IFPI-Bericht „Investing In Music 2014“ – Die Plattenfirma ein starker Partner

Investing In Music 2014 - screenshot
Investing In Music 2014 – screenshot

Straßburg/London/Berlin 4.3 Milliarden US Dollar wendeten Plattenfirmen 2013 für Artist & Repertoire (A&R) sowie Marketing auf, erfuhren Abgeordnete des EU-Parlaments auf einem Empfang der „Friends for Music“ in Straßburg. Von 2011 auf 2013 stieg damit der Prozentsatz des Einkommens, das von der Industrie reinvestiert wird, von 26 auf jetzt 27%. – Beeindruckend.

Ob Plácido Domingo, Vorsitzender des Weltverbandes der Tonträgerindustrie (International Federation of the Phonographic Industry = IFPI), auch dazu sagte, dass damit der Aufwand für A&R und Marketing letztes Jahr tatsächlich um 200 Millionen US Dollar niedriger ausfiel als noch in 2011? Das steht nämlich nicht im Bericht von IFPI und WIN – Worldwide Independent Network, dem Verband der unabhängigen Musikunternehmen, der im 2-Jahresturnus veröffentlicht wird, und den der Star-Tenor gestern vorstellte.[I]

Es könnte auch beim Blick auf die Vergleichszahlen zur Randnotiz verkommen: In der EU werden für Forschung & Entwicklung von der Pharmaindustrie und Biologie 14,4% des Netto-Umsatzes ausgegeben, bei Software und Computerdienstleistungen sind es nur noch 9,9% und schlanke 2,8% im Industrial Engineering. Da liegt die Tonträgerindustrie mit weltweit 15,6% ihres Umsatzes nur für A&R darüber. Zumindest, wenn man Europa für die Welt hält und die Sache mit den Steuern nicht so genau nimmt. Denn ob sich die 15,6% auf den Brutto- oder Netto-Umsatz beziehen, bleibt offen.

Stattdessen ist zu lesen, dass in 2013 bei den Major-Labels 7.500 Künstler unter Vertrag standen, jeder fünfte ist ein Neuzugang. Wie viele Musiker oder Interpreten ein Künstler sind, ist in diesem Zusammenhang dann schon nicht mehr wichtig. Im Gegensatz zu 2009, wo noch 4.000 Künstler einen Major-Deal hatten und lediglich jeder vierte frisch unterzeichnet hatte, ist das eine deutliche Steigerung. 2009 brauchte es 1 Millionen US Dollar, um einem Künstler den Markteinstieg zu ermöglichen, für 2013 liegt die Summe zwischen 500.000 US Dollar und 2 Millionen. Gleichzeitig sank aber die Investition in A&R sowie Marketing seit 2009 um 700 Millionen US Dollar. [II] Wen halten die Plattenfirmen jetzt also kurz? Alle, die Newcomer, mal so, mal anders?

Zieht man dann noch in Betracht, dass nur zwischen 10 und 20% dieser 7.500 Künstler mit ihren Veröffentlichungen die Gewinnzone erreichen, können einem Zweifel kommen, ob überhaupt noch ein Künstler seinen Lebensunterhalt mit Musik verdienen kann. Denn auf die Künstler der Major entfallen 70% Marktanteil, die restlichen 30% müssen sich die „abertausend weiteren“, die über unabhängige Musikunternehmen veröffentlichen, teilen. IFPI und WIN dagegen kommen zu folgendem Schluss: „Das Verhältnis zwischen Künstler und Plattenfirma ist die entscheidende Partnerschaft im Herzen moderner Musikwirtschaft.“

Die Plattenfirmen weisen zwar zu Recht darauf hin, dass sie neue Marktbereiche erschlossen und Fachverstand erweitert haben. Das Hauptargument für ihr Eigenlob ist aber – neben kreativer Bilanzanalyse – eine Studie, die im Nachgang zum Bericht von 2012 auftauchte [III] : 70% der Acts ohne Plattenvertrag in Großbritannien und 80% in Deutschland wünschen sich einen Vertrag. [IV]

Bereits damals bemerkte das Popbüro Stuttgart – neben der VW Sound Foundation, der Popakademie Baden-Württemberg, Local Heroes und SoundGroundBerlin selbst Studien-Teilnehmer – dass weder diesem Wunsch, noch dem veröffentlichten Auszug aus der Gesamtbefragung zu entnehmen sei, „wie viele Künstler und Bands insbesondere in den Nischenmärkten sich tatsächlich entschlossen haben, ihre Karriere künstlerisch und wirtschaftlich selbst zu gestalten und Musikunternehmen nur noch als Dienstleister zu nutzen.“ [V]

Prof. Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie, bemerkte gestern zu „Investing In Music 2014“ trotzdem lieber etwas anderes: „Es heißt immer wieder, Musikfirmen verlören an Bedeutung, weil im Zeitalter von Social Media Künstler ihre Produktionen am liebsten durch Crowdfunding zunehmend sowohl selbst finanzieren als auch selbst vermarkten wollten. Die aktuellen Zahlen besagen das Gegenteil: Die meisten Musiker wünschen sich die finanzielle Unterstützung und die professionelle Expertise der Musikfirmen, weil erst diese Zusammenarbeit ihnen ermöglicht, sich auf den kreativen Prozess zu konzentrieren, anstatt im Nebenberuf noch als Manager in eigener Sache aufzutreten. Ich würde mir wünschen, dass diese ökonomischen Realitäten der Kreativbranchen in den Debatten um Kultur und kulturelle Wertschöpfung im digitalen Zeitalter stärker reflektiert würden.“ [VI] Wann er diese aktuellen Zahlen veröffentlichen wird, sagte er aber nicht.

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FUSSNOTEN

[I] „Investing In Music 2014“

[II] „Investing In Music 2010“

[III] „Investing In Music 2012“

[IV] „Plattenvertrag bleibt gefragt“ – BVMI 14.12.2012

[V] „Musikindustrie: Vorstellung Studie“ – Popbüro Stuttgart 13.11.2012

[VI] „Neue Ausgabe des Branchenreports ‚Investing In Music'“ – BVMI 25.11.2014

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