firma Fördermittel vom Bund bekam. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind im oben erwähnten Kraftwerk in Wilhelmshaven umgesetzt worden. In den Jahrzehnten danach kam es offenbar zur Entwicklung besserer Verfahren, die sich entsprechend auch durchgesetzt haben.
Eines dieser neueren und besseren Verfahren wird im Kraftwerk Datteln 4 eingesetzt und ist schon seit einiger Zeit der neue Standard auf dem Gebiet der Rauchgasentschwefelung. Ein wesentlicher Unterschied zu dem Verfahren mit der Kalkmilcheinleitung ist die Nutzung von fein gemahlenen Calciumcarbonat anstelle von Calziumhydroxid. Weil der hohe energetische Wirkungsgrad moderner Kraftwerke von 45 % nur bei höheren Verbrennungstemperaturen möglich ist, entstehen im Kessel bei der Verbrennung von Kohle auch höhere Konzentrationen von Stickoxiden als das sonst der Fall war. Auch diese Stickoxide müssen aus dem Rauchgas entfernt werden. Beim Kraftwerk Datteln 4 und auch in anderen Kraftwerken geschieht das in einer Entstickungsanlage, nach einem Verfahren, mit dem Namen SCR (selective catalytic reduction). Bei diesem Verfahren wird dem heißen, trockenen Rauchgas Ammoniakwasser über Düsen zugeführt, und im Beisein von Katalysatoren kommt es zu einer Reaktion der Stickoxide mit dem Ammoniakwasser zu Stickstoff und Wasser.
Das Rauchgas im Kraftwerk Datteln 4 durchläuft, wenn es aus dem Kraftwerkskessel austritt drei hintereinander geschaltete Reinigungsprozesse. Zuerst die Entstickungsanlage, dann die Elektrofilter, in denen die Entstaubung stattfindet, und dann die Rauchgasentschwefelungsanlage. Letztere arbeitet, wie ich oben schon erwähnte, mit kleingemahlenen Calciumcarbonat (Dolomit) der dem Rauchgas in einer wässrigen Suspension zugeführt wird. Dieses verbindet sich mit dem Schwefeldioxid in einer Zwischenreaktion zu Kalziumhydrogensulfit, welches in einem weiteren Verfahrenschritt zu Kalziumssulfat (Gips) aufoxidiert wird. Verkürzt dargestellt wird aus dem zugesetzten Calciumcarbonat (Dolomit) mithilfe des Schwefeldioxids das Produkt Gips hergestellt. Bei dieser Reaktion wird zusätzliches Kohlendioxid frei. Das so gereinigte Rauchgas wird über den Kühlturm der Atmosphäre zugeführt.
Die bisher beschriebenen Reinigungsstufen können im Prinzip mit einem extrem hohen Reinigungsgrad ablaufen. Ausschlaggebend für den Wirkungsgrad dieser Verfahren ist letztlich allein die Verweilzeit des Rauchgases in den jeweiligen Prozessen, und die geometrische Anordnung der Reinigungsanlagen. Einfacher ausgedrückt heißt das, je größer die Anlage, desto besser der Reinigungsgrad. Eon gibt einen so extrem guten Reinigungsgrad,, dicht an 100% an, dass ich fast vom Stuhl gefallen bin, als ich davon las. Es hat sich tatsächlich einiges getan seit 1972, denn heutzutage gibt es gesetzliche Grenzwerte für die So2-Emissionen bei Kraftwerken, die einzuhalten sind, und die z.B. für So2 bei 0,05mg/m3 Reingas liegen.
Grenzwerttabelle bei Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Rauchgasreinigung
Es ist klar, dass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden müssen, auch wenn ich nicht in jedem Fall beschreiben kann und will, wie diese Grenzwerte im Detail zustande kommen.
@Helmut
Nicht damit wir uns falsch verstehen: Ich habe keinen Zweifel, dass es sich bei Datteln IV um ein modernes, leistungsfähiges Kraftwerk handelt und ich begrüße es, wenn alte Kohlekraftwerke durch neue ersetzt werden.
Ich habe mich bislang relativ selten in die Diskussionen zu dem Thema eingeklingt, zum einen, weil mir das Thema zwischenzeitlich zu häufig auf den Tisch kam, die Argumente schnell ausgetauscht waren und eigentlich nur noch Platz blieb, um den eigenen Dampf aus dem Kessel zu lassen.
Zum anderen, weil solche Diskussionen auch in meinem Elternhaus geführt werden. Mein Vater hat, bis er in den Vorruhestand geschickt wurde, als Ingenieur bei der Steag gearbeitet und in den 1980er Jahren in der Bauleitung in Walsum und Voerde gesessen. Das, was er mir zu dem Thema erzählt, deckt sich so ziemlich mit dem, was Du hier schreibst und das wird von mir in keinster Weise angezweifelt.
Darüber hinaus befinde ich mich beim Thema Datteln IV allerdings in einem Meinungsfindungsprozess. Zum einen befürworte ich den Bau moderner Kraftwerke. Zum anderen kann ich jeden Bürger in Datteln und Waltrop verstehen, der sich von e.on hintergangen fühlt, denn die Art und Weise, wie e.on dort gebaut hat, ist alles andere als seriös.
Bedauerlichweise ist Frau Krasnici in Leipzig versackt und kann meine Fragen nicht beantworten. Ich hofffe nur, dass ihr nichts passiert ist oder sie in Auerbachs Keller irgendwie verzaubert wurde. Da soll es ja hin und wieder mit dem Teufel zu gehen.
Hallo zusammen,
sorry, dass ich mich nicht nach dem Festival gemeldet hatte – hole es heute Abend in Ruhe nach und beantworte die Fragen gerne.
GlückAuf
Franziska
So – da bin ich ich auch mit den Antworten.
Bin nicht in Leibzig versackt, bin nur zwischenzeitlich in England gewesen, hab dort gearbeitet und wollte mir die Zeit nehmen, um vernünftig zu antworten.
@Johannes Fischer:
– zu 1. Datteln 4 ist auf der Grundlage wirksamer und vollziehbarer immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen errichtet worden – der Begriff Schwarzbau trifft somit nicht zu. Sie auch auf der Internetseite der Stadt Datteln weitere Hintergrundinformationen zu diesem Thema: http://www.datteln.de/10_Kraftwerksplanung/Alleswasrechtist.htm
– zu 2. Frage trifft nicht zu, der Bau ist auf Grundlage wirksamer und vollziehbarer immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen errichtet worden
– zu 3. Jedes Großprojekt steht im Fokus des öffentlichen Interesses – ich hoffe nicht, dass Investoren aus Angst vor Klagen zukünftig von wichtigen Modernisierungsinvestitionen absehen – ansonsten Good-bye Wohlstand / Wir reden deutschlandweit von einer effizienteren und umweltverträglicheren Energieerzeugung und blockieren alles was direkt in unserer Nachbarschaft passiert – egal ob Windkraft oder konventionelle Anlagen…ich hoffe, dass wir hier einen verlässlichen Konsens zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen finden werden
– zu 4. Nutzen Sie doch die Sprechstunden der Lokalpolitik etc. Ich denke, sie können auch an Ausschusssitzungen teilnehmen, viele haben heutzutage einen offenen Frageteil fpr die Bevölkerung…oder werden Sie selbst politisch aktiv…ist leider bei mir falsch adressiert
– zu 5 „Drecksloch Scholven“: Wenn es so schlimm ist frage ich mich, warum Sie dort wohnen? Ferner sollten wir die Entstehungsgeschichte solcher Stadtteile heutzutage nicht aus den Augen verlieren – die Kohle und die Industrie haben es zu dem gemacht, was es ist http://www.gelsenkirchener-geschichten.de/wiki/Scholven
Ich lade Sie herzlich ein, mich in Datteln oder auch gerne Scholven zu besuchen.
Viele Grüße
Franziska Krasnici
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[…] ja mit viel Elan gestartet war, habe ich persönlich schon sehr lange nichts mehr gehört. In dem Interview mit den Ruhrbaronen im Herbst 2014 hatten Sie sich ja gewünscht, dass man mit den Kraftwerkskritikern im Dialog […]