
- Rebecca Schönenbach Foto: Privat
Für Rebecca Schönenbach sind Frauenrechte universell und ein Gradmesser für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Gleichberechtigung ist für sie auch eine wesentliche Voraussetzung für ökonomischen Erfolg.
Rebecca Schönenbach fordert eine wirkliche feministische Zeitenwende und deckt die Irrungen und Wirrungen der “feministische Außenpolitik“ à la Anna-Lena Baerbock auf. https://www.mena-watch.com/zeit-fuer-wirklich-feministische-zeitenwende/ . Im Interview erzählt sie mir, wie es um die Rechte der Frauen weltweit steht, welche Strategien hinter einer systematischen Gewalt gegen Frauen stehen können und auf welche feministischen Nebelkerzen wir immer wieder hereinfallen.
Ruhrbarone: Du bist die Vorsitzende des Vereins Frauen für Freiheit e.V.. Wofür steht der Verein? Wer gehört alles dazu? Welche Ziele und Projekte gibt es bei Frauen für Freiheit?
Rebecca Schönenbach: Frauen für Freiheit ist 2016 als kleine Initiative gestartet und nun ein eingetragener Verein. Wir engagieren uns ehrenamtlich gegen politisch motivierte Gewalt gegen Frauen, also gegen jede Bestrebung, Gleichberechtigung abzuschaffen, die Rechte von Frauen einzuschränken oder Frauen sogar physisch zu vernichten. Dazu gehört, über den innen- wie außenpolitischen Einfluss von Geschlechterapartheidsystemen wie dem islamistischen Regime im Iran aufzuklären, über die Methoden sogenannter Incels, über Frauenfeindlichkeit als Radikalisierungsfaktor auch im Hinblick auf das Massaker der Hamas und viele weitere Aspekte. Frauenrechte sind ein Gradmesser für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Gefahr für die Menschenrechte von Frauen bedeutet immer auch eine Gefahr für die Freiheit und Sicherheit aller.
Ich würde gern die Frauenrechte einiger autoritär regierter Länder kurz umreißen. Beginnen wir mit Russland: Wie funktioniert Putins Krieg gegen die Frauen in der Ukraine und in Russland selbst? Welchen Zweck erfüllt die systematische Gewalt gegen Frauen und wie weit ist die hybride Kriegsführung in Punkto Frauenfeindlichkeit schon gekommen?
Schönenbach: Putin kündigte seinen erneuten Überfall auf die Ukraine 2022 gegenüber dem französischen Präsidenten Macron mit einem Zitat aus der russischen Folklore an: »Ob du es willst oder nicht, Du wirst es hinnehmen müssen, meine Schöne.« Kein Zufall. Wer Sofi Oksanens Buch «Putins Krieg gegen die Frauen» gelesen und die russische Propaganda der letzten Jahre verfolgt hat, weiß, mit welch perfider Perfektion die Strategie sexualisierter Gewalt gegen Gegner in der eignen Bevölkerung und in unterworfenen Regionen über die Sowjetzeit hinweg und nun unter Putin als Herrschaftsinstrument (weiter)entwickelt wurde. Oksanens Analyse demonstriert, wie systematisch von Russland besetzte Völker bis zur heutigen Zeit in den russischen Medien auch über sexuelle Konnotationen dehumanisiert, wie Frauenverachtung zu einem Bestandteil von Putins Kriegsstrategie wurde und schließlich russische Soldaten Massenvergewaltigungen in der Ukraine begingen. Sexuelle Gewalt wird von russischen Söldnern auch in afrikanischen Ländern systematisch eingesetzt, wie zum Beispiel die Recherchen 2024 zu den Vergewaltigungszentren in der Zentralafrikanischen Republik gezeigt haben.
Nach innen wurden Frauenrechte in Russland systematisch abgeschafft, Gewalt gegen Frauen 2017 von einer Straftrat zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft und gleichzeitig feministische Aktivistinnen wie Pussy Riot verfolgt. Heute werden Frauen schon für harmlose Zeichnungen mit Straflager belangt. Bekannte Aktivistinnen wie Yulia Tsvetkova werden mit Prozessen überzogen. Tsvetkova betrieb die feministische Website «Vagina Monologe», weshalb sie seit 2019 unter Hausarrest steht und mit immer neuen Scheinverfahren eingeschüchtert werden soll. Ihr droht weiterhin Gefängnis.
Nach Innen wie Außen wird zudem die Sicherheit von Frauen für Propaganda genutzt. Der überproportionale Anteil von Sexualstraftätern ausländischer Herkunft (gemessen an dem Anteil der Bevölkerungsmehrheit) in Deutschland wird instrumentalisiert, um gegenüber der eigenen Bevölkerung das Bild zu schaffen, dass Frauen in Europa nicht sicher seien, während sie in Russland geschützt würden. Lächerlich, weil Gewalt gegen Frauen in Russland allgegenwärtig ist. Nach Außen, in der hybriden Kriegsführung gegen Demokratien, wird die tatsächliche Gefahr übertrieben, um das Vertrauen in den Rechtsstaat zu erschüttern und Ressentiments zu schüren, um politisch Einfluss zu nehmen, und letztendlich um Selbstjustiz zu provozieren. Was leider auch deshalb funktioniert, weil demokratische Kräfte in Europa das Thema tabuisieren.
Thema Tschetschenien: Welche Rolle spielt islamistische Gewalt gegen Frauen in Russland?
Schönenbach: Die russische Polizei lässt Tschetscheninnen, die vor sogenannter Ehrgewalt nach Russland fliehen, suchen und verhaften, um sie zurück nach Tschetschenien zu überstellen. Das bedeutet für die Frauen oft den Tod. Es ist ein weiterer irrer Aspekt im tobenden Informationskrieg von Diktaturen gegen Demokratien, dass Putin es geschafft hat, sich bei Rechtspopulisten als Bollwerk gegen Islamismus zu verkaufen. Das Gegenteil ist der Fall. Er unterstützt den islamistischen Diktator Kadyrov in Tschetschenien und lässt sogar Frauen jagen, die selbstbestimmt leben wollen. Das geht so weit, dass Kadyrovs Schergen sogar auf russischem Territorium die Familienangehörigen von Kadyrovs Kritikern als Geiseln nehmen dürfen, ein prominenter Fall ist der von Zarema Musaeva, die aus Nižnyj Novgorod verschleppt wurde.
Die Frauenrechtlerinnen Alice Schwarzer verbreitet gemeinsam mit Frau Wagenknecht Putins Narrative. Wie konnte es den Russen gelingen, Frauen wie Alice Schwarzer auf ihre Seite zu bekommen?
Schönenbach: Was genau Frau Schwarzer bewogen hat, sich die frauenfeindliche Propaganda zu eigen zu machen, kann ich nicht sagen, aber es ist ein Phänomen, das nicht erst 2022 angefangen hat. Schwarzer hat der Leiterin des heute in der EU verbotenen Propagandaunternehmens Russia Today, Margarita Simonyan, bereits 2018 Platz für Täter-Opfer-Umkehr in ihrem Magazin EMMA eingeräumt. Die Lobbyarbeit Russlands besteht meist aus einer Mischung aus Egostreicheleien in Form von „Berühmtmachen“ der Zielperson über bestimmte Kanäle, Kontakte zu einflussreichen Personen, Einladungen zu Konferenzen und Reisen und Förderung von Stiftungen oder Vereinen, also auch ganz trivial Geld. Da es in Deutschland keine Pflicht zur Offenlegung von Finanzierung für Vereine und Stiftungen gibt, ist es schwierig, diese Art der Einflussnahme nachzuweisen.
Hinzu kommt die Verwurzelung einiger Feministinnen der Zweiten Frauenbewegung, der Schwarzer angehört, in der linken anti-amerikanischen Tradition, die erst mal alles verteidigt, was potentiell gegen die USA geht, blind gegen die Verbrechen der Massenvergewaltigung, die dann mit einem „ja, aber“ hinweggewischt und damit legitimiert werden. Diese Haltung gipfelt dann in EMMA-Forderungen, keine Waffen zur Verteidigung an die Ukraine und Israel zu liefern. In letzter Konsequenz eine direkte Aufforderung, in Demokratien lebende Frauen schutzlos terroristischen Soldaten auszuliefern.
Glücklicherweise gibt es aber auch Feministinnen dieser Generation wie die Grünen-Mitgründerin Eva Quistorp oder die Pionierin der Lesbenbewegung, Halina Bendkowski, die auf universalen Menschenrechte für alle Frauen beharren und daher klar jede Form von sexueller Gewalt gegen Frauen verurteilen und Angreifer und Opfer auseinanderhalten können.
In China gibt es vor allem Gewalt gegen die Frauen von Minderheiten wie Uigurinnen und Tibeterinnen. Laut Propaganda der kommunistischen Partei sind Frauen in China gleichberechtigt. Welche Rechte haben sie wirklich? Wie werden kritische Stimmen in China unterdrückt? Gibt es noch Folgen der chinesischen Ein-Kind-Politik für die Frauen?
Schönenbach: Die Ein-Kind-Politik hat dazu beigetragen, dass Menschenhandel mit Frauen zugenommen hat, Frauen werden entführt oder aus dem Ausland „gekauft“, darauf hat das chinesische Regime allerdings teilweise reagiert. Ein Problem für alle Frauen bleibt die weit verbreitete Gewalt, selbst internationale Prominente wie die Tennisspielerin Peng Shuai sind gegen Gewalt durch Funktionäre machtlos. Nachdem Shuai sexuelle Übergriffe auf sie öffentlich gemacht hatte, verschwand sie. Bis heute ist nicht klar, ob sie sich wieder frei bewegen kann oder ob sie weiter in Gefangenschaft ist.
Uigurinnen sind in den Lagern Gruppenvergewaltigungen, Zwangssterilisierung und anderer massiver Gewalt ausgesetzt. Das Regime setzt sexuelle Gewalt systematisch in genozidaler Absicht gegen Minderheiten ein.
Frauen in China haben Fortschritte erreicht, gleichberechtigt sind sie aber bei weitem nicht. Das Internet ist in China streng reguliert, aber dennoch tauchen in chinesischen Foren immer wieder Berichte von Frauen über Diskriminierung bis hin zu körperlicher Gewalt auf, die dann zensiert werden. 2021 wurden so viele feministische Kanäle auf dem sozialen Netzwerk Douban wegen „radikalen politischen Ansichten“ von dem Regime aufgelöst, dass sogar die internationale Presse berichtete. Frauenrechte sind für das Regime also weiterhin „radikal“ statt selbstverständlich.
Ein beliebtes Urlaubsland für Deutsche ist die Türkei. Wie ist es um die Gleichberechtigung der türkischen Frauen bestellt? Wieviel Erfolg haben Frauenrechtlerinnen dort? Viele Kurden in der Türkei haben Erdogan gewählt. Was bedeutet das für kurdische Frauen in der Türkei?
Schönenbach: Erdogans Regierung hat 2021 den Austritt aus der Istanbul-Konvention bekannt gegeben, die den gesetzlichen Schutz von Frauen vor Gewalt für alle Unterzeichner verpflichtend macht. Unter Erdogans Herrschaft wird die Türkei seit mittlerweile 20 Jahren islamisiert, Frauenrechte vor allem in den letzten Jahren stark beschnitten, immer wieder Gesetzesvorschläge eingebracht, die selbst Heiraten mit Kindern legalisieren wollen. Die Frauenorganisationen in der Türkei sind stark und gut organisiert, sie halten mit Demonstrationen und Aufklärung auf sozialen Medien dagegen. Was ihnen fehlt, ist internationale Unterstützung. Direkt nach der Aufkündigung der Istanbul-Konvention ist die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in die Türkei gereist. Sie hätte diesen Termin, bei dem sie zudem öffentlich gedemütigt wurde, Stichwort Sofagate, absagen müssen, um den Standpunkt der EU zu Frauenrechten ganz klar zu machen.
Erdogan hat es geschafft, den Fokus von Türken versus Kurden auf „wir sind alle Muslime“ zu verschieben, so dass Kurdinnen neben der weiter existierenden Verfolgung als Kurdinnen, die nicht aufgehört hat, auch noch durch zunehmende islamistische Forderungen in Bedrängnis kommen.
Meine Wahrnehmung zu den Frauen in Afghanistan ist, dass sie seitdem das Taliban-Regime wieder die Macht übernommen hat, schlimmer leben müssen als Tiere. Kannst du das bestätigen? Gibt es Widerstand von Frauen dort im Land? Wie funktioniert so etwas unter dieser extremen Entrechtung?
Schönenbach: Frauen in Afghanistan sind vollständig entrechtet, durch die verpflichtende Burka aus der Öffentlichkeit ausgelöscht, mit Verboten belegt (keine Arbeit, kein Aufenthalt außerhalb des Hauses ohne männliche Begleitung, keine Bildung …), die Steinigung ist offiziell wieder eingeführt, zuletzt sollen Frauen ihre Stimme außerhalb der eigenen vier Wände nicht mehr erheben und Frauen sollen selbst im Haus nicht mehr durch Fenster zu sehen sein, Wohnungseigentümer sollen Sichtschutz errichten. Die Taliban haben eine absolute Geschlechterapartheid errichtet.
Die Durchsetzung dieser Regeln ist jedoch unterschiedlich, es gibt Gebiete, in denen die herrschenden Clans Frauen mehr Freiheit erlauben. Und es gibt weiterhin Widerstand von Frauen. Sie demonstrieren nicht nur, sondern organisieren zum Beispiel Untergrundschulen für Mädchen. Auch hier fehlt die internationale Unterstützung, seit 2011 sind keine neuen Sanktionen gegen die Taliban verhängt worden.
Was hat Trump mit der Situation in Afghanistan zu tun?
Schönenbach: Trumps Administration hat in seiner ersten Amtszeit den Abzug der Alliierten mit den Taliban verhandelt und dabei alle Warnungen afghanischer Frauen ignoriert. Umgesetzt hat den Abzug 2021 jedoch Biden und alles, was afghanischen Frauenrechtlerinnen vorausgesagt haben, ist eingetreten.
In Trumps zweiter Amtszeit haben die Taliban den damals geschlossenen Deal aufgekündigt, kurz nachdem der ukrainische Präsident Zelensky im Weißen Haus gedemütigt und zudem die Zahlungen in der Entwicklungshilfe weitgehend eingestellt wurde. Der Deal beinhaltete, dass US-Amerikaner nicht angegriffen werden dürfen. Wer Terroristen das Bestechungsgeld entzieht und ihnen gleichzeitig vermittelt, dass er keine Gefahr mehr ist, weil er nun auf der Seite von Diktaturen spielt, wird als schwach wahrgenommen, selbst von internationalen Nobodys wie den Taliban.
Über den Jemen ist kaum etwas bekannt. Wie geht es Frauen unter den Huthis?
Schönenbach: Die Huthis haben wie die Taliban eine vollständige Geschlechterapartheid errichtet. Diejenigen, die sich wehren, werden schwer bestraft. Seit 2014 sind tausende Frauen verschwunden, auch unter den Huthis werden Mord, Folter und Vergewaltigung systematisch gegen Frauen eingesetzt, die protestieren. Einer der bekanntesten Fälle ist die nun zum Tode verurteilte Frauenrechtlerin Fatima Saleh Al-Arwali. Sie soll öffentlich hingerichtet werden.
Der Sudan gilt als eines der gefährlichsten Gebiete der Welt. Wie ist die Situation der Frauen im Sudan? Welche internationalen Verstrickungen gibt es hier?
Schönenbach: Im Süd-Sudan geschieht ein Genozid, inklusive Massenvergewaltigungen. Seit Neubeginn des Kriegs vor zwei Jahren wurden schätzungsweise 150 000 Menschen ermordet und 11 Millionen vertrieben. Die dabei beteiligten Rapid Special Forces werden nicht nur vom Regime im Iran unterstützt, sondern eine ihrer Firmen wurden auch vom Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit als Sicherheitskräfte engagiert und zwar, nachdem sie zuvor die demokratischen Proteste 2019 mit Massenvergewaltigungen aufgelöst hatten. Die Taz berichtete.
Finanzieren wir Europäer im Sudan wirklich Vergewaltiger? Wieso ist es so schwer, dort zu helfen?
Schönenbach: Offensichtlich ja, die Verstrickung der Firmen in dem Milizennetz hätten die Bundesministerien recherchieren können. Warum sie darauf verzichteten und warum im Nachhinein niemand zurücktreten musste, ist mir unerklärlich. Die Sicherheitssituation ist mittlerweile so angespannt, dass die Ortskräfte abgezogen werden mussten. Hilfe in Kriegsgebieten ist grundsätzlich schwierig, aber wenigstens die direkte Unterstützung von Milizen und Terroristen sollte ausgeschlossen werden. Das ist jedoch in den meisten Gebieten, nicht nur im Sudan, sondern auch im Jemen, in Afghanistan oder Gaza, nicht möglich. Statt die Hilfe einzustellen, wird der Kollateralschaden in Kauf genommen, mit der fraglichen Annahme, wenigstens zum Teil helfen zu können. Dabei werden dann frauenfeindliche Täter unterstützt.
Somalia galt als Vorzeigeprojekt der feministischen Außenpolitik. Wie sieht es dort wirklich aus? Welche Rolle spielt die Quotenregelung für Fördergelder nach Somalia? Warum funktioniert exportierter Feminismus so nicht?
Schönenbach: Zur Hochzeit der Diskussion um „feministische Außenpolitik“ in der EU, also so 2020-22, wurde Somalia immer als Erfolgsmodell einer feministischen Außenpolitik dargestellt, weil der Frauenanteil im Parlament 2016 stark erhöht wurde. Für mich war das ein Paradebeispiel, wie Gleichstellung in bestimmten Bereichen, also eine Frauenquote, mit tatsächlicher Gleichberechtigung verwechselt werden kann. Denn obwohl der Frauenanteil in der politischen Vertretung in Somalia erhöht wurde (übrigens basierend auf einem Clansystem), werden schätzungsweise 90 Prozent somalischer Frauen genital verstümmelt, das Familienrecht beruht auf der Scharia, stellt also Frauen deutlich schlechter, und der Zugang für Bildung ist für Frauen stark eingeschränkt. Von Gleichberechtigung kann also keine Rede sein und die Situation von Frauen ist insgesamt himmelschreiend schlecht, auch ökonomisch, da die meisten Frauen zum Überleben auf Feldarbeit angewiesen sind und durch das Erbrecht und in Rechtsstreitigkeiten nach der Scharia bei Landeigentum benachteiligt.
Ich habe Bauchschmerzen bei dem Begriff „exportierter Feminismus“, denn er suggeriert, dass Menschenrechte nur westlichen Frauen zustehen. Menschenrechte stehen aber allen Frauen zu. Eine Außenpolitik, die sich daran orientiert, zwingt nicht andere Länder zu Feminismus, sondern hält schlicht an den Prinzipien für Demokratie und Rechtsstaat fest, die kein nettes Accessoire der Realpolitik sind, sondern Voraussetzung, um die eigenen Sicherheit langfristig zu schützen. Bisher gab es schlicht keine feministische Außenpolitik, die sich an diesem Grundsatz orientiert. Die Schlagwortpolitik von Außenministerin Baerbock hatte mit universalen Frauenrechten ungefähr so viel zu tun wie Somalia ein Vorzeigeprojekt ist.
Wie steht es um die Frauenrechte in Pakistan? Ist die Situation vergleichbar mit Indien oder geht sie eher in Richtung Afghanistan?
Schönenbach: In Pakistan ist die Menschenrechtssituation insgesamt kritisch, zeitweise wurden Menschen zum Beispiel eingesperrt, nur weil ihr Handy in der Nähe einer Demonstration geortet wurde. Die Situation ist instabil, was zu weiterem Druck auf Frauen führt, die zwischenzeitlich zumindest rechtlich einiges erreicht hatten. Aber bei jedem Regierungswechsel besteht die Gefahr, dass wieder islamische Hardliner an die Macht kommen, die Frauenrechte erneut einschränken. Im Alltag sind Frauen nach wie vor Gewalt ausgesetzt, Pakistan ist eines der unsichersten Länder für Frauen, sogenannte Ehrenmorde sind häufig, ebenso Übergriffe im öffentlichen Raum. Es gibt aber auch Gegenbewegungen, gerade in den sozialen Medien.
In Syrien kam es zu einem überraschenden Machtwechsel. Während in den Kurdengebieten Frauen als gleichberechtigt gelten und auch in der Armee kämpfen, sind die neuen Machthaber in Syrien Dschihadisten. Die Zukunft der Frauen in Syrien ist momentan noch ungewiss. Wie ist der Stand der Dinge? Wie leben Frauen momentan in Syrien?
Schönenbach: Zunächst mal muss jeder, der sich jemals einen Bericht über Assads Gefängnisse durchgelesen hat, froh sein, dass Assad gestürzt wurde. Die dort praktizierte sexuelle Folter gehört zu dem Grausamsten, was ich jemals lesen musste.
Im Moment sieht die Entwicklung unter den neuen islamistischen Machthabern nicht gut aus. Sowohl im Bildungswesen als auch in verschiedenen Gesetzesbereichen sollen wieder fundamental-islamische Lehrinhalte beziehungsweise Teile der Scharia eingeführt werden. Wie instabil die Lage ist, hat der Überfall Assad-treuer Truppen auf die neuen Militäreinheiten gezeigt, dem ein Massaker der mit dem regierenden HTS verbundenen Einheiten an Minderheiten folgte. Vor allem die türkischen Einheiten sind für ihre Grausamkeit berüchtigt, mehrfach wurden Fälle von sexueller Gewalt gerade an kurdischen Frauen bekannt.
Insgesamt scheint die Lage noch einigermaßen stabil, Frauen genießen noch relative Freiheit, die aber sofort verschwindet, wenn die herrschenden Islamisten ihre angekündigten Vorhaben durchsetzen.
Hat die feministische Revolution im Iran noch eine Chance? Ich hätte nach den Erfolgen der israelischen Armee und den militärischen Niederlagen der Mullahs und ihrer Proxies damit gerechnet, dass die Frauen-Leben-Freiheit-Bewegung im Iran mehr in Aktion tritt. Warum hat sich in dieser Hinsicht im Iran wenig bewegt oder ist es nur nicht so präsent in unseren Medien? Wie leben die Frauen im Iran? Gibt es noch eine breite Widerstandsbewegung gegen das Mullah-Regime?
Schönenbach: Es gibt weiterhin breiten Protest gegen die Mullah-Regierung, die Frau Leben Freiheit-Bewegung hat eine enorme Veränderung bewirkt. Frauen bedecken ihre Haare im Stadtbild nicht mehr, trotz der drakonischen Strafen bei Verletzung der Kopftuchpflicht. Frauen wie Männer missachten die vorgeschriebene Geschlechtertrennung, an dem Neujahrsfest Nouruz diesen März tanzten und sagen alle auf den Straßen, obwohl beides verboten ist.
Das Regime hat verloren, es hält sich nur noch mit militärischer Gewalt an der Macht. Die Frage im Moment ist nicht, ob das Regime fällt, sondern wann. Die junge Bevölkerung will nicht mehr in einer islamistischen Geschlechterapartheid leben und riskiert ihr Leben, um sich zu befreien. Ein Faktor dabei bleibt, dass europäische Regierungen sich weigern, ernsthafte Konsequenzen gegen das Regime zu ergreifen. Die Sanktionen bleiben weit hinter denen gegen Russland zurück, Regimevertreter dürfen einreisen, iranische Banken in Deutschland operieren. All dies hält das Regime am Leben.
Im Podcast mit Phillipp Hanslik sprachst du von „Familienstrukturen als Keimzelle gegen Diktaturen“. Kannst du ausführen, wie man sich das vorstellen muss? Und wie autoritäre Regime gezielt gegen diese Strukturen vorgehen?
Schönenbach: Dabei ging es um den Grund, warum z.B. China so stark Frauenrechte einschränkt. Meine These ist, dass die Dehumanisierung von Frauen das Vertrauen in zwischenmenschlichen Beziehungen stark erschüttert, nicht nur bei Blutsverwandten, sondern in jeder Gruppe, in der Zusammenhalt wichtig wäre, um sich gegen autoritäre Regime aufzulehnen. Wer akzeptiert, dass Frauen Menschenrechte abgesprochen werden und ihnen Gewalt angetan werden darf, akzeptiert generell Gewalt gegen Menschen leichter. Die Folge ist, dass jeder potentiell ein Gegner ist, niemand vertraut werden kann. Ideale Bedingungen, um Menschen zu beherrschen.
Wie erfolgt die Islamisierung in islamistisch geprägten Ländern und die Durchsetzung der Scharia? Welche Rolle spielen die Frauenrechte dabei?
Schönenbach: Laut der algerischen Soziologin und Frauenrechtlerin Marieme Hélie-Lucas gehen Islamisten immer nach dem gleichen dreistufigen Plan vor: Die erste Stufe seien Angriffe auf die legalen Rechte der Frauen, maskiert als Schutz für muslimische Frauen wie Forderungen von Geschlechtertrennung in Schwimmbädern oder des Kopftuchs für Lehrerinnen beziehungsweise Verhüllungsgebote. Die zweite Stufe seien gezielte Angriffe gegen Kritiker wie Journalisten, Karikaturisten oder Frauenrechtlerinnen. Die dritte Stufe bestünde aus wahllosen Angriffen gegen jedes Verhalten, das nicht dem islamistischen Ideal entspricht (wie Discos à la „Bataclan“, Cafés, Fußballspiele usw.).
Frauenrechte werden immer zuerst eingeschränkt, zu beobachten in jedem Land, in dem Islamisten an die Macht kommen, zuletzt im Zeitraffer in Afghanistan. Sie sind der direkte Gradmesser für die Islamisierung eines Landes.
Welche Rolle spielen Fake News von Islamisten in Bezug auf die Frauenrechtsbewegung?
Schönenbach: Islamisten nutzen Frauenfeindlichkeit in einer zweistufigen Hierarchie. Die „eigenen“ Frauen werden als Heilige entsexualisiert und in einem engen Käfig aus Vorschriften gefangen gehalten, der vorgeblich ihrem Schutz dient. Alle Frauen, die sich nicht islamistischen Regeln unterwerfen, also vor allem die Mehrheit der nicht fundamental religiös lebenden muslimischen Frauen, sind Freiwild, ihnen darf jede Form von Gewalt angetan werden. Islamisten nutzen diese Sicht auf Frauen, um zu radikalisieren. Sexualverbrechen an den „eigenen“ Frauen z. B. durch Assads Schergen waren ein starker Faktor, um junge Muslime für den Islamischen Staat zu begeistern und diese Frauen zu rächen. Gefakte Verbrechen der IDF, also immer wieder in Umlauf gebrachte Erzählungen von Vergewaltigungen durch israelische Soldaten von Palästinenserinnen, dienen dem gleichen Zweck. Umgekehrt wird vor allem anfälligen jungen Männern suggeriert, dass sie die absolute Macht über „fremde“ Frauen haben, wenn sie sich Islamisten anschließen, also mit Frauen wie Jesidinnen machen können, was sie wollen. Die Hamas hat mit der öffentlich zelebrierten Gewalt gegen israelische Frauen genau diese Radikalisierung weltweit erreichen wollen. Leider erfolgreich, in Frankreich gab es bereits zwei Vergewaltigungen an Jüdinnen seit dem 7. Oktober, bei denen die Tatverdächtigen als Motiv „Rache für Palästina“ angegeben haben.
Was versteht man bei Gewalt gegen Frauen unter sekundärer Traumatisierung? Welchen Zweck erfüllt diese bei systematisch eingesetzter Gewalt gegen Frauen?
Schönenbach: Sexuelle Gewalt wie die der Hamas traumatisiert nicht nur die direkten Opfer, sondern alle, die mitgemeint sind, also Frauen der gleichen Gemeinschaft. Nach dem 7. Oktober haben Jüdinnen weltweit von „Out of body“-Zuständen, Angst, die Wohnung zu verlassen und weiteren Anzeichen für Traumatisierung berichtet. Das sind typische Anzeichen einer sekundären Traumatisierung, die von den Tätern gewollt ist, um Gemeinschaften zu zerstören.
Warum weiß man so wenig über die Rechte der Frauen in Indien? Mir ist ein Fall von einer Gruppenvergewaltigung in einem Krankenhaus in Indien bekannt, nach der es Proteste gab. Sonst erfährt man nicht viel. Warum? Gibt es eine Frauenbewegung in Indien? Was können die Frauen dort erreichen? Welche regionalen Unterschiede gibt es bezüglich Frauenrechte in dem großen Land?
Schönenbach: Weil in Deutschland insgesamt sehr wenig über das Ausland berichtet wird, schon gar nicht über das nicht-westliche Ausland. Indien hat über eine Milliarde Einwohner, ein Vielvölkerstaat, der sich kurz nicht beschreiben lässt. Insgesamt hat sich die Situation von Frauen deutlich verbessert, nicht zuletzt, weil u.a. muslimische Feministinnen erreicht haben, dass religiöse Elemente aus der Gesetzgebung gestrichen wurden. Alte Stereotype wie Witwenverbrennung oder Abtreibung von weiblichen Föten sind kaum noch Thema. Aber Gewalt gegen Frauen ist weiterhin verbreitet, immer wieder kommen besonders schreckliche Fälle wie der der Krankenschwester in die Nachrichten. Die Situation ist in verschiedenen Regionen stark unterschiedlich, insgesamt ist aber akzeptierter, dass Frauen zum Beispiel allein in die Stadt ziehen, um zu arbeiten. Es gibt engagierte Frauenrechtsgruppen, die teilweise sogar riesige Demonstrationen auf die Beine bringen. Ein Problem ist, dass Kritik an Indien unter dem Premierminister Modi immer weiter tabuisiert wurde, so dass indische Journalisten, aber auch Wissenschaftler aus dem Ausland teils überlegen, was sie kritisieren, um keine Scherereien zum Beispiel bei der Einreise nach Indien zu bekommen. Das ist ein Bremsklotz, denn Fortschritte bei Frauenrechten können nur erreicht werden, wenn Missstände angeprangert werden können.
Linke Medien erwecken den Eindruck, dass Trump der Frauenfeind Nr. 1 ist. Wie ist die Situation in den USA? Müssen Frauen zurück an den Herd? Kommt das Abtreibungsverbot? Welche Rolle spielt Trump für die Frauenrechte innenpolitisch und außenpolitisch?
Schönenbach: Trump ist sicher kein Feminist, aber noch sind die USA ein Rechtsstaat. Es gibt kein generelles Abtreibungsverbot, vielmehr hat das oberste Gericht entschieden, dass es Sache der Bundesstaaten ist, Abtreibung zu regeln. Das führt dazu, dass konservativ regierte Bundesstaaten wie Idaho und Texas eine sehr rigide Abtreibungsregelung erlassen haben, die einem Verbot gleichkommt. Die Lage ist durchaus besorgniserregend, denn wenn sich Fundamentalisten wie der Vizepräsident JD Vance in den nächsten vier Jahren durchsetzen, wird diese Einschränkung von Frauenrechten zunehmen. Trump selbst sind Abtreibungen und Frauenrechte insgesamt schlicht egal. Die Frage ist, ob sich die Rechtsaußen-Bewegungen, die ihn stützen, auch in dieser Frage durchsetzen und wer dann in vier Jahren antritt.
In welchen Ländern ist in Sachen Gleichberechtigung am meisten erreicht worden und warum?
Schönenbach: Ich würde sagen, dass skandinavische Länder da weit vorne sind. Liberale Gesellschaften mit ausgeprägten Rechtsbewusstsein und guten ökonomischen Voraussetzungen.
Welches sind die sichersten Länder für Frauen? Und was gehört dazu, dass Frauen sich sicher fühlen können?
Schönenbach: Es mag sich seltsam anhören, aber Israel ist für Frauen ein sicheres Land für Reisen. Skandinavische Länder sicher auch, Irland galt lange als sehr sicher, ob dies heute noch so ist, weiß ich nicht. Für jüdische Frauen ist Irland kein sicheres Land mehr.
Wie findest Du die Maßnahme von Giorgia Meloni, Femizid als eigenen Straftatbestand einzuführen? Wäre das auch etwas für Deutschland?
Schönenbach: Ich halte grundsätzlich nichts davon, alle Morde an Frauen über einen Kamm zu scheren, denn so können die politischen, religiösen und tradierten Ursachen dieser Morde nicht auseinandergehalten werden. Sogenannte Ehrenmorde sind z. B. keine Femizide, sie sind politisch-motivierte Morde, die als Terrorismus eingestuft werden sollten und nicht nur Frauen betreffen, sondern unter anderem homosexuelle Männer.
Grundsätzlich würde ich zwischen Partnerschaftsgewalt, Gewalt von Tätern, die den Opfern unbekannt sind (öffentlicher Raum), politischer Gewalt (Incels und Islamisten) und digitaler Gewalt unterscheiden. Die jeweiligen Phänomene brauchen jeweils andere Präventionsmaßnahmen. Wer alles unter Femizide einordnet, verhindert Aufklärung und kann dann weitere Taten nicht stoppen.
Du bist, so wie ich auch, der Meinung, dass es das Problem der Ungleichbezahlung von Frauen in Deutschland nicht gibt. Kannst Du aus Deiner Perspektive als Volkswirtin kurz erläutern, warum das so ist.
Schönenbach: Es gibt sicher Fälle, in denen Frauen ungleich bezahlt werden, aber das ist kein generelles Phänomen. Der Gender Pay Gap ist ein ärgerlicher Mythos, der durch Studien längst widerlegt wurde. Frauen und Männer werden in gleichen Berufen meist gleich bezahlt, etwas Anderes können sich Unternehmen bei der angespannten Personallage auch nicht erlauben. Aber Frauen wählen nach wie vor oft schlechter bezahlte Berufe oder arbeiten Teilzeit, was auch an der weiterhin unzureichenden Kinderbetreuung liegt.
Berufswahl und Rollenbild ist eine Mentalitätsfrage, in arabischen Ländern gibt es zum Beispiel das blödsinnige Vorurteil nicht, dass Mädchen schlechter in Mathe wären. Folglich studieren mehr Frauen dort technische Berufe. Solange Frauen mir sagen, sie hätten nie wie ich Volkswirtschaft studiert, weil „zu viel Mathe“, können wir noch ewig über die gläserne Decke diskutieren. Ihre Töchter werden sie nicht durchbrechen, denn die Mütter haben ihnen die Schranke im Kopf mitgegeben.
Trotzdem wird der gender pay gap immer wieder gern als feministisches Thema diskutiert. Welche Scheinthemen gibt es außerdem und welche wichtigeren feministischen Themen gilt es in Deutschland umzusetzen?
Schönenbach: Der größte Fehler bei jeder Art von Gewalt gegen Frauen ist, über Maßnahmen wie Schutzhäuser, Kameras im öffentlichen Raum usw. zu diskutieren. Das ist alles wichtig, aber wer Gewalt verhindern will, muss über die Täter sprechen. Warum wird welcher Mann zum Täter, was sind die Ursachen, wie sind die Muster, kann das verhindert werden? Es gibt kaum Forschung zu den Tätern, dabei wäre das der offensichtliche Ansatzpunkt, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern.
Obwohl Du die Deutschen für äußerst konservativ hältst, siehst du vermeintlich fortschrittliche Tendenzen wie den Queerbeauftragten Sven Lehmann, die Queerbeauftragten der Länder und das Selbstbestimmungsgesetz als “riesiges Problem“. Kannst du ausführen, wie sich dieses äußert und welche Gefahren Du im modernen Queerfeminismus siehst.
Schönenbach: Die Transbewegung wird von wenigen militanten Aktivisten angeführt, die sich nicht für Transpersonen engagieren, sondern lautstark ein Rollenbild vermitteln, das weit hinter die konservative Sicht auf Frauen aus den 1950er und 1960er Jahre zurückfällt. Diese reaktionären Stereotype, nach denen eine Frau Perlenkette, Röcke und einen erschrockenen Gesichtsausdruck trägt, sind eine Gefahr vor allem für pubertierende Mädchen. Denn Frauen wurde schon immer vermittelt, dass sie nur echte Frauen sind, wenn sie x oder y entsprechen. Wer also propagiert, dass Frauen nicht in jeder Form ihres Körpers und in ihren sexuellen Vorlieben oder Kleidungsgeschmack Frau sind, setzt Mädchen unter Druck, sich falsch zu fühlen und den eigenen Körper abzulehnen. In meiner Schulzeit hat sich das in Magersucht ausgedrückt, heute finden sich in vielen Schulen Mädchen, die plötzlich trans sind, weil sie ihren Körper ablehnen. Die soziale Ansteckung ist wie bei Magersucht groß. Anders als von den wenigen Transaktivisten vermittelt, betrifft das Phänomen eben nicht hauptsächlich biologische Männer, sondern in der Mehrheit minderjährige Mädchen, die im schlimmsten Fall für immer verstümmelt werden. Die wenigen Fälle, die sich tatsächlich als Trans verstehen, können nach der Volljährigkeit entsprechende Schritte unternehmen und sollten unbedingt entsprechende Hilfe bekommen. Doch die meisten entscheiden sich eben dagegen. Statt Mädchen zu vermitteln, dass sie irgendwie falsch sind, sollte Männern vermittelt werden, dass sie gerne Perlenkette tragen dürfen.
Welche Problematik siehst du im akademischen Milieu zum Thema Frauenrechte?
Schönenbach: Die aktuell größte Gefahr ist die Abschaffung von Frauenrechten durch den akademischen Nachwuchs, der „aber Israel“ brüllt, wenn es um die sexuellen Verbrechen durch die Hamas an israelischen Frauen geht. Wer nach einer Vergewaltigung „aber das Opfer“ sagt, macht alle Frauen zur Zielscheibe, denn Täter finden immer einen Grund, warum das Opfer schuld ist. Aber sie hat Minirock getragen, aber sie war allein unterwegs, aber sie war betrunken. Es gibt nie eine Rechtfertigung für Gewalt gegen Frauen. Nie. Der postkoloniale Jargon vernichtet mit „aber Israel“ die Essenz der mühsam erkämpften Frauenrechte. Es ist tragisch, dass ausgerechnet die Enkelinnen der Feministinnen, die gegen die kirchliche Keuschheitsmoral Frauenrechte erkämpft haben, ihre eigenen Rechte für Kinder, Küche, Kalifat aufgeben.
Im Schlusswort zu dem Podcast mit Phillipp Hanslik sagtest du: “Wo es keine Gleichberechtigung gibt, gibt es weder Demokratie noch Rechtsstaat und das ist kein moralischer High ground, das ist die Voraussetzung für ökonomischen Erfolg und Freiheit.“ Wie ist das gemeint?
Schönenbach: Konservative behaupten gerne, Frauenrechte hätten in der Realpolitik nichts zu suchen. Dabei sind Frauenrechte als essentieller Bestandteil von Rechtsstaat und Demokratie die absolute Grundlage für unseren Erfolg. Warum investieren Oligarchen von den Golfstaaten oder aus Russland ihr Geld in Demokratien und nicht in anderen Diktaturen? Weil der Rechtsstaat Eigentumsrechte wahrt und Vertragssicherheit garantiert, die grundlegende Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg. Frauenrechte sind ein Asset, wie das Businesskauderwelsch ein Gut gerne nennt, nicht eine Belastung. Innovation gelingt nur in Freiheit, weshalb sich unfreie Systeme Wissenschaft aus dem freien Ausland kaufen müssen. Werte sollten als eine Investition in unsere Zukunft verstanden werden, jenseits von Plattitüden auf Instagramkacheln.
Welche positiven Entwicklungen siehst Du für die Frauen in der Welt?
Schönenbach: In der gesamten islamischen Welt lehnen sich Frauen gegen die herrschenden Islamisten auf. Es ist unglaublich, wie Frauen trotz drohender Folter und Gefängnis für ihre Freiheit kämpfen. Mein größter Respekt und meine volle Solidarität gelten diesen Frauen.