Die taz-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann hat in einem Artikel beschrieben, wie eine konsequente ökologische Wirtschaftspolitik ohne fossile Energie und Kernkraft aussieht. Ihr Vorbild ist die britische Kriegswirtschaft.
Wie sieht die Zukunft aus, wenn die Wirtschaft nach ökologischen Maßstäben zum Beispiel ohne den Einsatz von fossilen Brennstoffen und Kernenergie umgebaut wird? Die taz-Wirtschaftskorrespondentin und Buchautorin Ulrike Herrmann hat sich in der taz mit der Frage beschäftigt und sich die Pläne der Grünen angeschaut. Unter Klimagesichtspunkten schneiden die Grünen dabei nicht gut ab. Die Idee, CO2 zu verteuern und die Mehrkosten vor allem den Menschen mit geringen Einkommen zu erstatten sowie mit den staatlichen Einnahmen Investitionen zu fördern, erteilt Herrmann eine Absage:
„Die Einnahmen aus der CO2-Steuer verschwinden ja nicht. Das Geld wird nicht in einen tiefen Brunnen geworfen und vergammelt dort, sondern es bleibt im System. Die Bürger*innen müssten zwar tiefer ins Portemonnaie greifen, wenn sie Energie verbrauchen – aber ihr Geld landet dann beim Staat, der es wieder ausgeben und damit für neue Nachfrage und neue CO2-Emissionen sorgen würde. Es würde eine „Kreislaufwirtschaft“ entstehen, die mit einer ökologischen Postwachstumsökonomie fast nichts zu tun hat(…) zuvor einkommensschwache Menschen würden die Zusatzeinnahmen nutzen, um sich langgehegte Wünsche zu erfüllen. Sie würden auch mal in Urlaub fahren, auch ins Restaurant gehen, sich auch neue Kleider gönnen. Dieser Zusatzkonsum wäre nur verständlich und gerecht, aber kein Umweltschutzprogramm.“
Ökologische Wirtschaft bedeutet Verzicht, das macht Herrmann in ihrem Text deutlich und ist ehrlich:
„Es gibt keine Alternative zum Ökostrom, aber dieser wird immer knapp und kostbar bleiben(…)Wenn die Menschheit überleben soll, müssen die Industrieländer ihren Verbrauch schrumpfen.“
Ein Vorbild, wie eine Gesellschaft wirtschaftet, wenn sie ihren Verbrauch senkt hat Herrmann auch parat:
„Es gibt bereits ein historisches Schrumpfungsmodell, an dem man sich orientieren könnte: die britische Kriegswirtschaft zwischen 1940 und 1945. Damals standen die Briten vor einer monströsen Herausforderung. Überrascht vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mussten sie in kürzester Zeit ihre Friedenswirtschaft auf Krieg umstellen, ohne dass die Bevölkerung hungerte.“
Herrmann beschreibt, wie wir leben werden, wenn die Wirtschaft konsequent nach ökologischen Maßstäben ausgerichtet wird. Es geht um eine Grundversorgung, viel mehr wird nicht mehr drin sein. Und es braucht einen starken Staat, der diese Politik autoritär durchsetzt. Der Alltag der Postwachstumsökonomie wird so grau sein, wie es der Alltag der Briten im Krieg war.
Herrmanns Artikel ist realistisch, wenn es um die Folgen einer konsequenten grünen Wirtschaft geht. Doch die von ihr entwickelte Vision ist alles, aber nicht mehrheitsfähig.
Die Briten hielten die Beschränkungen der Kriegswirtschaft nur durch, weil ihr Ende absehbar war: Nach dem Sieg über die Achsenmächte, das war die klare Erwartung, würden sie beendet werden. Die Luftschlacht von England, der Eintritt der USA in den Krieg, El Alamein, Stalingrad, Kursk, die Landungen in Afrika, Sizilien und der Normandie – mit jedem dieser Ereignisse rückte nicht nur das siegreiche Ende des Krieges näher, sondern auch das Ende der Mangelwirtschaft. Die Briten sehnten sich nach einem guten Leben – und wählten im Sommer 1945 Winston Churchill ab. Der Sozialdemokrat Clement Attlee schlug den wohl wichtigsten Politiker der britischen Geschichte mit dem Versprechen auf Wohlstand für die meisten Menschen – unter anderem durch den Ausbau des Sozialstaates und den Aufbau einer staatlicher Gesundheitsversorgung. Was Herrmann zudem verschweigt: Es waren maßgeblich deutsche U-Boote, die zur Versorgungskrise der Briten beitrugen.
Die Mangelwirtschaft akzeptierten die Briten nur im Rahmen einer zeitlich begrenzten Notsituation, nicht als Dauerzustand.
Wachstum ist kein Luxus, er stabilisiert die Demokratie, sagte der Politologe und Autor Yascha Mounk im vergangenen Jahr im Interview mit diesem Blog:
Ruhrbarone: Sie haben drei Bereiche aufgezählt, die für eine stabile Demokratie notwendig sind: Einer ist die Überzeugung der Menschen davon, dass es ihnen gut geht, das Wissen, dass sie in sicheren sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen leben und der Glaube, ihren Kindern wird es besser gehen. Haben wir uns das selbst in Deutschland kaputt gemacht, indem hier propagiert wurde, es gäbe kein Wirtschaftswachstum mehr und Wachstum sei auch nichts Gutes?
Yascha Mounk: Wir haben uns zu wenige Gedanken gemacht, was die wirtschaftlichen Grundbedingungen sind, die es braucht, damit unsere Demokratie stabil bleibt, und sind etwas ins Utopische abgerutscht. Gerade wenn es um so etwas wie das wirtschaftliche Wachstum geht, ist es natürlich verlockend zu sagen: „Naja, vielen Menschen geht es doch gut und die Umwelt ist natürlich auch etwas, das zu schützen ist. Warum geben wir nicht auf, mehr wirtschaftliches Wachstum haben zu wollen und setzen andere Prioritäten?“ Und dabei ist uns nicht mehr die Idee gekommen, dass wirtschaftliches Wachstum unglaubliche politische Stabilität mit sich bringt. Zum einen, weil es den Menschen die Sicherheit gibt, dass das politische System für sie funktioniert, dass die Politiker für sie liefern. Zum anderen, weil eine Gesellschaft ohne wirtschaftliche Dynamik jungen Leuten weniger Chancen bietet. Es ist dann schwer, dafür zu sorgen, dass es genug Wohnraum oder Berufschancen gibt.
Yascha Mounk war auch klar, welche Klasse am meisten von der Postwachstumsökonomie und dem Verzicht zu begeistern ist:
„Die Menschen, die am ehesten sagen, „Wir brauchen eigentlich kein wirtschaftliches Wachstum mehr in unserer Gesellschaft, Konsum ist überbewertet“, das sind oft Menschen, die in schönen großen Wohnungen in den angenehmeren deutschen Städten leben, die in teuren Biomärkten einkaufen gehen, die ihren Kindern teure Auslandsreisen finanzieren, um ihren Horizont zu erweitern. Die sind natürlich darüber erhaben, mit einem fetten Auto oder einer großen Goldkette anzugeben, und deshalb ist ihnen nicht einmal mehr bewusst, wie sehr das, was dazugehört zu diesem Milieu, dem dort üblichen literarischen Geschmack, auch vom Geld abhängt. Und wenn Menschen, die davon weit entfernt sind, von dieser Heuchelei etwas spüren, dann sind sie nachvollziehbarerweise verärgert.“
Was Herrmann fordert, mag grüne Ideologie sein, die meisten Menschen werde sie ablehnen. Sie wollen nicht so leben, wie Herrmann es fordert. Und wer jetzt von einer Ökodiktatur träumt und sehnsüchtig den Blick nach China richtet, wird auch schnell enttäuscht werden.
Auch Diktaturen können nicht beliebig lange ohne einen Rückhalt in. Ihrer Bevölkerung bestehen. Das Regime in China muss seiner Bevölkerung Wachstum und eine Verbesserung der Lebensverhältnisse liefern, um an der Macht bleiben zu können. Und es tut alles, um dieses Wachstum zu sichern.
Man mag, wie Sascha Lobo unlängst im Spiegel, die Idee, dass der Klimawandel mit technischen Innovationen bewältig werden kann als „verfehlte Technikglauben“ abtun. Wenn man allerdings den Klimawandel bewältigen und die Gesellschaft stabil halten will, führt kein Weg an technischen Innovationen vorbei. Der Mensch ist nun einmal, weitgehend unabhängig von Zeit, Religion, Kultur und politischem System ein Wesen, dass gerne konsumiert, sich über Besitz definiert. Der Historiker Frank Trentmann hat das in seinem Buch „Die Herrschaft der Dinge“ beschrieben. Im Epilog desselben spricht er sich für Realismus aus und beschreibt mit dem Wissen des Historikers die Folgen wirtschaftlicher Schwäche:
„Niedriges Wachstum wiederum droht die Ungleichheit zu zementieren, und zwar sowohl im Westen als auch zwischen diesem reichen Teil und dem weniger glücklichen Rest der Welt. Zudem erschwert es den Wechsel von schmutzigem zu grünem Wachstum. Länder mit stagnierendem oder langsamem Wirtschaftswachstum ähneln stehenden Fahrzeugen: Sie sind schwerer zu bewegen oder in eine andere Richtung zu lenken als fahrende. Dieses Buch tritt also für historischen Realismus ein. Ob es uns nun gefällt oder nicht, wir müssen die beachtliche Macht und Beständigkeit, welche die Konsumkultur im vergangenen halben Jahrtausend bewiesen hat, anerkennen.“
Weder in Demokratien und noch Diktaturen wird sich die Postwachstumsökonomie dauerhaft durchsetzen lassen. Diese Idee mag in einigen Milieus der reichsten Länder der Welt ein paar Anhänger haben, In den Staaten, die gerade dabei sind sich aus der Armut zu befreien, wird sie von den Menschen als das erkannt, was sie ist: Als ökologisch verbrämte, reaktionäre, bürgerliche Kapitalismuskritik, die aus dem Auge verloren hat, was das Ziel jeder fortschrittlichen Politik sein sollte: Das Leben der Menschen zu verbessern und ihre Freiräume in jeder Hinsicht zu vergrößern.
Die einzige Lösung besteht im technischem Fortschritt. Nur er kann das Leben der Menschen verbessern und ihnen gleichzeitig Freiheit sichern. Mehr noch: Er ist die Grundlage für Freiheit und Selbstbestimmung.
Tolle und wichtige Analyse. Jetzt muss man dem guten Mario nur noch erklaeren, wieviele Kohlekraftwerke China so baut. Dafuer haette er mal 2 Sekunden recherchieren muessen…
https://taz.de/Kohlekraftwerke-weltweit-im-Bau/!5564169/
Sixtus ist Ideologe. Der recherchiert nicht vorangig, sondern twittert Meinungen, also eine, seine! Luftpumpe 🙂
Super Artikel, aber ich gestatte mir eine Anmerkung.
"Was Herrmann zudem verschweigt: Es waren maßgeblich deutsche U-Boote, die zur Versorgungskrise der Briten beitrugen."
Das waren auch die Italiener. Mit den deutschen U-Boote hatten sich die Briten gerechnet, wenn auch nicht mit Stützpunkten in Frankreich. Die gleichzeitige Schließung des Mittelmeeres und der Umweg um Afrika hat sie kalt erwischt. Das zwang zu harten Einschränkungen.
PS: China steigert seit zig Jahren seine CO2 Emissionen und wird das auch nicht viele Jahre weiter machen.
Verzicht ohne einen massiven New
Green Deal heisst Depression mit Massenarbeitslosigkeit. Ein NGD ist unter Verzichtsbedingungen aber nicht finanzierbar. Hier hinkt der Vergleich mit der britischen Mangelwirtschaft: Sie war kurzfristig auf Pump finanziert. Damals kein Problem. Ohne Wachstum ist jedoch Schuldendienst unmöglich. Jens Jessen hat recht: Geht es nicht ohne Verzicht, haben wir die Wahl zwischen Sozialismus oder Feudalismus.
Verzicht ist wenn sich die Einwohner des heutigen Wiltshire nicht mehr zum Schweinebraten im jungsteinzeitlichen Stonehenge treffen und der Untertan der Reviergebieter nicht mehr zum Singen in die Kirche oder zum Knappenchor geht.
Es gibt ein Leben in Paris oder Duisburg auch als zugewanderter, taxisfahrender russischer Exilschriftsteller jenseits der Gegenwart → , dort wo man Utopie sagt. Das ist aber ein grundsätzliches PPPP, ← re-porten statt → pro-… dort wo das Ende von VVV anfängt.