„Immer wieder sonntags“ – drei Gründe dafür: die Statistik, die Trends und der nette Herr Rösler

Immer wieder sonntags – die Frage aller Fragen. „Wenn am  nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären …“

Moment! Die ganz aufmerksamen und regelmäßigen Ruhrbarone-Leser werden gleich beim Nennen des Themas einwenden: „Stopp! Das  hattet Ihr vor anderthalb Wochen. Nicht übertreiben!“ Richtig. Erstens, dass  wir es kürzlich hatten, und zweitens, dass der ständige Blick auf die Wasserstandsmeldungen nicht unbedingt der Königsweg zur großen Weisheit sein muss. Wir sehen uns die aktuellen Umfragewerte dennoch an, und zwar aus drei Gründen.

Der erste ist rein technisch-methodischer Natur: abgesehen von einem (GMS) sind die Daten der Forschungsinstitute durchweg relativ frisch. Das „Verfahren“, nämlich schlicht das arithmetische Mittel aus den Resultaten der sechs Umfragen zu bilden, wird mit zeitlicher Nähe unproblematischer. Bei monatlicher Betrachtung bietet es sich an, dies statt so um den 10. so um den 20. herum zu tun.

Der zweite Grund: jetzt, also in den letzten zehn Tagen, hat sich tatsächlich etwas getan. Trotz der Kürze des Zeitabstands zeichnen sich bei allen Instituten ähnliche Trends ab. Beim einen sind die „Ausschläge“ hier besonders augenfällig, beim anderen dort. Heute eine Schlagzeile mit Bezug auf die Emnid-Umfrage: „SPD nur noch zwei Prozent hinter der Union“. Wie schön.
Hier alles im Mittelwert, nivelliert, dafür aber signifikant:

 

CDU / CSU 33 % +/- 0
SPD 28,5 % + 1,5
Grüne 21 – 1
Linke 6,5 % – 1,5
FDP 4,5 % + 0,5
Sonstige 6,5 % + 0,5

Stand: 22.08.2011
Vergleich zum 10. August 2011

 

Vor dem dritten Grund, dem entscheidenden, der Kurzkommentar: die SPD legt in den Umfragen kräftig zu, weil sie gegenwärtig als einzige der fünf Parteien keinen Gegenwind hat. Bei den Verlusten der Grünen handelt es sich um die erwartete „Konsolidierung“: Fukushima ist vergessen, der Hype vorbei, es dürfte noch etwas weiter runter gehen. Stabilisieren sich die Grünen so bei 17 oder 18 Prozent, sind sie dennoch die eindeutigen Gewinner in der gegenwärtigen Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse.
In einer komplizierten Lage, wenngleich aus ganz unterschiedlichen Gründen, sind sowohl die Union die Linkspartei. In der kompliziertesten Lage sollte man die FDP wähnen; doch beim oben angezeigten halben Punkt nach oben haben wir es nicht mit einem Zufallstreffer zu tun, sondern mit dem Wendepunkt. Endlich geht es wieder aufwärts. Und damit sind wir beim dritten Grund: die politische Relevanz dieser Zahlen hat deutlich zugenommen. Nein, nicht im Trend, tendenziell, und so. Das sowieso.

Nein, den Grund Nummer Drei hat jetzt der nette Herr Rösler geliefert. In dem Fall, dass sich die Union für Eurobonds aussprechen sollte, so der FDP-Chef, sei die schwarz-gelbe Koalition beendet. Das klingt nach Zeichen setzen, Liefern, Profil gewinnen; das Problem ist nur, wie die FTD heute zutreffend anmerkt: „Rösler verzockt sich“. Mag sein, dass Merkel und Rösler für den im Herbst anstehenden Bundestagsbeschluss zum Euro Formulierungen hinbekommen, die Eurobonds ausschließen und alle anderen Knackpunkte in Schönwetterformeln verpacken, die allen gut und keinem wehtun.
Mag sein, dass die bürgerliche Wunschkoalition das noch übersteht. Aber spätestens im nächsten Frühjahr kommen die Eurobonds wieder auf den Tisch,  oder ein großes Südland – Italien oder Spanien – muss unter den „Rettungsschirm“, oder es folgt eine andere heftige Attacke der internationalen Spekulation auf sonst was.

FDP, Umfallerpartei? Rösler, ganz besonders weich und zärtlich? – Ganz egal: aus dieser Nummer kommt Rösler nicht mehr raus, kommt auch Merkel nicht mehr raus. Das Schicksal der schwarz-gelben Koalition liegt jetzt – nicht vor Gericht, auch nicht auf hoher See, aber – in den „Händen“ der  internationalen Börsen. Prost, Mahlzeit! Die Chancen, dass die Regierung bis Herbst 2013 hält, sind jedenfalls deutlich geringer geworden.

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Freidenker
Freidenker
13 Jahre zuvor

Die Titanic sinkt und Herr Jurga kommentiert die Dekorierung der Liegestühle an Deck.

Thomas
Thomas
13 Jahre zuvor

@Werner: Welche Zahlen gehen denn bei Euch in die Mittelwertbildung ein? Die Seite, auf die du verweist, enthält für die Institute überwiegend nur ganzzahlige Prozentwerte. Wenn du die verwendest, dann dürfte der rundungsbedingte Rechenfehler bei der FDP schon mindestens bei 0,5% liegen.

Und berücksichtigst du bei der Mittelwertbildung die unterschiedlichen Stichprobengrößen der Institute?

Und wenn du „signifikant“ schreibst, meinst du das im statistischen Sinne, und wenn ja, welche Irrtumswahrscheinlichkeit liegt da vor?

trackback

[…] Übermorgen findet in Berlin die Wahl zum Abgeordnetenhaus statt. Es dürfte spannend werden; schwer zu sagen, ob wir nach der 18-Uhr-Prognose aus der Wahltagsbefragung schon wesentlich schlauer sein werden. Wegen der ganz erheblichen Schwankungen in den letzten Wochen und Monaten rate ich auch dazu, die vorliegenden Umfrageergebnisse mit der gebotenen Vorsicht zu genießen. Nichtsdestotrotz lohnt sich ein Blick auf den aktuellen Wasserstand. Es liegen Resultate von vier Instituten vor; ich habe – wie gewohnt – das arithmetische Mittel aus den vier Ergebnissen gebildet. Über die methodische Zulässigkeit dieses Verfahrens ist alles gesagt – hier. […]

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