In Kassel, in der Germaniastraße, da gibt es ein Café, das heißt natürlich nicht Café Wotan und auch nicht Café Jihad, sondern Café Buch-Oase. Von unserem Gastautor Jonas Dörge.
Der Bezug zum Jihad und zum Volkstumskampf ist aber nicht sehr weit hergeholt. Einer der beiden Betreiber, ein gewisser Jörg Ulloth, ließ am 20.08.2024 in der Kasseler Lokalzeitung HNA folgendes verlauten: Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei ein „Ausbruch aus dem Freiluftgefängnis Gaza mit dem Ziel, Gefangene zu machen.“ Ziel sei es gewesen, die „gemachten Gefangenen“ gegen ohne Anklage inhaftierte Palästinenser auszutauschen.
Der Autor setzt voraus, dass es der Leserschaft der Ruhrbarone bekannt ist, was die von Zivilisten begleiteten Einsatzkommandos der Hamas und des Islamic Jihad im israelischen Grenzgebiet zum Gaza am 7. Oktober 2023 veranstalteten. Wer die Programmatik der Hamas kennt, weiß zudem, was das wichtigste Ziel dieses Vernichtungsfeldzuges der antisemitischen Mörderbanden gewesen ist. Das seit 1945 schlimmste Pogrom als „Gefängnisausbruch“ zu bezeichnen zeugt vom Charakter eines Unmenschen, der hinzugefügte Satz, es sei zu „nicht entschuldbaren Fehlern gekommen“ macht an der Aussage nichts besser und die Bemerkung über den Austausch von Gefangenen ist eine dreiste Lüge. Die Geiseln der Hamas sind keine Gefangenen, die in den Gefängnissen Israel einsitzenden Palästinenser sind keine ohne Anklage inhaftierte Personen, sondern in der überwiegenden Mehrheit handelt es sich um rechtskräftig verurteilte Gewalttäter, viele von ihnen Terroristen.
Anlass der unglaublichen Ausführungen des Ulloth ist die Kritik des Bündnis gegen Antisemitismus Kassel an der Stadt Kassel letzten Jahres, das Café Buch-Oase und dem ihm nahestehenden Verein „Palästinensische Gemeinde Kassel“ an kulturellen Events der Stadt teilnehmen zu lassen. In der Annahme, dass es nach der Erfahrung der mit öffentlichen Geldern präsentierten antisemitischen Werke auf der sogenannten Weltkunstausstellung in Kassel, nach der Abwahl des ehemaligen Oberbürgermeisters Christian Geselle, der umfassend kritischen Aufarbeitung der antisemitischen Vorkommnisse auf der documenta 15, der neu zusammengestellten Koalition im Kasseler Rathaus, zu einem gewachsenen Problembewusstsein in Sachen öffentliche Förderung von antisemitischen Events gekommen ist, veranlasste das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel, den neu gewählten Oberbürgermeister der Stadt Kassel Sven Schoeller (Grüne) in einem offenen Brief aufzufordern, „als Oberbürgermeister der Stadt Kassel, als Kulturdezernent und Aufsichtsratsvorsitzender der documenta und Museum Fridericianum gGmbH dem israelbezogenen Antisemitismus deutlich zu widersprechen und darauf hinzuwirken, dass israelfeindlichen und antizionistischen Organisationen wie dem Verein Palästinensische Gemeinde – Kassel oder dem Café Buch-Oase zukünftig keine Möglichkeit mehr geboten werden, sich auf städtischen Veranstaltungen oder auf Veranstaltungen, die von der Stadt mitveranstaltet oder unterstützt werden, zu präsentieren.“[1] Anlass zur Hoffnung boten auch kritische Anmerkungen Schoellers zur documenta 15 und seine Worte als neugewählter Oberbürgermeister, die er anlässlich des „Israel Day“ des Kasseler jüdischen Kulturzentrums, dem Sara Nussbaum Zentrum, zum Besten gab, man müsse gegen Antisemitismus zusammenstehen.
Eine Antwort vom Kasseler Oberbürgermeister gab es nicht. Keine von den in der Stadt ebenfalls angeschriebenen Parteien reagierten auf den Umstand, dass es den umtriebigsten antiisraelischen Aktivisten wiederholt möglich gemacht wurde, an bedeutenden Kulturevents der Stadt Kassel teilzunehmen.
Über das Café hat das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel einiges zusammengetragen, das hier zu wiederholen nicht der Sinn der Sache ist. Der geneigte Leser kann dies in dem laufend aktualisierten Blogbeitrag „Die Café Buch-Oase Connection“ nachlesen.
Die Recherche zu den Umtrieben des Cafés endet vorläufig im September 2023. Nach dem 7. Oktober verfiel die Bagage um das Café ob der Untaten der Pogromisten und der ihnen zujubelnden Fans in den westeuropäischen Städten freilich nicht in peinlich berührtes Schweigen, sondern die beiden Betreiber des Cafés und ihr Umfeld beteiligten sich an den danach zahlreich stattfindenden antisemitischen Zusammenrottungen der Palästina-Solidarität in der Stadt Kassel und an der Universität Kassel, auf denen regelmäßig die Schlachtrufe „From the River to the Sea – Palestine will be free!“ und „Free Palestine“ skandiert wurden. Beide Parolen stehen für „Juden raus aus Palästina“. Die erste dieser Kundgebungen, auf den die beiden Betreiber zugegen waren, versuchte die Stadt – offenbar noch unter dem Eindruck des antisemitischen Gemetzels stehend – noch zu verbieten. Die letzte größere Kundgebung auf der die beiden gesichtet wurden, bemühte die altbekannte antisemitische Konnotation Blut und Jude.[2] Als es die Universität Kassel den Berufspalästinensern und Claqueuren des palästinensischen Volkstumskampfes in einem lichten Moment untersagte, den Propagandastreifen „Gaza fights for Freedom“[3] in den Räumen der Universität zu zeigen, bot sich das Café den Filmvorführern als Vorfürort der Hamaspropaganda an.
Das alles – und auch nicht die als klares Statement zu wertende Ausstellung des notorisch antisemitischen Propagandastückchens „Guernica – Gaza“ in den Räumen des Cafés – hinderte die Stadt Kassel daran, erneut das Café Buch-Oase an der Museumsnacht zu beteiligen. Trotz Sonntagsreden des Oberbürgermeisters auf dem Israel-Day, in der Synagoge und zum 7. November[4] intervenierte der Chef der Verwaltung und des Kulturamts auch dieses Jahr nicht. Ein Sprecher der Stadt ließ lapidar verlautbaren: „Man gebe grundsätzlich keine öffentlichen Bewertungen zu einzelnen Organisationen ab.“ (HNA)
Die Stadt Kassel hatte in seiner langen Geschichte des Antisemitismus nicht immer ein Brett vor dem Kopf. Zur Gründungsgeschichte des Cafés gehört die Auseinandersetzung um eine Fotoausstellung, die Ulloth und und seine Mitstreiterin Dana El Najem im Rathaus Kassels zeigen wollten. Die Stadt unterband damals diese Anmaßung. In der seit 1886[5] bis heute fortwährenden Tradition des Kasseler Antisemitismus ein seltener Lichtblick.
[1]Antizionistischer und israelfeindlicher Propaganda keinen Raum in Kassel. Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Kassel Sven Schoeller, BgA-Kassel, 10.09.2023.
[2]Israel und Blut – Eine Vorstellung, BgA-Kassel, 9. Januar 2024.
[3]Thomas M. Eppinger, Der Marsch der Rückkehr. Ein Fazit, Mena-Watch, 22. Mai 2018.
[4]Das November-Pogrom fand in Kassel am 7. November 1938 statt.
[5]Der erste Deutsche Antisemitentag fand zu Pfingsten Anfang Juni 1886 in Kassel statt.