Vergangenes Wochenende hat sich die Bundesliga bei 18 Grad Außéntemperatur in die Glühwein-Jahreszeit verabschiedet. Ein paar Themen sind noch offen: der plötzliche Leistungsabfall von Union Berlin, die prächtige Erfolgsbilanz von Marco Rose als Leipzig-Trainer, dem schwierigen Patienten 1. FC Köln und einem Dopingfall beim HSV. Und jetzt soll WM-Stimmung in Katar aufkommen? Die Hinterzimmer-Deals des korrupten Weltverbandes FIFA ziehen eine blutige Spur hinter sich her. In einer Welt, wo scheinbar am Zürichsee mehr Verbrecher in der Sonne sitzen, als in der ganzen EU im Knast, kann es für unser Fußball-Talker-Duo Thommy Junga und Peter Hesse nur eine Lösung geben: #BoycottQatar
Peter Hesse: Schon crazy: Bei Union schwinden so langsam die Kräfte. Nachdem die „Eisernen“ wochenlang Tabellenführer waren, sind sie aktuell auf Platz fünf – sieben Punkten hinter den Bayern. Dazu ein verbesserungswürdiges Konto von 24 zu 20 Toren. Die Bayern haben doppelt so viele Tore geschossen (49) und nur 13 Gegentore kassiert. Das sieht fast so aus, als würde es bei Union doch nicht zur Meisterschaft reichen – was können wir tun?
Thommy Junga: Den Berlinern zu einer bärenstarken Hinrunde gratulieren. Die große Stärke des Teams war seine taktische Disziplin, aber auch Einfachheit im Spiel nach vorn – genau dies wird den Eisernen jetzt zum Verhängnis. Zwingst du Union das Spiel zu machen, hast du ziemlich gute Chancen auf Punkte. Das scheint die Sollbruchstelle in dieser Saisongeschichte an der Alten Försterei zu sein. Fußball ist eben nicht nur ein Spiel gegen den Ball. Und es hat sich zuletzt auch gezeigt, dass der zweite Anzug etwas dünn ist. Das verzeiht dir da oben keiner.
Peter Hesse: Seit Marco Rose Trainer ist, hat RB Leipzig zwölf von 16 Spielen gewonnen und sich zum Bayern-Verfolger gemausert. Werder rutscht durch die heiß umkämpfte Niederlage gegen die Leipziger auf den neunten Platz ab, das Red Bull-Team ist jetzt Tabellenzweiter. Wird den Leipzigern die WM-Pause gut tun um weitere Kräfte zu sammeln – sind sie ein ernsthafter Bayernjäger?
Thommy Junga: Ähnlich wie die anderen Topteams muss Leipzig einen großen Teil seines Kaders für Wochen nach Katar ziehen lassen. Man kennt aus den Jahren der klassischen Sommer-WMs ja den komplizierten Saisoneinstieg für die prominent besetzten Mannschaften. Da ist dann schon teilweise massiv Sand im Getriebe. Das wird nun nach einer Hinrunde voller englischer Wochen und einem Endturnier sicher fordernd. Da könnte tatsächlich Leipzigs große Stunde schlagen, denn der Kader ist annähernd doppelt besetzt und kann Formschwankungen ausgleichen wie kaum ein anderer Bayernjäger. Zudem hat Trainer Rose seinem Team wieder einen stärkeren Kontercharakter verschrieben. Das kann zusätzlich Reserven sichern.
Peter Hesse: Kümmern wir uns mal um die rotweißen Domstädter. Seit dem umjubelten 3:2 gegen Dortmund ist der 1. FC Köln in der Krise. Spiele im Drei-Tages-Rhythmus und ein großes Verletzungspech haben Spuren hinterlassen. Kölns Trainer Steffen Baumgart sieht nach der Pleite in Berlin das Team am Scheideweg und die Dom-Glocken läuten etwas lauter als sonst. Wie kann der FC seine Talfahrt stoppen?
Thommy Junga: Ich habe mich ehrlich gesagt überrascht, dass der FC überhaupt so stabil in die Saison starten konnte. Das gute Abschneiden in der Vorsaison wurde bereits mit einem Kader erzielt, der ordentlich auf Kante genäht war, das wurde zur jetzigen Saison durch Abgänge vom Kaliber Modeste und Özcan eher schlimmer. Die Domstädter haben großes Glück mit ihrem Trainer. Steffen Baumgart ist völlig unverdächtig irgendwelchen Luftschlössern hinterherzueifern. Er bewertet die aktuelle Situation völlig vernünftig, wenn er jetzt den Blick nach unten richtet. Die neue Lage anzunehmen bedeutet eben auch der Talfahrt angemessen begegnen zu können.
Peter Hesse: Mario Vuskovic, ein 20-jähriger Innenverteidiger in Diensten vom Hamburger Team, wurde bei einer Routinekontrolle positiv auf das Dopingmittel Epo getestet. Das bestätigten am Samstag der HSV und der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der in der Sache ein Verfahren eingeleitet hat. Bei Mario Basler reichten noch fünf Bier und ne‘halbe Schachtel Kippen, um seine Leistung zu steigern. Warum reicht das heute nicht mehr?
Thommy Junga: Doping ist vermutlich das kleinste, große Thema im Fußball. Bemüht man sich um Informationen wird das Ganze schnell zur Fleißarbeit. Fußball ist anders als andere Sportarten ein dauerhaft präsentes Produkt. Denkst du an den Radsport interessiert sich die Öffentlichkeit vielleicht zwei, drei Wochen im Jahr für das Thema. Verbände, Ligen und Vermarkter – die Interessen und Akteure überschneiden sich da vielfach – tun alles dafür, damit die Testdichte möglichst gering bleibt. Das ist hinsichtlich der EPO-Nachweisbarkeit für den Konsumenten geradezu ideal. Ich kann mich noch gut an die Aussagen von Arsenal-Legende Arsene Wenger erinnern, der in den Zweitausendern seine Irritation über die Blutwerte seiner neuen Spieler zum Ausdruck brachte, die allesamt aus dem kontrollallergischen Italien nach London gewechselt waren. Seine Forderung nach mehr Tests verhallten ergebnislos. So neu ist das Thema also nicht. Mario Basler war hingegen ein Modellathlet, der sich durch den angesprochenen Konsum auf nicht wettbewerbsverzerrendes Niveau herunternivellierte. Das war nur fair und verdient unseren Respekt.
Peter Hesse: Vor sieben Jahren bezeichnete Connecticuts demokratischer Senator Richard Blumenthal die FIFA „als mafia-ähnliches Syndikat.“ Er relativierte dann nochmal seinen Vergleich, und sagte: „die FIFA mit der Mafia zu vergleichen, ist fast eine Beleidigung für die Mafia – denn die Mafia würde ihre korrupten Geschäfte niemals in einer solch himmelschreiend unverdeckten und arroganten Weise abwickeln.“ Kürzlich meldete sich ein amerikanisches Mafia-Mitglied in ähnlicher Art und Weise zu Wort. Was muss noch passieren, dass die Steuerfahndung kommt und den Verbrecherladen FIFA endlich von innen abschließt?
Thommy Junga: Ich fürchte, Giovanni Infantino bringst du nur wegen eines defekten Rücklichts zur Strecke. Der Standort Schweiz ist schon clever gewählt und sicher auch Teil des Problems, im wirtschaftsliberalen Zürich rotiert die gut geschmierte Drehtür für alle Funktionäre ungebremst weiter. Einer Welt, in der die Währung Rolex-Sondermodelle, Aufsichtsratssitze und Sponsoren-Verträge sind, da bräuchte es dann eben schon ähnlich ausgebuffte Ermittlungsgruppen, eben genau so, wie man sie von der Bekämpfung des organisierten Verbrechens kennt. Mir hat ein Bekannter aus der Schweiz kürzlich gesagt, „es säßen am Zürichsee mehr Verbrecher in der Sonne, als in der ganzen EU im Knast“. Die schlecht gemimte Unwissenheit des Paten Sepp Blatter, der von all den Hinterzimmer-Deals nichts mitbekommen haben will, ist ein Schlag in das Gesicht eines jeden halbwegs intelligenten Menschen.