Nach der Länderspielpause freuen sich unsere Fußballfreaks Robin Patzwaldt und Peter Hesse wieder auf die Bundesliga. Vorab haben sie noch ein paar Themen auf dem Zettel: die Doppelmoral von TSG Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp, rassistische Vorfälle in über 50 Jahren Bundesliga, Schalke 04 präsentiert mit Sportvorstand Peter Knäbel nicht mehr als eine Notlösung und die Bayern werden sich auch ohne Robert Lewandowski zur Meisterschaft schießen. Nun aber: Anpfiff!
Peter Hesse: Hallo Robin, Jochen Breyer ist bekannt als Moderator beim Aktuellen Sportstudio. Er ist in letzter Zeit besonders mit kritischen Interviews aufgefallen, vor allem sein Karl-Heinz Rummenigge Interview ist mir in sehr guter Erinnerung geblieben. Nun hat er eine Doku gedreht über Dietmar Hopp – und wie Ultras in ihn in den letzten Jahren beleidigt haben. Hopp versprach bei einem Interview vor über einem Jahr im aktuellen Sportstudio, dass er bereit ist alle Beleidigungen zu vergessen. Nur seine Anwälte ziehen da nicht mit – sie haben mehrere Ultras vor Gericht verklagt, vor allem Mitglieder der Münchener „Schickeria“. Ich sehe sowohl Hopp als auch viele Ultra-Gruppierungen sehr ambivalent: bei machen vor allem viele gute gesellschaftspolitische Aktionen, aber schießen genauso oft über das Ziel. Und diese Doku hat mir gezeigt wie komplex und kompliziert der ganze Fall inzwischen ist. Wie siehst du das?
Robin Patzwaldt: Hallo Peter! Die Fixierung vieler Ultras auf Hopp kann ich nicht nachvollziehen. Man muss Hopp nicht mögen, aber der Umgang sollte frei von Beleidigungen und Drohungen sein. Das war seitens vieler Fans vor Corona nicht in Ordnung. Die Pandemie hat den Ultras die Bühne entzogen und wird sich dauerhaft auf die Situation auswirken. Keiner von uns kann aktuell abschätzen, wie sich der Fußball in nächster Zeit entwickeln wird. Zur Hopp-Problematik: Ich beschäftige mich ja sehr viel mit US-Sport. Da sieht man, dass es viele Ansätze gibt, die durchaus sinnvoll und gut sein können. Das Problem mit den Hopps in unserem Lande ist, dass sie die Machtverhältnisse im Sport bei uns künstlich verschieben. Und das läuft nicht chancengleich unter den Vereinen ab. Das ist ein Problem, das auch mich stört. So wie es aktuell läuft, ist das nicht gut für den Fußball. Aber das Thema ist komplex und würde hier den Rahmen sprengen. Einen Königsweg sehe ich hier aber nicht, ehrlich gesagt. Wir werden hier ja keine Verhältnisse wie im US-Sport bekommen. Und dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Das sind emotionale, arbeitsrechtliche und so weiter. Das Thema ist etwas für eine Analyse in Buchform – fürchte ich.
Peter Hesse: In diesem Fall nervt mich konkret, dass Hopp so tut, als würde er einrenken wollen – aber seine Anwälte vor Gericht agieren doch anders. Nun wurde ein Fan von der Münchener Ultra-Gruppierung „Schickeria“ zu einer sehr massiven Geldstrafe verdonnert, weil der in Hoffenheim auf den Zaun gestiegen ist – und so (laut Gericht) in die „Lufthoheit“ von Hoffenheim eingebrochen ist. Ja, was kommt denn als nächstes? Von der Band Ton Steine Scherben stammt der Vierzeiler ››Die Richter und Staatsanwälte – für wen sind sie da? – für die Kapitalisten – und für ihren Staat!‹‹ Und das finde ich im rechtsstaatlichen Verständnis doch sehr schwierig das der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Ich wechsel mal zum nächsten Thema: unser Dauerpatient Schalke 04. Nach tagelangen Hick-Hack-Verhandlungen mit Ralf Rangnick kommt der nun doch nicht nach Gelsenkirchen. Dafür der ehemalige HSV-Prof-Fußball-Direktor Peter Knäbel. Der hatte im August 2015 einen Rucksack mit vertraulichen Unterlagen, wie HSV-Gehaltslisten oder Scouting-Berichten, verbaselt – und detaillierte Auszüge von diesen Unterlagen wurden dann tagelang in Hamburger Printmedien breit getreten. Da liegt es doch auf der Hand: Im königsblauen Phantasialand wartet doch schon jeder schon auf den nächsten Fauxpas. Oder?
Robin Patzwaldt: Mir fehlt die Phantasie, um von Knäbel auf schalke viel Gutes zu erwarten. Ich halte ihn für eine absolute Notlösung. Inwieweit das auch wirtschaftlicher Not geschuldet ist, da kann man nur spekulieren. Rangnick soll ja auch wegen des engen Budgets abgesagt haben. Dass Knäbel den Job annimmt, kann ich in Anbetracht seine unglücklichen Vergangenheit aus seiner Sicht verstehen. Für ihn ist das eine Chance. Ob das aber eine gute Entwicklung für Schalke ist, daran habe ich Zweifel. Man muss viel Optimismus in sich tragen, wenn man Schalkes nahe Zukunft optimistsch sieht. Vieles deutet in diesen Tagen auf eine längere Durststrecke hin. Auch wenn der Hauptsponsor Gazprom den Knappen jetzt auch in Liga 2 erhalten bleibt. Aber Aufbruchstimmung sieht anders aus, wenn du mich fragst.
Peter Hesse: Nächstes Thema: In zwei Wochen wird der Dokumentarfilm „Schwarze Adler“ bei Amazon-Prime zu sehen sein – und der erzählt die Geschichte von afrodeutschen Fußball-Profis in der Nationalmannschaft. Dort kommen unter anderen die ehemalige Bundestrainerin Steffi
Jones – sowie die früheren Nationalspieler Gerald Asamoah, Cacau oder Patrick Owomoyela zu Wort. Auch der Ex-Dortmunder und Bremen-Profi Erwin Kostedde wird porträtiert, der seine Karriere in den frühen 1970er Jahren bei Kickers Offenbach gestartet hat. Wenn er mit den Offenbachern zu Gast bei Eintracht Frankfurt war, sangen deren Fans hämisch: „10 Schwule und ein Nigger – das sind die Offenbacher Kicker.“ Wenn man dazu vergleicht welche Hassgesänge immer noch in Stadien wie Jena, Dresden oder anderswo (natürlich nicht nur in ostdeutschen Stadien) gesungen wird, wird vor allem klar: bei allen Aktionen gegen Rassismus und Ausländerhass konnten diese unterirdischen Ressentiments in den vergangenen 50 Jahren nie komplett ausgelöscht werden. Das ist schon eine bittere Tatsache. Wie empfindest du das?
Robin Patzwaldt: Ich denke, der Sport spiegelt da nur die restliche Gesellschaft. Da die Probleme auch dort nicht verschwunden sind, so sind sie es im Sport auch nicht. Häufig wirken Aktionen gegen Rassismus für mich aber auch aufgesetzt und künstlich. Insbesondere der DFB kommt mit seinen Aktionen häufig nicht wirklich überzeugend rüber – wie wir ja auch beim Anti-Katar-Statement der Nationalmannschaft wieder miterleben mussten. Da freut man sich über die T-Shirt-Aktion und muss sich dann hinterher wieder über das durchgestylte Video im Bierhoff-Style ärgern. Wie hast du das empfunden?
Peter Hesse: Toni Kroos sagte in seinem Podcast „Einfach mal Luppen“, „dass es wichtig ist, auf die Probleme noch mal extrem aufmerksam zu machen, ja vielleicht auch im Vorfeld oder auch während so einem Turnier.“ Aber er betont ja auch gleichzeitig, dass er einen Boykott des Turniers nicht für sinnvoll hält. Beckenbauer betonte ja schon früh er habe keinen einzigen Arbeiter-„Sklaven“ vor Ort gesehen, Rummenigge erwähnte beim Interview im aktuellen Sportstudio, dass Katar bei Menschen- und Arbeitsrechten „schon ein ganzes Stück nach vorn gekommen“ sei. Das ist alles maximal beschissen – und an der Wahrheit vorbei. Aber: solange sich keine Repräsentanten aus der vordersten Bundesliga-Etage für einen Boykott einsetzen, wird das auch nichts werden. Norwegens Fußball-Verband NFF hat die Entscheidung über eine WM-Absage in Katar noch vertagt, aber vielleicht wird das ja noch in der nächsten Abstimmungsrunde anders werden.
Robin Patzwaldt: Ich finde zudem, dass das alles etwas spät kommt. Warum hat man nicht schon direkt nach der Vergabe gesagt, dass man nicht teilnehmen wird. Jetzt ist die Bundesliga umgeplant und vieles mehr. Jetzt wird keine Absage mehr kommen. Die Zeit ist zu weit fortgeschritten. Ich befürchte, dass das nur Show ist um sich bei den Kritikern ins rechte Licht zu setzen.
Peter Hesse: Nach zum Teil durchwachsenen Spielen der Nationalelf freue ich mich auch wieder auf die Bundesliga. Lewandowski ist verletzt, gut, dass wird bei der großen Qualität der Bayern nicht weiter ins Gewicht fallen. Einen sentimentalen Wunsch habe ich dennoch: möge der 40-Tore-Rekord bei Gerd Müller bleiben. Hast du auch einen Wunsch in dieser Richtung?
Robin Patzwaldt: Auch ich freue mich nah der zweiwöchigen Pause auf die Rückkehr der Bundesliga. Ich habe für den Rest der Saison nur noch einen Wunsch: Der BVB soll unter die ersten Vier. Das ist für die finanzielle Zukunft des Vereins sehr wichtig. Alles andere wird sich dann schon irgendwie fügen….
Hab die Doku von Jochen Breyer auch gesehen – schlimm, wie weltfremd Uli Hoeneß seinen Kollegen Dietmar Hopp in Schutz nimmt und das am Beispiel von einem Apfel, den Hopp auf dem Golfplatz für 50 Euro bezahlt hat. Probieren sie das mal einem Aushilfsfahrer von Amazon begreiflich zu machen – der macht mit der gleichen Summe seinen Wocheneinkauf bei Aldi. Die einzelnen Gehaltsetagen in Deutschland passen nicht mehr zusammen.