Radikale Ideologen träumen von einer neuen Normalität. Ob die der Mehrheit der Menschen gefällt, spielt dabei für die ihnen folgende Politik keine Rolle. Wir erleben einen großen Umerziehungsversuch. Und er wird scheitern.
Die Wünsche der meisten Menschen in diesem Land sind einfach: Sie wollen in einer warmen und hellen Wohnung leben, möchten vielleicht einmal im Jahr in Urlaub fahren und beim Einkauf im Supermarkt nicht jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen. Wie die Generationen vor ihnen wünschen sie sich, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird als ihnen. Sie möchten einfach und schnell zu Arbeit kommen und am Wochenende auch ohne große Vorplanung die Familie oder Freunde besuchen können und vielleicht auch einfach mal einen Ausflug ins Grüne unternehmen. Ein Leben in Sicherheit erachten sie als eines ihrer Grundrechte. Sie wollen eine Familie gründen und Kinder großziehen. Das Alter wollen sie ohne Angst vor Armut, solange es gesundheitlich geht, genießen. Sie haben dafür immerhin Jahrzehnte lang gearbeitet.
Den Klimawandel haben sie als Gefahr erkannt und sind dafür, dass der Staat mehr Geld für Ausbau des Nahverkehrs und mehr Investitionen in klimafreundliche Technologien. Die Bereitschaft, Flüchtlingen zu helfen, ist groß, allerdings gibt es auch die Erwartung, dass sich diese der hiesigen Gesellschaft anzupassen und ihre Regeln zu beachten haben. Die große Mehrheit begegnet sexuellen Minderheiten gleichermaßen mit Toleranz und Desinteresse.
Frei die eigene Meinung sagen zu können, empfinden die Menschen längst als ihr gutes Recht. Sie wollen die Regierung und die Politiker kritisieren können und sich keine Sorgen darüber machen, ob das irgendwelche Konsequenzen hat. So wie das in einer Demokratie üblich sein sollte.
Doch all das, was die meisten Menschen wollen, und von ihrem Leben erwarten, zählt immer weniger. Nach einer Studie des Allensbach-Institutes glauben nur noch 48 Prozent der Bürger, dass sie ihre Meinung frei sagen können. In einem Land, in dem das Wort „Freiheit“ zur „Floskel des Jahres“ gewählt wurde und gefeierte Autoren allen, die sich in dieser eingeschränkt fühlen, Narzissmus unterstellen, hat sie keinen großen Wert mehr. Welche Freiheit die richtige ist, darüber gibt es mittlerweile klare Ansichten: Die Freiheit, sich einzuschränken und Rücksicht auf andere zu nehmen, erfreut sich großer Beliebtheit. Nach dem eigenen Glück zu streben, erscheint zunehmend verdächtig. Die Freiheit, etwas sagen und machen zu können, was man möchte, soll so immer weniger als normal angesehen werden. Und nicht nur die Freiheit soll denormalisiert werden: Wer in den Urlaub fliegt, soll wegen des Klimas Flugscham eingeredet werden, Veganismus wird als ideologisch korrekte Form der Ernährung beworben und wer mit Streamingdiensten versucht, der grünen öffentlich-rechtlichen Ödnis zu entgehen, hat gefälligst Streaming-Scham zu empfinden. Das gilt allerdings nur für die Normalbürger. Die Lautsprecher harter Umweltmaßnahmen freuen sich indes auf spannende Reisen. Sie sind sicher nur unterwegs, um die Welt zu retten:
Der Klimawandel ist zurzeit der mächtigste Hebel, um das zu zerstören, was Menschen sich als Normalität wünschen.
Nach wir vor ist das Auto das beliebteste Verkehrsmittel. Daran konnte auch die Dauerpropaganda von Öko-Lobbyisten nichts ändern, die vor allem von den ihnen in der Regel treu ergebenen öffentlich-rechtlichen Medien weiterverbreitet wird. Das von Lobbyorganisationen wie Agora Verkehrswende, die wie vieles im Bereich des grünen Agitprop von der Mercator Stiftung mitfinanziert wird, propagierte Ende des motorisierten Individualverkehrs soll dazu führen, dass die Menschen ihre Autos aufgeben. Allerdings werden sie auf Jahrzehnte keine vernünftigen Alternativen haben: Allein die Einführung des Deutschlandtaktes, der den Nutzwert der Bahn erhöhen soll, wird bis zu seiner kompletten Umsetzung noch Jahrzehnte dauern. Einen funktionierenden Nahverkehr gibt es in weiten Teilen des Landes nicht. Die Mobilität der Menschen wird über das Verbot von Verbrennungsmotoren und politisch gewollten Preissteigerungen bei Diesel und Benzin beschnitten, ohne dass sie auf Alternativen ausweichen können. Ihre Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt. Was heute noch als normal gilt, dahin fahren zu können, wo man möchte oder auch beruflich muss, wird zum Privileg der Reichen.
Der Verfall der Immobilienpreise vernichtet die Altersvorsorge von Millionen Menschen, deren Häuser durch den zwangsweisen Umbau ihrer Heizungen an Wert verlieren oder die genötigt werden, ihre Rücklagen in ihrer Häuser und Eigentumswohnungen zu investieren, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen.
Die erzwungenen Umbauten der Wohnhäuser werden ebenfalls die Mieter treffen, denn ein großer Teil der Kosten wird auf sie umgelegt werden. Allerdings werden sie nicht, wie bei früheren Energiesparmaßnahmen, von sinkenden Energieausgaben profitieren können. Nicht nur Gas und Erdöl werden ab 2027 durch die CO2-Abgabe teurer. Das trifft auch auf den Strom zu, der die Wärmepumpen antreiben soll: Da Deutschland, gegen den Willen der Mehrheit, aus der Kernkraft aussteigt und Strom mit Braunkohle erzeugt, wird auch der Strompreis steigern. Auch ihn wird die CO2-Abgabe teuer machen. Was auch für Menschen mit wenig Geld normal war, in einer warmen Wohnung zu leben, wird es nicht mehr sein. Und auch außerhalb der Ballungsgebiete muss für die Miete künftig ein immer größer werdender Teil des Einkommens aufgebracht werden.
Wenig überraschend werden auch immer größere Teile der Industrie künftig verstärkt im Ausland investieren. Tariflich bezahlte Arbeitsplätze in Unternehmen mit starken Betriebsräten und mächtigen Gewerkschaften geraten so zunehmend unter Druck. Viele werden sich wundern, dass es sie überhaupt noch gibt, lesen sie doch seit Langem, dass wir in einer postindustriellen Gesellschaft leben. Dummerweise hat sich bei vielen Sozialwissenschaftlern nicht herumgesprochen, dass der Wohlstand Deutschlands nach wie vor vom Export abhängig ist. Nicht Genderinstitute, Tanztheater oder Öko-Aktivisten erwirtschaften das Geld, von dem die meisten leben, sondern die Automobilindustrie, der Maschinenbau und die Chemie.
Die Grundlagen eines Lebens in halbwegs gesichertem Wohlstand, der ja erheblich dazu beitrug, die deutsche Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg zu einer stabilen Demokratie werden zu lassen, werden von den Klimaradikalen abgewertet. Eine von den Medien hofierte „Verkehrsexpertin“ zeigt, wie man in den besseren Kreisen über diejenigen denkt, die morgens aufstehen und zur Arbeit gehen:
Was die Menschen mehrheitlich wollen, interessiert nicht mehr: Je nach Umfrage lehnen 60 bis 80 Prozent das Gendern ab. Städte und öffentlich-rechtliche Sender machen es trotzdem und setzen auf die Szenesprache. Dass sie sich so der Mehrheit sprachlich entfremden, ist ihnen egal.
Frauen werden in den kommenden Jahren aus der Öffentlichkeit verdrängt. Sie werden zu Menschen mit Gebärmutter. Man möchte Männer, die sich als Frauen sehen, immer und überall einbeziehen und so gibt wird die Bedeutung von „Frauen mit Penis“ zunehmen. Was Frauen sich über Jahrhunderte erkämpft haben, wird auf dem Altar wirrer Theorien geopfert, nach denen Biologie keine Rolle mehr spielt. Sie soll durch einen mittelalterlich anmutenden Sprachzauber abgelöst werden: Frau ist man nicht, man kann es durch Selbstbehauptung werden.
Ohnehin ist nun häufiger in Texten von Behörden und auch Krankenkassen zu lesen, Kindern würde bei der Geburt von den Ärzten ein Geschlecht zugewiesen. Das trifft nur auf die wenigen Fälle intersexuell geborener Kinder zu. Bei allen anderen erkennen die Ärzte das Geschlecht. Die neue, hippe Ideologie stellt sich gegen die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen, die sich irgendwann vielleicht Gedanken über ihre sexuelle Orientierung gemacht haben, aber nicht über ihr Geschlecht. Wer das tut, leidet wohlmöglich an einer Geschlechtsidentitätsstörung. Sie kann behandelt werden. Doch wer nach wie vor der Ansicht ist, dass das Geschlecht biologisch bestimmt ist und kein „Konstrukt“ muss künftig damit rechnen, bei der staatlich finanzierten Meldestelle der Amadeu-Antonio-Stiftung angezeigt zu werden. Dass deren Gründerin einst Mitarbeiterin der Stasi war, passt ins Bild.
Die Ideen, auf denen all dieser Stuss beruht, hören auf die Namen Postmoderne und Postmaterialismus. Beide gelten als hip und progressiv und sind dabei zutiefst reaktionär. Sie sind die Antwort gelangweilter Bürgerkinder auf den zunehmenden Wohlstand in der Welt und den leider immer gefährdeten Siegeszug von Demokratie und Aufklärung. Dass der Wohlstand, die Bildung und die Freiheit der Menschen in den vergangenen zweihundert Jahren so stark zugenommen hat wie noch nie in der Geschichte unserer Art, interessiert die Vertreter beider Mode-Ideologien nicht.
Was unter Schlagworten wie Postkolonialismus, Queertheorie, Genderstudies, intersektionaler Feminismus, Wokeness oder Cancel Culture verbirgt, ist ein Sammelsurium von Ideologien, das sich gegen die Aufklärung, die Idee des Individuums und den Universalismus von Werten wie den Menschenrechten richtet. Auch ein gemeinsames Ziel gibt es nicht. Ein immer wieder deutlich wahrnehmbarer Antikapitalismus verweist nicht auf Vorstellungen, wie die Zukunft aussehen könnte. Mehr als das Ziel, die westlichen Gesellschaften zu zerstören ist kaum zu erkennen. Beim Postmaterialismus ist das anders. Hier wünschen sich die wohlhabenden Bürgerkinder eine Gesellschaft ohne Wachstum, in der alle Menschen bescheidener leben. Bescheidener, das meint bei Lichte betrachtet nichts anderes als ärmer. Die Journalistin Ulrike Herrmann träumte in der taz gar den kambodschanischen Traum der Roten Khmer: Ein mächtiger Staat soll die Menschen aus den Städten aufs Land treiben: „Dieser Umbau ist nur möglich, wenn der Staat steuert. Noch ist unvorstellbar, dass die Bundesregierung diskutiert, wie sie Stadtbewohner zu Ökobauern umschult. Doch erst wenn diese Debatten einsetzen, wurde das Klimaproblem verstanden.“ In ihrem Buch „Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind“ hat sie beschrieben, dass es kein grünes Wachstum geben kann. Grüne Politik würde zu massiven Wohlstandsverlusten führen. Herrmann findet das gut und angemessen, sie ist eine Anhängerin der Postwachstumsökonomie. Allerdings räumt sie in ihrem Buch ein, das es dafür kaum eine Mehrheit gäbe.
Und daran wird der Angriff auf die Normalität, die Lebenswirklichkeit und die Wünsche der meisten Menschen scheitern: Die Mehrheit wird sich irgendwann gegen die Umerziehung wehren. Und je härter der Druck wird, umso stärker wird die Reaktion darauf ausfallen. Online kursieren längst Sprüche wie „Wenn die Heizung nicht mehr geht, dann wird AfD gewählt“. Merkels Flüchtlingspolitik hatte den Aufstieg der AfD zur Folge, die Energiepolitik von SPD, Grünen und FDP hat das Zeug, den Rechtsradikalen die Teilhaben an der politischen Macht zu ermöglichen. In Schweden und Italien ist ihnen das in unterschiedlichen Formen bereits gelungen. Der Brexit und die Wahl von Donald Trump haben gezeigt, was passiert, wenn kleine, sich der Mehrheit überlegen fühlende Gruppen versuchen, ihre Agenda gegen jeden Widerstand durchzusetzen. Hillary Clintons Regenbogenkoalition, mit der sie hoffte, durch die Zusammenführung von Minderheiten zur Macht zu gelangen scheiterte 2016. Sie stärkte die politische Rechte. Energieversorgungsunternehmen bezeichnen heute intern die Energiewende als gewaltige Umverteilung von unten nach oben. Dort sorgt man sich bereits vor den Folgen sozialen Verwerfungen.
Man mag an den gesellschaftswissenschaftlichen Instituten der Universitäten und in luxuriös ausgestatteten Altbauwohnungen postmodernen Ideologien anhängen und von einer Welt ohne Wachstum träumen. Aber die meisten sind nicht so dumm, sich die Konsequenzen solcher Fieberträume lange bieten zu lassen. Wohlstand und individuelle Freiheit sind die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft. Wer sie zerstört, muss damit rechnen, unangenehm überrascht zu werden.
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