Am 13.6. wurde das Impulse Theaterfestival, das 2018 erstmals unter der künstlerischen Leitung von Haiko Pfost stattfindet, im Ringlokschuppen, Mülheim eröffnet. Während in der Studiobühne, Köln die diesjährige Impulse Akademie ihren Sitz hat und in Düsseldorf mit „Wenn die Häuser Trauer tragen“ ein Stadtprojekt stattfindet, fungiert der Ringlokschuppen als Festivalzentrum, wo beim „Showcase“ international herausragende Produktionen des freien Theaters gezeigt werden.
Am Beginn von „Dorf Theater“ klärt Regisseur Corsin Gaudenz darüber auf, dass bei den Produktionen der Theatervereine, die es in der Schweiz zu hunderten in fast jeder kleinen Ortschaft gibt, stets der Präsident des Vereins zunächst erzähle, worum es in dem Stück gehe. Das gibt der Festivalleitung die Möglichkeit, auch während der Eröffnungsproduktion, die diversen Begrüßungsreden nahezu nahtlos in die Aufführung zu integrieren. So werden die Danksagungen an Förderer und Mitarbeiter zum Teil der Produktion.
„Dorf Theater“ wirft einen sanft ironischen, aber zutiefst liebevollen Blick auf die breite Tradition des Laientheaters in der Schweiz, die gleichermaßen nicht nur für Nichtschweizer, sondern auch für den Stadtbewohner in Zürich, Basel, Bern oder Sankt Gallen von eigenartiger Fremdheit ist. Fünf Darsteller, sprechen fünf Figuren aus fünf verschiedenen Stücken, die in den Ortschaften Muotathal, Stansstad, Menzingen, Isenthal und Rothenburg stammen. Zunächst allerdings stellen sich die Darsteller*innen mit den Namen und biographischen Angaben der Original-Schauspieler*innen vor. In drei, für die Eröffnungsveranstaltung leicht gekürzten, Teilen entwickelt sich dieses Spiel vom experimentellen Chaos zu einem absurden Dialog des nicht zusammengehörenden. Während im ersten Teil noch die Darsteller ihre Rollen, die sie über iPods hören, nachsprechen, in verschiedenen Schweizer Dialekten und teilweise zeitgleich, ergibt sich aus den Dialogschnipseln der verschiedenen Stücke im zweiten Teil ein scheinbar sinnvoller Dialog. Dazu wird auf der Bühne ordentlich Kräuterschnaps – echter, wie betont wird – konsumiert wird. Der dritte Teil zeigt unter dem Titel „Atmosphäre“ die Bedeutung des Dorftheaters als sozialen Treffpunkt. Hier erfahren wir auch, dass die 9000 Karten für 28 Aufführungen einer solchen Dorfproduktion meist innerhalb kürzester Zeit verkauft sind. Unterbrochen werden die drei Teile durch Pausen, deren Wichtigkeit für das soziale Event ebenfalls hervorgehoben wird. Zudem singt ein Chor zwischendurch Lieder, großartig begleitet von Vera Kappel. Insbesondere der Countertenor von Chorleiter Philipp Gaspard, der nebenbei auch noch während der Aufführung die Bühnenrückwand auf ein Kulissenelement malt, beeindruckt dabei nachhaltig.
Corsin Gaudenz gelingt es in „Dorf Theater“, die fremdartige Tradition gleichermaßen nachzuahmen und sehr intelligent zu brechen. Recherche und Konzept des Abends sind klug durchdacht und dennoch hat das auf der Bühne gezeigte eine improvisierte Leichtigkeit und Charme. Nicht zuletzt zeigt sich das auch bei den Interviewaufnahmen mit den Originalschauspieler*innen, die im Video gezeigt werden, und sich anerkennend über das für sie teilweise auch durchaus rätselhafte Reenactment äußern.
Dass sich dann der Abend um eine halbe Stunde verzögerte, ist ausnahmsweise nicht der sprichwörtlichen Langsamkeit der Schweizer geschuldet, sondern den Begrüßungsreden. Als zweite Produktion im Anschluß zeigte Impulse das queere Projekt „Pink Money“ aus Südafrika. In einem Disco-Setting mit Bar, DJ-Pult und zwei kleinen Bühnen setzen sich die vier Performer*innen mit dem Thema auseinander. Als „Pink Money“ wird jenes Geld bezeichnet, das die LGBTIQ+-Community insbesondere für Tourismus ausgibt. Es geht um Fragen, wer an einem „gayfriendly“ Tourismus verdient, aus welchen Beweggründen und wie „Pink Money“ die LGBTIQ+-Community spaltet. Überlagert werden Gender-Fragen zusätzlich von der nach der Hautfarbe. Die vier Performer*innen tanzen kleine Discochoreographien und spielen zwischendurch kurze Szenen.
Leider bleibt das alles allzusehr an der Oberfläche. Dass Geld als soziales Differenzmedium funktioniert, ist nicht nur in der queeren Community so. Dass die queere Community nur eine Fiktion ist und keine sozial einheitliche geschlossene Gruppe ist ebenfalls zutiefst trivial. Und wenn Gender-Fluidität im Wechseln der Kleidung dargestellt werden soll, dann ist das doch ein bisschen zu einfach.
Mag sein, dass „Pink Money“ jemandem, der noch nie einen Berührungspunkt mit LGBTIQ+-Personen hatte, noch etwas erzählen kann. Für alle anderen ist es eine zähe, bemühte Angelegenheit, die nicht einmal mehr als AgitProp funktioniert. Es reicht nicht, den Begriff des „Pink-washings“ einmal in den Raum zu werfen und auch der Aspekt der „Pink Money“ hätte sicherlich eine tiefere Durchdringung verdient. Und dass sich die lesbische Community in zahlreiche Untergruppen spaltet, ist nun sicher auch für die wenigstens eine neue Erkenntnis. Und dass Safe Spaces mit Geld erkauft werden, ist nicht nur in der queeren Community so. Der Slum ist für alle gefährlicher als die Luxuswohnung in der Gated Community. An der Produktion „Pink Money“ zeigt sich nur, dass gut gemeint eben noch lange nicht gut gemacht ist. Und so eiert die Show immer hart am Betroffenheitskitsch vorbei und manchmal noch nicht einmal das.
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