Zweifelsohne gehören Deichkind zu den abgefahrensten Liveacts unseres Landes.
Die Grenzen von Musik, Equipment, Licht und Ton werden bei ihren Konzerten jedes Mal aufs Neue herausgefordert und ihr Publikum macht die Beschleunigung von Null auf Hundert immer wieder begeistert mit. Denn wenn die Hamburger Elektrorapper MC Philipp Grütering alias Kryptik Joe, MC Sebastian „Porky“ Dürre und Sascha Reimann als „Ferris Hilton“ die Bühne betreten, ist es erstmal vorbei mit Luft holen und Stillstand, die Aufwärmphase wird übersprungen.
Geboten wird ein komplett durchchoreographiertes Kostümspektakel, das an Technikeinsatz kaum zu überbieten ist und das die Massen begeistert. Wohl angemerkt, dass Deichkind dabei kein einziges Musikinstrument spielen.
Am Donnerstagabend lieferten sie die Fortsetzung ihrer „Niveau Weshalb Warum“-Tour (das Album Niveau Weshalb Warum erschien am 30. Januar 2015) in der Grugahalle in Essen und luden ein zu ihrem optischen und publikumsnahen Krawall und Remmidemmi. Bedient wurden an diesem Abend nämlich nicht nur die Ohren, sondern vor allem auch die Augen.
Was die „Deichkinder“ unbedingt perfektioniert haben, ist die totale Eskalation und sie haben ihr Publikum dabei fest im Griff. Nicht nur auf der Bühne geht es an die Grenzen des körperlich Machbaren, auch die Fans müssen ordentlich Gas geben, was aber begeistert umgesetzt wird. Solidarisch erscheinen viele in selbst gebastelten neon-farbenen “Kostümen”, halten ihre blinkenden Neon-Schwerter im Anschlag und flippen komplett aus.
Ihre Bühnenshow ist aber nur eines ihrer großen Markenzeichen. Auch textlich haben sich die Hamburger schon mehrmals selber übertroffen. Nicht nur, dass sie den Wortschatz ganzer Generationen nachhaltig geprägt und ihnen aus der Seele gesprochen haben, ihre Gesellschafts- und Konsumkritik verpacken sie immer gekonnt in viel Selbstironie, gewollt demonstrativ und „prollig“, mit einschlägigen Beats untermalt.
Was also auf den ersten Blick wie absurde und schrille Partymusik erscheinen mag, ist mit durchaus ernsthaften Botschaften versehen, was allerdings nicht daran hindert, sich in Ekstase zu tanzen.
Deichkindkonzerte finden allerdings nicht ausschließlich auf der Bühne statt.
Mit Publikumsnähe und Kontaktfreudigkeit können die Rapper ebenfalls immer wieder punkten. Sie surfen durch die Menge, mal über Kopf in Schlauchbooten und Fässern, mal in quietschgelben Seuchenschutzanzügen, in denen sie mitten durch die euphorischen Fans hindurch bis auf die obersten Ränge spazieren, den überdimensionalen “Leider Geil” Luftballon immer im Anschlag.
Ein Mangel an Ideenreichtum kann man den Deichkindern also keineswegs vorwerfen. So gut wie jeder Song hat seine eigene Choreografie, sein eigenes Bühnenszenario, sein eigenes Equipment, seine eigene Kostümierung und vor allem seine eigene Kopfbedeckung.
Da werden überdimensionale Schaumstoff-Gehirne präsentiert, die wohlbekannten leuchtenden Dreieckshüte, Daft-Punk-Masken und etwaige andere Sci-Fi-Kopfbedeckungen, dazu jede Menge wechselnde futuristische Verkleidungen.
Und alles führt zur totalen Eskalation und Ekstase, da muss dann schon manchmal der Elektroscooter für Senioren, rollende Bürostühle oder Tretroller herhalten, um den Deichkindern eine kleine Verschnaufspause zu verschaffen.
Perfektioniertes Chaos in seiner Höchstform, das Konzert von Deichkind in der ausverkauften Grugahalle in Essen.
Hier sind die Fotos:
Am 12.02.2016 treten Deichkind in der Lanxess Arena in Köln auf, Tickets gibt es bei Eventim und alle weiteren Informationen unter : www.schoneberg.de