In Stuttgart gab es die erste Solidaritätskundgebung mit den anti-Hamas-Protesten im Gazastreifen

olidaritätskundgebung von Palästinenserinnen und Palästinensern mit den anti-Hamas-Protesten in Gaza Foto: Privat


Am Donnerstag fand in Stuttgart die erste Solidaritätskundgebung von Palästinenserinnen und Palästinensern mit den anti-Hamas-Protesten in Gaza statt. Organisiert hatten das Event-Mitglieder des Gaza-Youth-Movements, die, als sie noch in Gaza lebten, die damaligen Massenproteste 2019 mit initiiert hatten. Von unserem Gastautor Thomas von der Osten-Sacken.

Unter dem Motto “Frieden und Freiheit für Gaza; Weg mit der Hamas” versammelten sich nur knapp unter fünfzig Demonstrierende auf dem Schlossplatz. Dass es nicht mehr waren, lag vor allem daran, dass nicht öffentlich für die Kundgebung geworben wurde – und zwar aus berechtigten Sicherheitsinteressen. Denn auch in Deutschland und Europa beobachten Hamas und ihre Unterstützer genau, wer sich gegen sie ausspricht und positioniert. Einschüchterungen und konkrete Bedrohungen haben fast alle Palästinenser aus Gaza, die sich gegen die Hamas in Europa positionieren, schon erlebt. Vor allem aber haben diejenigen Angst, sich zu exponieren, deren Familienangehörige noch in Gaza leben, denn es ist immer wieder vorgekommen, dass die Hamas auf sie Druck ausübt oder sie sogar bestrafte – denn Sippenhaftung gehört bei autoritären Regimes im Nahen Osten zum üblichen Repertoire der Repression.

Angst vor Hamas auch in Deutschland

Damit auch dürfte eine auf sozialen Medien oft gestellte Frage, warum es so selten zu solchen Kundgebungen in Deutschland kommt, zum Teil beantwortet sein: Viele aus Gaza nach Europa geflüchtete Menschen vermeiden es schlicht aus Angst, ihre Ansichten öffentlich kundzutun. Da geht es ihnen nicht anders als unzähligen Syrern oder Irakis vor ihnen, die wussten, dass der lange Arm der brutalen Geheimdienste ihrer Länder auch nach Europa reicht und sie immer auch das Wohlergehen ihrer zu Hause gebliebenen Lieben mit ihm Blick haben mussten.

Für Palästina-Demonstrationen recht ungewöhnliche Slogans, die gegen die Hamas und für Frieden und Koexistenz mit Israel warben, waren hier erstmals auf deutschen Straßen zu sehen. Es ist in der Tat bedauerlich, dass man aus Angst vor der Hamas zu einer solchen Veranstaltung nicht breit mobilisieren konnte. Wünschenswert wäre es gewesen, auch um zu zeigen, dass nicht nur in Gaza, sondern auch in Europa es ganz andere Stimmen gibt als solche, die sich auf den nur allzu bekannten so genannten pro-Palästina Demonstrationen – meist hasserfüllt – zu Wort melden.

Gaza-Opposition in Europa nicht organisiert

Aber anders als die doch recht gut vernetzte Szene, die mit ihren roten Dreiecken und “From the River to the Sea”-Slogans keine Probleme hat, Demonstrationen oder andere Aktionen auf die Beine zu stellen, sind die Palästinenser, die in Opposition zur Hamas stehen, leider kaum organisiert und verfügen schon gar nicht über die finanziellen Mittel, derer es eben auch bedarf, eine Kundgebung zu organisieren. Nur ein Spendenaufruf im Vorfeld sowie tätige Unterstützung solidarischer Menschen aus Baden-Württemberg im Vorfeld haben daher diese Aktion ermöglicht. Auf Hilfe seitens bekannter Palästina-Solidarität konnte das Gaza Youth Movement so wenig zählen wie 2019. In diesen Kreisen werden stattdessen die anti-Hamas-Proteste in Gaza weitgehend totgeschwiegen, passen sie so doch gar nicht ins “Yalla-Yalla Intifada bis zum Sieg”-Weltbild. Eher gilt als Verräter, wer es wagt, gegen die Hamas zu demonstrieren.

Entsprechend zeigten sich auch viele Passanten in Stuttgart überrascht, denn das, was sie sahen, passte gar nicht zum Bild, welches Palästina-Demonstrationen sonst vermitteln. Es kam zu vielen Kontakten und Diskussionen, wie die Veranstalter berichten. Sie erhielten sowohl Zuspruch als auch scharfe Ablehnung.

Aber ein Anfang ist nun gemacht und weitere Aktionen in anderen Städten in Planung. Es habe, so einer, der das Event in Stuttgart mit vorbereitet hat, schon Anfragen aus Berlin und anderen Städten gegeben. Man hoffe, Stuttgart sei der Startschuss, um in Europa hörbar die Forderungen derjenigen zu verbreiten, die für ein Ende des Hamas-Regimes in Gaza auf die Straße gehen. Eine lautet, wie auf einem der allesamt dreisprachigen Plakate stand: “Wir fordern die EU auf, die Demonstranten in Gaza und nicht die Hamas zu unterstützen.”

Der Text erschien bereits in der Jungle World

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