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Ich war bisher immer gegen Brexit. Die Motive dahinter mögen auch hintergründig und unaufrichtig gewesen sein, aber mittlerweile denke ich, dass das im Ergebnis keine schlechte Idee war und die EU ein überholtes Konstrukt ist.
Die EU zeigt sich hier einmal mehr als unflexibles Relikt des Kalten Krieges, das mit neuen Situationen und Veränderungen wenn überhaupt dann nur sehr behäbig umgehen kann.
Ausreichend Impfstoffe zu beschaffen und für eine zügige Zulassung und Verteilung in allen Mitgliedsstaaten zu sorgen, wäre eine Aufgabe gewesen, bei der die EU hätte zeigen können, wozu sie gut ist. Wenn nicht bei so etwas, wo dann?
Aber sie hat es verbockt, weil ihr kleinliches Einhalten bürokratischer Regeln und Sparfuchsmentalität wichtiger sind als Menschenleben und bürgerliche wie wirtschaftliche Freiheiten.
Was hat uns die EU je gebracht?
Ich würde 8 Wochen abwarten, bevor ich mich derartig äußern würde, und dann noch mal 4 bis 6 Monate, bevor ich Vergleiche mit anderen Ländern ziehen würde.
Die aktuelle Pressereaktion ist auch komisch. Der Impfstoff ist seit Montag zugelassen. Jetzt beschwert man sich, dass einige Länder vorgeprescht sind und einfach schon geimpft haben.
Es muss schließlich einen offiziellen EU Impfstart geben. Die EU soll sich um die Gurkenkrümmung kümmern. Für solche Aktionen ist sie zu schwerfällig.
"die EU hat zu wenig Impfstoff gekauft und sogar Angebote von Biontech und Moderna abgelehnt."
Das zieht mir wirklich die Schuhe aus. Das mediale Echo ist vergleichsweise mikrig ausgefallen. Auch die Zahlen, die ohnehin gehandelt wurden – hier ein Milliönchen, dort eins -, hätten eigentlich von Beginn an die Frage aufwerfen müssen, wem damit geholfen sein soll.
Nun importieren wir gerade unsere ersten eigenen Dosen aus Belgien, wenn ich das richtig sehe.
Der nächste Klopper ist dann Jens Spahns "Don't call us, we call you".
So spricht man mit Kindern. Davon ab scheint es mir völlig abenteuerlich bzw. nicht nachvollziehbar, wie die besonderen Berufsgruppen ausfindig gemacht werden sollen.
@ Bochumer #2
Ja, was hat uns die EU jemals gebracht….
Vielleicht Frieden in den letzten 70 Jahren? Wenn man sich die Geschichte Europas über die letzten Jahrhunderte so anschaut (über die Geschichte anderer Kontinente bin ich nicht so auf dem Laufenden), ist das schon allerhand, also wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass gute Handelsbeziehungen am Ende doch lukrativer sind als ständig Krieg zu führen.
Man kann sich lustig machen über Verordnungen zur Krümmung von Schlangengurken oder einen Partyhit landen, indem man so kurz nach 12.00 pm, wenn der allgemeine Alkoholspiegel die Bereitschaft zur Albernheit in die Höhe treibt, die Verordnung über Traktorensitze zitieren.
Da hat man garantiert alle Lacher auf seiner Seite.
Aber vermutlich hat die Verordnung über Schlangengurken oder den Traktorensitz am Ende weniger Menschen das Leben gekostet als die Erfindung von "Erbfeindschaften".
Die EU ist bürokratisch und schwerfällig, allright.
Aber so manche Diskussion über "die EU" erinnert mich doch ein bisschen an eine berühmte Szene aus "Das Leben des Brian".
Ich halte mich mit der Kritik noch etwas zurück. Langsam ist sie ja, die EU, aber vielleicht geht es flott, sobald einmal Routine eingetreten ist. Die Hoffnung habe ich ja.
In GB geht es auch langsam. Am 2.12, haben sie angefangen und am 25.12. waren 600000 Briten geimpft. Das sind weniger als 200000 pro Woche. Was ist das schon bei den 60 Millionen Einwohnern dort, wenn es für 1 million Impfungen 5 Wochen braucht? Dann sind die Briten erst in 300 Wochen, also in 6 Jahren durchgeimpft. Also da muß sich noch einiges einregeln. Etliches sogar.
Nur, was macht es dann, wenn die Eu nicht so schnell startet, aber vielleicht später dann durchzieht?
Der Impfstoff wird in Belgien produziert, weil es gar nicht so viele Werke für diese Art von Produkt gibt. Die Verteilung läuft über die Niederlande, und von da aus in alle Welt.
Abgesehen davon wäre ein nationaler Frühstart auch nicht sinnvoll, weil die EU-Staaten so eng verbunden sind, dass nur eine gemeinsame Lösung hilft.
Schließlich zu den "Anti-EU-Mythen": Sowohl die Gurkenkrümmungsverordnung als auch die Regelungen für Traktorensitze sind entstanden, weil Handel bzw. Industrie darauf gedrängt haben. Es ist nicht so, dass die Beamten in Brüssel mal schauen, was ihnen als nächstes einfällt. Nur will später keiner mehr der Urheber gewesen sein, wenn die Johnsons dieser Welt alles lächerlich machen wollen. Was daraus wird, sieht man gerade.
Den Frieden nach 1945 verdanken wir den Russen, vor denen wir uns fürchteten und den Amerikanern, die uns vor ihnen schützen.
@Mak40625: Die EU hat einfach zu wenig Impfstoff gekauft – und Angebote von Biontech und Moderna abgelehnt:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/deutschland-und-die-eu-haben-zu-wemig-a-00000000-0002-0001-0000-000174544038
“ Die Europäische Union hätte nach einem „Spiegel“-Bericht mehr von dem Corona-Impfstoff der Hersteller Biontech und Pfizer kaufen können als die bestellten bis zu 300 Millionen Dosen. Biontech habe bis zu 500 Millionen Einheiten angeboten, zitierte das Magazin am Freitag aus Verhandlungskreisen. Auch die Firma Moderna hätte der EU mehr von ihrem Impfstoff liefern können als die vereinbarten bis zu 160 Millionen Einheiten, sagte Unternehmenschef Stephane Bancel dem „Spiegel“.“
https://www.derstandard.de/story/2000122661162/medien-eu-hat-weniger-impfstoff-gekauft-als-moeglich
Es ist ein Versagen von historischem Ausmaß. Es hätte gut werden können, aber die EU hat es nicht hinbekommen.
Die Anwürfe gegen die EU rühren m.M. nach aus den sehr national geprägten Sichtweise: Was uns als langsam erscheint, ist mit bulgarischen, rumänischen oder slowakischen Augen betrachtet vielleicht eher zügig. Die in @1 beklagten "…bürokratischer Regeln und Sparfuchsmentalität…" werden spätestens dann zu lobenswerten Eigenschaften, wenn z.B. Haftungsrisiken von den Herstellern abgedeckt werden müssen und -wie ich annehme- in absehbarer Zukunft die Preise für die Impfstoffe sinken werden, da das Angebot immer größer werden wird.
Die in @ 4 angeführte Gurkenkrümmung ist eigentlich eine Erfolgsgeschichte: Schlangengurken, wie ich sie noch aus dem Garten meiner frühen Kindheit kenne, sind sowohl in der Ernte, im Transport, der Lagerung und Verarbeitung wesentlich aufwendiger in der Handhabung als die geraden Gurken. Es wurden also in den vergangenen Jahrzehnten wahrscheinlich Unmengen an Treibstoff, Kartons, Wasser und Arbeitszeit eingespart. Das ebenfalls in @4 behauptete "…Für solche Aktionen ist sie zu schwerfällig." teile ich nur teilweise: Die EU-Kommission als Behördenleitung hat bei 446 Mio. Einwohnern 32.000 Mitarbeiter. Die benötigen wir in D allein, um das Kindergeld zu verteilen. Da sehe ich die Probleme eher in der Kontrolle der Finanzen. Die in @ 6 beklagte Unart, Bürger wie Kinder zu behandeln, ist eine Haltung, die sich zu allen Zeiten bei allen Regierungen der BRD hielt, "alternativlos" ist nur ein anderes Wort für "basta".
Wie ist es möglich, dass ein nachweislich unorganisierter Gesundheitsminister mittlerweile als beliebter gilt, als die Bundeskanzlerin? Und warum ist die Entwicklung von Medikamenten nicht längst weiter fortgeschritten, zumal es in Forscherkreisen heisst, dass wohl einige die Ansteckung verhindern? Das ist doch alles unbegreiflich!
@DAVBUB: die EU bestellt jetzt hektisch Impfstoff nach. Da man ganz hinten in der Schlange steht, bekommt man jetzt die Impfstoffe auch zu einem hohen Preis – nur später als diejenigen, die früh geordert haben.
@11 DAVBUB
Wenn es in der EU darauf hinausläuft, dass alles aus der Sicht der langsamsten betrachtet wird, sind wir schnell bei der Sichtweise des Ruhrgebiets.
Hauptsache besser als DU oder GE führt einfach nur dazu, dass es in andere Bereichen der Erde bessere Lebensbedingung und im aktuellen Fall Überlebenschancen gibt.
Es gibt viele Impfungsvarianten. Die russischen und chinesischen werden aus irgendwelchen Gründen nicht genommen. OK, die Türkei hat Dosen aus China bestellt, Ungarn aus Rußland.
@12 Ruhr Reisen
Egal, um was es geht. Herr Spahn liefert nie im Zeitplan. Aktuell ist es auch einfach so, dass Frau Merkel einfach ein richtig schlechtes Kabinett hat. Dass Herr Scheuer noch Verkehrsminister ist, Frau Giffey noch Irgendwas-Ministerin , hätte es doch früher nicht gegeben.
#12:
Weil die selbsternannte Vierte Gewalt keinerlei Kritik am Verhalten der Bundesregierung übt, sondern diese aktiv verteidigt. Da gerät in Vergessenheit, daß Spahn bereits mehrfach schwere Fehler gemacht hat.
@ccarlton: Der Spiegel hat die Fehler recherchiert. Die 4. Gewalt hat also ihren Job gemacht,
@ 14: Ich stelle das nur fest. In einer Gruppe oder einem Team bestimmen i.d.R. die langsamsten das Tempo. Wie ich das bewerte, ist eine ganz andere Sache: Ich glaube auch, daß D mit einer EU, wie es sie bis zu den Maastrichter Verträgen gab, besser gefahren wäre. Auch halte ich die Aufgabe der Grenzhoheit für einen fatalen Fehler, auch wenn wir vordergründig die Profiteure der offenen Grenzen sein sollen.
Ebenso, daß die Briten mit einem wirklichen Brexit nach einer längeren Zeit der wirtschaftlichen Depression besser dastünden als jetzt. Aber das ist Glauben, nicht Wissen.
@ Autor: Warten wir doch einmal einige Monate ab, um dem Impfstoffmarkt eine Möglichkeit zur Entwicklung zu geben.
zu "@ccarlton: Der Spiegel hat die Fehler recherchiert. Die 4. Gewalt hat also ihren Job gemacht," Wenn es im Spiegel steht, sollte man es noch einmal prüfen …
Im Ernst: Ein Mitglied der vierten Gewalt hat also tatsächlich einmal seine Arbeit gemacht.
In den ÖR wird alldieweil das Regierungshandeln weiterhin nahezu unkritisch begleitet, in den anderen "Qualitätsmedien" ist mir bislang eine kritische Berichterstattung nur in Ansätzen begegnet. Überall wird die Regierungslinie nachgebetet, man will sich ja nicht der Coronaleugnung verdächtig machen. Bei der Diskussion um das neue Infektionsschutzgesetz wurde sich am Nazivergleich abgearbeitet; Kritik am Gesetz wurde demgemäß als übertrieben, rechtsextrem, staatsfeindlich und verschwörungstheoretisch abgetan.
Das ist ein Artikel eines Magazins zu einem von vielen Fehlern und dann noch hinter einer Paywall.
Ob Tagesschau, Heute Journal usw die Geschichte übernehmen und vielleicht sogar als Ausgangspunkt für weitere kritische Beiträge nutzen? Dann hätte die selbst ernannte Vierte Gewalt ihre Aufgabe erfüllt.
Genauso sehe ich das auch. Ein Blatt kritisiert Spahn, ein anderes, vielleicht noch ein zweites (Tagesspiegel) thematisiert seine windigen Immobiliengeschäfte. Das Medikamenten-Thema ist auch kein Ernst zu nehmendes – außerhalb vom NDR und Wissenschaftsmagazinen.
Der Zustand, dass Minister/innen hier wie in jeder anderen Bananenrepublik schalten und walten können, ohne Konsquenzen zu befürchten, ist einfach unerträglich. Bleibt die Frage, ob ihre Arbeitgeber/innen, das Volk, überhaupt keine Handhabe gegen solche Machenschaften hat.