In eine Normalität, in der Precht als Vorzeigeintellektueller gilt, sollten wir nicht zurückkehren 

Richard David Precht Foto: Ji-Elle Lizenz: CC BY-SA 4.0


Zum Elend in diesem Land gehört, dass ein Richard David Precht es geschafft hat, als „Weltendeuter“ ernst genommen zu werden, als den ihn Markus Lanz gestern in seiner Talkshow vorstellte.

Im März sah Precht Corona als „etwas vergleichsweise Harmloses“, nun erkennt er immer stärker die Chance in der Seuche. Es sei eine „Besinnlichkeit eingezogen, mit der man nicht umzugehen weiß“ lässt er Lanz mit sanfter Stimme wissen. Viele würden zurzeit eine „ästhetische Faszination für den flugzeuglosen Himmel und den 60er Jahre Verkehr auf den Straßen verspüren und merken, „es sei doch nicht so schlimm, wenn es anders wäre.“
Dass in jenen güldenen Jahren trotz niedrigeren Wohlstands, geringerer Wirtschaftsleistung und weniger Autos die Luftbelastung deutlich höher war als heute, scheint der Denkersimulation aus Solingen nicht klar zu sein. Auch die simple Tatsache, dass es die in den vergangenen 50 Jahren erzielten technischen Innovationen sind, die uns nun in der Corona-Krise Behandlungsmöglichkeiten eröffnen, an die damals nicht zu denken war, ficht ihn nicht an. Ohne Gentechnik hätten wir keine Hoffnung, schnell einen Impfstoff zu finden. Dass es das Wirtschaftswachstum war und ist, das all dies finanziert, ist zu dem Langhaarphilosophen nicht durchgedrungen.

Man mag leichtfertig vom einfachen Leben früherer Dekaden schwärmen, wenn man die simple Tatsache nicht erkennt, dass die Menschen in armen und technologisch rückständigen Regionen unseres Planeten von den Auswirkungen der  Pandemie deutlich schlimmer betroffen sein werden als wir in den reichen und entwickelten Ländern. Wachstum und Reichtum machen gesund, nicht krank, wie ein Blick in die Statistik zeigt:

living-conditions

Die Wirtschaft solle nach der Krise nachhaltiger aufgebaut werden – womit er eines der beliebtesten Buzzwörter unserer Zeit verwendet, über dessen Bedeutung sich kaum einer, und leider sind es viele, die es um Mund führen, je Gedanken gemacht hat. Nachhaltigkeit kann Entwicklung behindern – viele Beispiele zeigen, dass es sich wirtschaftlich, zivilisatorisch und human lohnt, erst einmal voran zu gehen und sich später um die Eindämmung der Folgen zu kümmern. Nachhaltig wäre es gewesen, nie das Feuer zu nutzen. Klug nicht. Dass ein großer Teil der Menschheit heute besser lebt, als es jemals in der Geschichte der Menschheit der Fall war, ist Technik und Wachstum zu verdanken.

„Ich möchte nicht in die Normalität der Situation vor der Krise zurück“ sagte Precht. Ich auch nicht. In eine Normalität, in der Precht als Vorzeigeintellektueller gilt, sollten wir nicht zurückkehren.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
49 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Nina
Nina
4 Jahre zuvor

Schön geschrieben, Stefan. Was mich oft zynisch zurücklässt ist die Tatsache, dass solche Leute auch noch Geld dafür kriegen, so einen Unsinn zu quatschen. Lanz, die Marionette mit USB-Anschluss, und dieser Verschwurbler. Wobei…schönes Haar hat er. 😀

DEWFan
DEWFan
4 Jahre zuvor

Nostalgie ist halt immer auch Rosinenpickerei 😉

Wenn ich an die 80er Jahre denke, fallen mir auch immer zuerst die tollen Dinge ein: erste Liebe, zweite Liebe, tolle Parties, coole Musik, usw.

Die Realität war aber auch: deutlich höhere Arbeitslosigkeit trotz Hoesch, wesentlich schlechtere Luft, eklatanter Leerstellenmangel, nur drei Fernsehprogramme, kein Internet, ja noch nicht einmal einen Farbmonitor am Computer 😀

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

Ohne den im Artikel gepriesenen technischen Fortschritt gäbe es Volksphilosophen und Weltendeuter wie Precht, Scobel, Sloterdijk allerdings auch nicht. Auch der ganz offensichtlich wachsende Erklärungs- und Deutungsbedarf läuft mit dem vermeintlichen Fortschritt parallel, z. B. in Form ungezügelter, profitgesteuerter Globalisierung, die uns solche lebensnotwendigen Annehmlichkeiten beherrscht wie Erdbeeren zu Weihnachten, billige Elektronik, Entsorgungsmöglichkeiten in allen Weltgegenden und Weltmeeren, weltumspannende Märkte für viele Produkte, die eigentlich kein Mensch braucht, grenzenlosen Tourismus per Billigflug oder Kreuzfahrtschiff. Ich gestehe: Auch ich halte es für notwendig, nicht in in eine solche "Normalität vor der Krise" zurückzukehren. Und selbstverständlich wäre die Wirtschaft umzubauen, hin zu nachhaltigeren Wirtschaftsweisen, stärkerer Beachtung ökologischer Belastungen, mehr demokratischer Teilhabe an wichtigen Investitions- und Produktionsentscheidungen, bessere Information der Konsumenten über Produktionsprozesse, Vermögensumverteilung zu Lasten der Reichsten. Und wieso soll es per se eigentlich nicht nachhaltig gewesen sein, das Feuer zu nutzen? Es käme doch wohl auch beim Feuer stets darauf an, wer es wozu nutzt und nutzen kann.

Frank Meier
Frank Meier
4 Jahre zuvor

Man kann Precht – zu Recht – schlimm finden. Die Frage ist, ob man jemand besser finden muss, der unbegrenztes Wachstum zur Weltreligion erklärt.

Stefan, kommt da noch was? Oder legst Du immer die gleiche Platte zu den unterschiedlichsten Anlässen auf?

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

Noch eine Ergänzung zu der Frage, was "nachhaltig" eigentlich sei. Ich weiß ja, es ist für manchen sehr, sehr schwer zu verstehen. Trotzdem hier noch mal eine kurze Definition nach Wikipedia:

"Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme gewährleistet werden soll.
Dass das Prinzip seinen Ursprung in der Forstwirtschaft hat, dürfte bekannt sein. Dass es einer kapitalistischen Profitwirtschaft zuwider läuft, ist empirisch belegt.

Simeon Müller-Götte
Simeon Müller-Götte
4 Jahre zuvor

Ok, dass man gezwungen ist auf Ruhrbarone dermaßen schlechte Artikel zu lesen ist schon sehr traurig! Die Kritik an Precht ist nicht falsch, aber sehr seicht. Was aber der Autor dem entgegen zu setzen hat unterbietet Precht um Klassen! Es liegen doch unmittelbar mind 10 Gründe auf der Hand den wirtschaftlichen Fortschritt mal zumindest nicht bedingungslos anzufeiern. Aber wenn man zu wachsende Wirtschaft lediglich die Kosten von Innovationen zu nennen weiß, ist man halt unheilbar im bürgerlichen Denken gefangen, wo keine Perspektive für nix mehr vorhanden ist.

Frank Meier
Frank Meier
4 Jahre zuvor

@ Stefan Laurin

die "unbegrenztes Wachstum ist die Lösung"-Scheibe legst Du ja nicht für Precht auf –

ich denke mittlerweile, du hast gar keine andere. Falls ich mich täuschen sollte, spiel doch einfach mal was anderes …

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
4 Jahre zuvor

Nachhaltigkeit ist das, was man daraus macht und taugt m.E. nicht per se als Feindbild.

Natürlich gibt es Vorstellungen zur Umsetzung, die von ergreifender intellektueller Schlichtheit sind. Dies sollte nicht nur die beschäftigen, für die Nachhaltigkeit inzwischen zum Reizwort geworden ist.
In seiner einfältigsten Form artikuliert sich Nachhaltigkeit als postmaterialistische post Wachstumsökonomie. Dabei wird erstens verkannt, daß es für Dienstleistungen keine materiellen Obergrenzen gibt und zweitens sowohl Besitzstandswahrung als auch der Erhalt von (relativen) Distinktionsgewinnen weder postmaterialistisch noch ressourcenschonend ist. Saturierte Besitzstandswahrer sind keine Vertreter von Nachhaltigkeit.

Funktionierend wurde nachhaltig bislang nur gewirtschaftet, wenn soziale Belange berücksichtigt wurden. Und soziale Belange wurden bislang nur dann akzeptabel umgesetzt, wenn diese mit den Betreffenden ausgehandelt wurden. Postkolonialer Übermut hat bislang solche Ansinnen noch in jedem benachteiligten Land oder Landstrich und sozialchauvinistische Bevormundung jede Partei an der angedachten Klientel als Wähler scheitern lassen.

Das wissen eigentlich auch die Besitzstandswahrer. Die Psychologie behauptet in solchen Fällen, das angeblich vertretene Ziel sei dann gar nicht das wahrhaftig angestrebte, und fragt nach der eigentlichen Motivation.

Michael Kratel
Michael Kratel
4 Jahre zuvor

@Laurin: Der im Text verlinkte Artikel klärt an einem Beispiel darüber auf, dass Du gar nicht weiß, was Nachhaltigkeit bedeutet.

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

Über das Emscher-Beispiel ließe sich allerhand sagen. Es zeigt jedenfalls, dass Natur- und Umweltzerstörung auf Kosten eines nicht notwendigen und durchhaltbaren Wachstums ihren Preis haben.
Daran zeigt sich übrigens auch sehr schön die Absurdität eines Wohlstandsbegriffs, bei dem Zerstörung durch Wachstum sich genauso zum "Erfolg" – gemessen im Bruttosozialprodukt – addiert wie die spätere Reparatur der Schäden. Wenig schön finde ich übrigens auch, dass sich die Zerstörung über Jahrzehnte hinweg zum größten Teil in privatem Profit akkumuliert, während die Verluste/Kosten der Reparatur aber zum größten Teil sozialisiert werden. Dafür ließen sich unzählige Beispiele – von A wie AKW bis Z wie Zugverkehr – benennen.
Last but not least könnte man mit dem gleichen Argumentationsmuster die elenden sozialen Verhältnisse seinerzeit als notwendiges Übel einer durchzumachenden "Übergangszeit" rechtfertigen – weil vermeintlich erst dadurch das Kapital angehäuft werden konnte, das in großen und schlussendlich breiten Wohlstand generierenden Investitionen für Maschinen und Anlagen benötigt wird …

...
...
4 Jahre zuvor

Ersten Absatz gelesen. Schon gemerkt, dass da jemand nicht genau zugehört hat. Vielleicht mal unideologisch an die Sache herangehen und nicht Aussagen aus dem Kontext reißen und fehldeuten.

Psychologe
Psychologe
4 Jahre zuvor

"unbegrenztes Wachstum ist die Lösung"

Das "unbegrenzt" ist ein rhetorischer Trick, ein Strohmann. Das Wachstum hat kein Ziel, es strebt nicht nach Unbegrenztheit (gemeint ist wohl: Maßlosigkeit, Völlerei). Es strebt nach dem, wonach die Menschen streben. Damit wäre gleichzeitig ein zweiter Trick benannt: So zu tun, als seien böses kapitalistisches Wachstum und gutes menschliches Verhalten voneinander zu trennen.

Aber zurück zu Precht: Die "Besinnlichkeit", von der er spricht ist die gleiche Version von "dann sollen sie eben Kuchen essen" wie die, die gerade von Böhmermann kommt (https://www.salonkolumnisten.com/eine-verfickte-katastrophe/).

Precht ist genau so ein öffentlich-rechtlicher Wohlfühlapologet des Kulturpessimismus, wie es auch der lasche Professor Lesch ist. Sie bedienen die eitle Romantik des überversorgten Bildungsbürgertums in seinem geistigen Wohlstandsnotstand.
Mit tumber Antimoderne haben sie es sich feist eingerichtet. Sicher versorgt durch Verbeamtung und öffentlich-rechtlicher Quasi-Verbeamtung philosophieren sie über Verzicht und das einfache Leben, während sie es sich selber gut gehen lassen und Kurzarbeitergeld für ein heilsames Mittel der Entschleunigung halten.

Frank Meier
Frank Meier
4 Jahre zuvor

@ Psychologe

frag doch einfach Stefan Laurin, ob er die Absicht hat, das von ihm angestrebte wirtschaftliche Wachstum zu begrenzen, einzuschränken. Das wäre tatsächlich eine Neuigkeit.

Ich finde deinen Kommentar einfach nur schwach, von "rhetorischen Tricks" möchte ich da nicht reden, das wäre zu viel Anerkennung für einen selbsternannten "Psychologen".

Bebbi
Bebbi
4 Jahre zuvor

Es gibt mindestens noch die "Im Ruhrgebiet ist (politisch) alles scheiße"-Platte im Sound des verbitterten Sozialdemokraten mit grüner Jugend …

Bebbi
Bebbi
4 Jahre zuvor

@#17: Das Wuchstum per se gut (oder schlecht) ist, halte ich für eine gewagte These. Auch wenn wirtschaftlicher Wachstum gemeint ist, halte ich das für gewagt, dass das pauschal gut ist. Da verkommt wirtschaft zum Selbstzweck bei dem es egal ist, ob es überhaupt Nutzer gibt für die Produkte. Die Dinge, die ich sinnvoll nutzen kann, ist beschränkt. Ich kann das nur noch steigern, indem die durchschnittliche Lebensdauer sinkt. Aber welchen Nutzen hätte das, außer dass man mehr produzieren kann, bis es irgendwann keine Rohstoffe mehr dafür gibt.

ingrid werner
ingrid werner
4 Jahre zuvor

@bebbi. Der Autor hat es nicht mit Schwurbelei, er hält es eher mit der Verkündung einfacher Wahrheiten. Wachstum ist gut, basta. Das das Wachstum/ der Gewinn des einen da und dort die Ausbeutung des Anderen und die Zerstörung von dessen Naturressourcen bedeutet – und nein, nach einiger Plackerei auch nicht automatisch den Aufstieg des eigenen Landes zu Wohlstand bedeutet, hat er noch nie gesehen und hält es für das Geschwätz von Kommis u links- grünen Wohlstandsphilosophen. Nein, alles Wachstum, wenn auch mit einem kleinen wenig Ausbeutung und Zerstörung – vorübergehend, versteht sich- führt am Ende unabwendbar ins Paradies: Fressen und Glotzen für alle. Und dass die Ressourcen der Welt endlich sind, und nicht ausreichen für alle 6 Milliarden Menschen den selben Lebensstandart wie in Westeuropa zu generieren, ach was. Wie die Dinge sich entwickeln, Aufstieg Chinas und anderer ostasiatischer Länder, und mit chinesischer Unterstützung vllcht sogar einiger afrikan. Länder, wird am Ende vllcht sogar Westeuropa einiges vom Kuchen abgeben müssen. Wollen hoffen, dass am Ende uns nicht nur ein paar Krümel übrigbleiben und es vorher um diese Ressourcen kein hässliches Hauen und Stechen gibt. Ach, quatsch, geh mir fort damit.

Bebbi
Bebbi
4 Jahre zuvor

Naja, Stefan Laurin ist einer der wenigen bissigen Journalisten, die sich trauen, Dinge zu hinterfragen. Davon bräuchte es mehr, auch wenn man dann damit leben muss, dass nicht jede Kritik gelungen ist. Die Aufgabe des Journalisten kann es nicht sein, ein Weltdeutungsangebot oder Politisches Konzept oder … auszuarbeiten und zu kaufen. Er kann die darstellen (was bei den RB eher zu kurz kommt) und die Schwachstellen aufdecken, Und das macht er ja gerne und mit Hingabe, z. B. bei den politischen Strukturen. Ob mit einer Ruhrgebietsstadt gleich alles besser wird, glaub ich nicht.

Mit Precht habe ich mich nie näher befasst, da mir diese Welt der Talkshows mit ihren talkshowkompatiblen Experten nicht zusagt. Aber Talkshows dienen sicherlich nicht der Reflexion und Gesellschaftskritik.

Kirchheim
Kirchheim
4 Jahre zuvor

Wunderbar, der Kommentar! Diese Egge-, Pflug- und Ackergaulromantiker tun sich wirklich schwer, über den Tellerrand zu schauen. Ein Gesundheitssystem finanziert sich aus Steuern und Abgaben, die von Beschäftigten und Unternehmen bezahlt werden. Ergo kann ein gutes Gesundheitssystem nur von einer funktionierenden Wirtschaft bezahlt werden. Das scheint nicht überall anzukommen. Oder schwebt David Precht ein Gesundheitssystem wie in den USA vor? So viel Sympathie für Donald Trump hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Auch wenn Donald ebenfalls so schönes Haar hat 😉

Frank Meier
Frank Meier
4 Jahre zuvor

@ Kirchheim

soviel über den Tellerrand-Geschaue wie bei dir erlebt man selten … hast du noch mehr davon?

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

@Kirchheim

Das Gesundheitssystem beseitigt oder repariert auf Kosten Aller sehr, sehr viele Schäden, die durch Profitgier (sowohl durch fragwürdige Produkte wie auch durch fragwürdige Arbeitsbedingungen) entstanden sind. Beispiele en masse lassen sich unschwer dafür finden. Ein wirklich gesundes Leben kann in einer kapitalistischen Profitökonomie nämlich nicht das Ziel sein.

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

"Wachstum ist gut", sagte der Krebs und fraß sich immer weiter ins Zellgewebe.

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

@Kirchheim

Das Gesundheitssystem beseitigt oder repariert auf Kosten Aller sehr, sehr viele Schäden, die durch Profitgier (sowohl durch fragwürdige Produkte wie auch durch fragwürdige Arbeitsbedingungen) entstanden sind. Beispiele en masse lassen sich unschwer dafür finden. Ein wirklich gesundes Leben kann in einer kapitalistischen Profitökonomie nämlich nicht das Ziel sein, sondern maximal ein Nebeneffekt.

Christian G.
Christian G.
4 Jahre zuvor

Ich kann diese Wachstums-Beschwörer echt nicht mehr hören. Ist ihnen immer noch nicht aufgegangen, dass wirtschaftliche Stärke nicht davon kommt, den Ballon immer noch größer auszublasen, sondern dafür zu sorgen, dass er nicht platzt?

Seit 150 Jahren befinden wir uns im Anthropozän. In dem Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Seither sägt der Mensch an seinem eigenen Ast, gerade dadurch, dass er "Wachstum" zur Religion erhebt und sich einen Scheiß um die Folgen schert.

Es ist Zeit für ein Umdenken. Zeit für eine "Wellbeing Economy". Wo unsere Gesundheitssysteme eben NICHT durch den Wachstumswahn handlungsunfähig gemacht werden wie in Spanien und Italien (bei uns war es auch nahe daran). Und wo die Basis unserer Existenz, das Klima und die Umwelt, nicht noch weiter ausgebeutet werden.

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

Schön, werter Stefan Laurin, dass es auch Ihnen seit 200 Jahren – dank Wachstums – immer besser geht 🙂 . Und die nächsten 200 Jahre erst, mei! Oder verstehe ich da etwas falsch? Vor 200 Jahren sind Sie (oder jemand wie sie, falls das besser passt) bestimmt meistens zu Fuß gegangen und hatten weder Radio noch Internet. Ich bin sicher, dass Sie (oder jemand wie sie, falls das besser passt) sich damals ob dieser Umstände fast entleibt hätten – so wie die meisten Menschen damals, die bekanntlich ganz extrem darunter litten, dass sie keine Smartphones, SUV's, HD-TV's und haltbare Milch hatten … Für diese Menschen war das Leben eigentlich nicht lebenswert. Und ich bin überzeugt davon: Wäre die Lebenserwartung nicht so gering gewesen hätten die meisten sich umgebracht. Stimmen Sie mir zu? Ganz bestimmt, oder?

abraxasrgb
abraxasrgb
4 Jahre zuvor

Wenn der Naturzustand so toll gewesen wäre, hätte der Neandertaler eine Lebenserwartung von ca. 150 Jahren erreicht 😉

Ansonsten … Richard Clayderman der Fernseh-Gefühlosophie … boxt intellektuell in der Klasse des Eintagsfliegengewichts.

Frank Meier
Frank Meier
4 Jahre zuvor

@ Stefan Laurin

"und wenn du nicht gestorben bist" sagst du das auch noch in "200 Jahren" …

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

@abraxasgrb
Meinen Sie, der Neandertaler hätte sehr darunter gelitten, dass er im Durchschnitt vielleicht nur 30 Jahre Lebenserwartung hatte und weder Fahrrad fahren noch Schreiben und Lesen konnte?

@Stefan Laurin
Ach! Vor 200 Jahren? Nach wie vor gehören für den größten Teil der Weltbevölkerung Hungersnöte, Krieg, mangelhafte medizinische Versorgung, hohe Kindersterblichkeit und Analphabetismus zum Alltag. Vielleicht nicht in Europa, aber mit Sicherheit für weit mehr Menschen als vor 200 Jahren in ganz Europa lebten. Das zu erkennen, brauchen Sie nicht einmal ein Geschichtsbuch. Es würde schon ein etwas offenerer Geist reichen. Dass Sie einen Zusammenhang zwischen dem Reichtum hier und dem Elend dort erkennen, erwarte ich von ihnen nicht. Auch nicht die Erkenntnis, dass eine von Ihnen so gelobte Entwicklung wie die im Europa der letzten 200 Jahre in dieser Form niemals auf die ganze Welt skalierbar wäre – die ja im Übrigen nicht nur mit zwei Weltkriegen, Kolonianismus und vielen imperialistischen Kriegen im 19. und 20. Jhdt. einher ging, sondern gleichzeitig mit der fortwährenden Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

Werter Stefan Laurin, diese Grafik ist mir seit Längerem schon bekannt. Aber schön, dass auch Sie das schon etwas ältere bunte Bildchen gefunden haben. Auch durch solche Bilder würde ich mich allerdings nicht am selbständigen Denken hindern lassen. Bezugnehmend auf ihren obigen Kommentar ("… vor 200 Jahren gehörten Hungersnöte zu …" etc.) sollten Sie nämlich zum Beispiel doch einmal folgendes bedenken: Vor 200 Jahren gab es u. a. bekanntlich die berühmten drei Stände, und welches Leid Sie als Mensch damals zu tragen hatten (und vielleicht auch Ihre Lebenserwartung), war doch sehr davon abhängig, zu welchem dieser Stände der Herr Laurin in dieser Zeit gehört hätte, oder? Und meinen Sie im Ernst, dass das im heutigen Europa sehr viel anders ist? Ich behaupte sogar: Die absolute Zahl von Menschen, die nicht ausreichend ernährt, medizinisch schlecht versorgt, schlecht gebildet sind oder unter schlimmen Wohnverhältnissen leiden, ist im heutigen Europa nicht kleiner, sondern eher größer als vor 200 Jahren – gemessen natürlich am jeweiligen soziokulturellen Stand der Gesellschaften.
Und sobald wir unseren Blick mal über den Tellerrand Europas hinaus richten, verweise ich Sie auf meinen Kommentar dazu weiter oben.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
4 Jahre zuvor

"Meinen Sie, der Neandertaler hätte sehr darunter gelitten, dass er im Durchschnitt vielleicht nur 30 Jahre Lebenserwartung hatte und weder Fahrrad fahren noch Schreiben und Lesen konnte?"
Natürlich haben auch Neandertaler darunter gelitten, wenn Menschen verhungert, Frauen unter der Geburt gestorben oder Kinder an Kinderkrankheiten verreckt sind.

Und weil viele Menschen empathiebefähigt und einige sogar talentiert sind, wurde Talent von vielen gefördert, aber auch von einigen tumben Vertretern behindert.
In der zeitgenössischen Trivialliteratur sind das finstere Gesellen, die als fette Mönche, gestörte Blaublüter oder skrupellose Mietlinge karikiert werden. Hintergrundinformationen zu ihrem sozioökonomischen Status könnten dazu beitragen, diesen Stereotypen ein zeitgenössisches Update zu verpassen.

Jetzt mal ohne Sarkasmus: meinten sie diesen menschenverachtenden, zynischen Spruch wirklich so, oder was wollten Sie uns eigentlich sagen?

Bebbi
Bebbi
4 Jahre zuvor

zu #31

Ist das nicht erst einmal Fortschritt und weniger Wirtschaftswachstum und völlig unabhängig davon, dass "wir" immer mehr immer größere Autos bauen, um diese dann 23 1/2 Stunden am Tag nicht zu nutzen.

abraxasrgb
abraxasrgb
4 Jahre zuvor

Die Flut hebt alle Boote … Wohlstandszuwachs für Dummies erklärt 😉

@Lutz Wirtschaft ist KEIN Nullsummenspiel, sondern elementarste soziale Kooperation. In einer Subsistenzwirtschaft würden die meisten heutzutage doch verhungern. Aber Veget-Arier sein, weil man nur zu blöd zum Jagen ist, ergibt ja keinen gesinnungsethischen Distinktionsgewinn?

Frank Meier
Frank Meier
4 Jahre zuvor

@ abraxasrgb

bist du mit dem Epitheton "bombastisch" einverstanden? abraxasrgb, ein "bombastischer Schwätzer"?

Bebbi
Bebbi
4 Jahre zuvor

Oh, es geht auch in Deutschland den Leuten gar nicht mehr laufend besser, da sich Prozesse abgekoppelt haben.

https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2020/arbeiten/der-truegerische-segen-der-vollbeschaeftigung

abraxasrgb
abraxasrgb
4 Jahre zuvor

Frank Meier, den Ehrentitel „Bazon“ (griechisch für Schwätzer) nehme ich als Referenz an einen meiner besten Lehrer gerne an, selbst aus unberufenem Munde!
Solange ich nicht mit dem prechtigen(sic!) Gefühlosophen in Verbindung gebracht werde, der Typ ist einer der denkbar(!) schlechtesten und seichtesten Vertreter der Zunft, ist es mir mir gleichgültig.

PS: Frage, das mit der Flut verstanden? Um beim Thema zu bleiben und uns vom ad hominem unsympathisieren zu entfernen.

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

"Wir können nicht mehr Ressourcen verbrauchen als die Erde uns geben kann. Aber genau das tun wir. Wir tun so, als ob die Ressourcen unendlich zur Verfügung stünden. Das ist eine typische Ausprägung menschlicher Dummheit."

Und manche Zeitgenossen sind tatsächlich dümmer als eine Pflanze. Lesen:

https://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/Journal/Wenn-wir-so-weitermachen-stirbt-unsere-Spezies-aus-id57208341.html

Lutz
Lutz
4 Jahre zuvor

<strong>Eine typische Ausprägung menschlicher Dummheit</strong>

Josef König
Josef König
4 Jahre zuvor

@stefan laurin

Wachstum per se ist weder gut noch schlecht – es ist zumindest notwendig, um auch Länder daran partizipieren zu lassen, die zu den noch immer von der reichen ersten Welt ausgebeuteten gehören. Das Problem ist nicht das Wachstum, sondern a) wie Hersteller von Produkten an den Kosten der Umweltausbeutung beteilgit werden können und b) wie man die Güter und den Fortschritt verteilt. Da ist die Akkumulation von Milliarden Finanzenin wenigen Händen und die Hoffnung auf deren „Charity“ leider zu häufig eine Enttäuschung. Das gilt insbesondere für das im Weltkreislauf täglich rotierende Kapital etwa von Hedgefonds und anderen, sowie die Mikrospekulation und das Wetten auf Verluste, die ganze Wirtschaften zugrunde richten können.

Frank Meier
Frank Meier
4 Jahre zuvor

@ abraxasrgb

"als Referenz an einen deiner besten Lehrer" noch das: "Man sagt, abraxasrgb sei Autodidakt. Als man dem sehr witzigen Professor Bonhoeffer in Berlin das einmal von einem Kollegen berichtete, sagte er: »Dann hat er einen sehr schlechten Lehrer gehabt –!«"

(kann mich nicht erinnern, jemals etwas nicht verstanden zu haben, das von dir kam. Kommt alles aus der Klischee-Kiste)

abraxasrgb
abraxasrgb
4 Jahre zuvor

Frank Meier … das mit dem Beenden des ad hominem Auskübelns wieder nicht verstanden?
(Bonhoeffer, das bekenne ich, ist nicht meine Fraktion @Glaube und Theologie … passt aber ganz gut zu den apokalyptischen Visionen der wolhstandsverwahrlosten Naturromantiker.)
Den Unterschied zwischen Einbildung und Ausbildung lasse ich mir gerne illustrieren. Merci!

OK, dann gerne noch ein Nachtrag aus dem Schatzkästlein der gesammelten Aphorismen:

Ressentiment ist ein Gift, dass man selbst trinkt, in der Hoffnung der andere stürbe daran?
AnaÏs Nin 😉

Kommt irgendwann im Laufe der Beiträge auch einmal etwas Inhaltliches oder gar Argumentatives (die Hoffnung stirbt zuletzt)?

PS: Kerbe in die Tastatur schnitz: Liebes Coronoia Tagebuch, ich habe noch einen Fanboy 😉

Frank Meier
Frank Meier
4 Jahre zuvor

@ abraxasrgb

Zitat abraxasrgb: "… wieder nicht verstanden?"

ich sagte es bereits: "kann mich nicht erinnern, jemals etwas nicht verstanden zu haben, das von dir kam. Kommt alles aus der Klischee-Kiste"

Schreib doch mal etwas Eigenes, Originelles. Falls du das hinbekommst.

abraxasrgb
abraxasrgb
4 Jahre zuvor

q.e.d. quod erat demonstrandumm(sic!)

BTW Deutschland hat mehr als 14% funktionale Analphabeten … @You never walk alone 😉

Werbung